Große Koalition verhandelt über Vorratsdatenspeicherung

Nach den Terrorwarnungen von Dresden, Braunschweig und Bremen in den vergangenen Wochen soll SPD-Justizminister Heiko Maas gezwungen werden, bei der Überwachung von Verbindungsdaten nachzugeben.

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Große Koalition verhandelt über Vorratsdatenspeicherung

(Bild: dpa, Christian Charisius)

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  • dpa

Weil die EU-Kommission nicht liefert, plant die Bundesregierung nun offenbar einen Alleingang für die systematische Speicherung von Telefon- und Internetdaten, wie das Nachrichtenmagazin Der Spiegel berichtet. Über das Streitthema gebe es inzwischen direkte Gespräche zwischen Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD).

Das von vielen Datenschützern kritisierte Sammeln von Verbindungsdaten ohne konkreten Anlass soll Fahndern vor allem bei der Jagd auf Terroristen und andere Schwerverbrecher helfen. Zuletzt hatten die Sicherheitsbehörden drei konkrete Warnungen vor islamistischem Terror in Dresden, Braunschweig und Bremen ausgesprochen.

Mögliche Fristen für die Dauer der Speicherung wurden nicht genannt. Das Magazin schreibt, ein möglicher Kompromiss mit Maas könnte darin bestehen, dass Berufsgeheimnisträger wie Ärzte, Anwälte oder Journalisten von der Erfassung ausgenommen werden.

Der Justizminister hatte sich mehrfach gegen eine Datenspeicherung ausgesprochen, die sein Kabinettskollege de Maizière befürwortet. Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums wollte sich am Samstag zu der Frage, ob und wann ein Gesetzentwurf zu erwarten sei, nicht äußern.

Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert würde eine deutsche Lösung bei der Vorratsdatenspeicherung begrüßen – aber nur in eng abgesteckten Grenzen. "Die unsichere Situation, die wir über Jahre hin hatten, ist nicht tolerierbar, weil einige Telekommunikationsunternehmen offensichtlich länger Daten speichern als es notwendig ist", sagte Weichert der dpa.

Er sei für eine "ganz kurze Frist", in der Daten gespeichert werden dürfen. "Ich halte eine Woche für akzeptabel, vielleicht auch ein ganz klein wenig länger, aber sechs Monate sind definitiv zu viel." Die Polizei müsse ihre Prozesse bei der Datenauswertung beschleunigen, dann reiche eine Woche, um eine Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung effektiv umzusetzen.

Die FDP warnt dagegen vor dem sich abzeichnenden deutschen Alleingang bei der Vorratsdatenspeicherung und macht der SPD schwere Vorwürfe. "Versprochen – gebrochen: Die SPD knickt offenbar bei der Vorratsdatenspeicherung ein", sagte FDP-Generalsekretärin Nicola Beer der dpa. "Dabei braucht die Verbrecherjagd eine modernere und allseits bessere Ausstattung der Polizei statt eines Monster-Instruments, um Persönlichkeits- und Bewegungsprofilen aller Bürger zu erstellen."

In Deutschland ist die Speicherung von Kommunikationsdaten ohne Anlass derzeit nicht erlaubt. Das Bundesverfassungsgericht hatte ein Gesetz 2010 verworfen, das eine Mindestspeicherzeit von sechs Monaten vorsah. Das Gericht sah die Speicherung der Daten zwar nicht generell als verfassungswidrig an, beharrte damals aber auf einer klareren Regelung und besonderen Sicherheitsmaßnahmen.

Der Europäische Gerichtshof kippte eine EU-Regelung zur Vorratsdatenspeicherung 2014. Ein neuer Vorschlag der EU-Kommission ist so bald nicht zu erwarten. Ihr Vizepräsident Frans Timmermans hatte erst im Februar erklärt, dafür sei noch viel Zeit nötig. Damit stieg der Druck auf die Bundesregierung, selbst aktiv zu werden. Bislang hatte sie stets betont, sie wolle erst einmal die Vorgaben aus Brüssel abwarten. (tig)