Lizenzfreier Videocodec Daala geht ins WebRTC-Rennen

Das ganze Real-Time Communication Web (WebRTC) ist von Lizenzgebühren befreit. Aber ein hartnäckiger Kreis von Patentinhabern verteidigt noch eine kleine Domäne – die der Videocodecs. Damit möchte eine Reihe von Entwicklern endlich Schluss machen.

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Lizenzfreier Videocodec Daala in Dallas vorgestellt
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert
  • Volker Zota

Die Internet Engineering Task Force (IETF) will ihren Erfolg bei der Standardisierung eines lizenzfreien Codecs wiederholen. Nach dem Audiocodec Opus wird sich eine neue Arbeitsgruppe in den kommenden Monaten die Standardisierung eines neuen Videocodec (PDF) vornehmen. Einen Kandidaten, Daala, stellte ein Team von Mozilla-Forschern beim 92. Treffen der IETF in Dallas offiziell vor. Ob der die gegenwärtig eingesetzten Google (VP9) beziehungsweise ITU (H.265) Standards ablösen kann, muss sich zeigen. Wie immer, wenn es um Codecs geht, gab es eine hitzige Debatte über Patentrechte und die Haltung der IETF zur Lizenzpolitik.

Einen wettbewerbsfähigen Videocodec – "mindestens State of the Art" –, der gleichzeitig besser mit der Lizenzpolitik der IETF harmoniert, das hat sich die IETF-Arbeitsgruppe laut der in Dallas abgestimmten Charter vorgenommen. Wie schon beim zuvor standardisierten Audiocodec hatte die Arbeit der WebRTC Gruppen den Anstoß für die Arbeit an einem neuen Standard gegeben. WebRTC ist eine Protokollsuite, die eine nahtlose, ohne Plug-ins funktionierende Multimediakommunikation zwischen Browsern und Plattformen realisieren soll.

Alle dafür notwendigen Protokolle von den klassischen Transportprotokollen der IETF bis zum JavaAPI für HTML des W3C standen den Entwicklern frei zur Verfügung. "Aber dann hat man das Problem mit den Codecs", sagt Jean-Marc Valin von Mozilla, einer der Opus-Entwickler. Als die IETF die Arbeit für einen eigenen Audio Codec begann, hatte es harte Auseinandersetzungen gegeben, nicht zuletzt mit Vertretern der Internationalen Fernmeldeunion (ITU), deren Study Group 16 sich um Video- und Audiokompressionsformate kümmert. Eine Vertreterin von Blackberry rief denn auch in Dallas dazu auf, die Videocodec-Arbeit wenigstens mit der ITU zu koordinieren.

Die Einigung auf einen lizenzfreien und nicht von Patenten belasteten Videocodec wird nach Ansicht der Experten noch schwieriger, wie der langjährige Streit um Googles Videoformate VP8/VP9 Codec zeigt. Das MPEG-Konsortium und ITU hat vor zwei Jahren den H.264-Nachfolger HEVC/H.265 als Videocodec der nächsten Generation standardisiert. Diese beiden Standards müssen gegenwärtig als WebRTC Videoformate eingesetzt werden. Ein Standard, auf den niemand Patentansprüche erhebt, scheint kaum möglich.

Von den Patentdickichten wollen sich die Entwickler der Xiph Foundation, die schon diverse freie Kompressionsformate aus der Taufe gehoben haben, und von Mozilla nicht abschrecken lassen. Sie arbeiten schon seit geraumer Zeit gemeinsam an dem neuen Videokompressionsformat Daala. In Dallas berichtete Timothy Terriberry von den Arbeiten, die neben den Kernautoren von 37 weiteren externen Entwicklern unterstützt wird, auch Ingenieuren von Unternehmen wie Cisco oder Google.

"Die Strategie bei Daala ist, dass wir große Teile des Codec fundamental neu gestalten," sagte Terriberry. Natürlich handele man sich anders als die über zwei Jahrzehnte im Videocodec-Bereich vorgenommene inkrementelle Verbesserungen mit dem neuen Aufschlag auch neue technische Probleme ein. Doch vermeide man gleichzeitig viele Untiefen des Patentsumpfs, so Terriberry.

Gänzlich rausgeworfen werden soll so etwa die von allen Patent-beladenen Codecs grundsätzlich genutzte diskrete Kosinustransformationen (DCT). Die hatte immer den Nachteil, dass man die entpackten Bilder nachbearbeitem musste, um die Übergänge zwischen den entstandenen Bildquadraten oder Dreiecken zu glätten, so Valin. Daala soll von vornherein mit überlappenden Funktionen arbeiten.

Ein anderes neues Konzept betrifft Gewinne, die man durch eine neue Berechnung der Videobilder erzielen will. So setzt Daala "Perceptual Vector Quantization" (PVQ) statt der bisher üblicherweise eingesetzten (skalaren) Quantisierung ein. Mit PVQ soll es gelingen, unbewegte Bildbestandteile besser aufzulösen, in denen Störungen eher als in dynamischen wahrgenommen werden.

Bei skalarer Quantisierung (links) sind die Werte für x und y unabhängig voneinander, bilden aber ein regelmäßiges Raster. Bei der Vektorquantisierung hängen sie zwar voneinander ab, erlauben aber andere Verteilungen (hier: zweidimensionale normalisierte Pyramiden-VQ).

(Bild: Xiph.org Foundation)

Ursprünglich wollte das Daala-Team den Codec fertigstellen. Allerdings präsentierte es auch eine Liste einer ganzen Reihe unerledigter Arbeiten. Ein bißchen länger werde es also wohl noch dauern, sagte Valin. Bis die neue IETF-Arbeitsgruppe die verschiedenen möglichen Kandidaten zum Beauty Contest lädt, dürfte es aber auch noch einige Zeit dauern. (vza)