40 Jahre Microsoft? Eine Spurensuche.

Microsoft feiert heute laut Wikipedia seinen 40 Geburtstag. Es passt zum Aufstieg dieser Firma, dass das Datum ausgesprochen strittig ist.

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Aus der ersten Anzeige Microsofts

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Laut Wikipedia wurde Microsoft heute in Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico gegründet. Die Quelle ist ein Artikel der BBC, offizielle Dokumente gibt es nicht. Was es gibt, ist eine Eintragung des Warenzeichens Microsoft beim Staatsregister von New Mexico vom 26. November 1976. Microsoft ist da eine Firma, die mit Waren aller Art handelt, "die in Datenverarbeitungssystemen eingesetzt werden oder die zum Start von Datenverarbeitungssystemen gebraucht werden, inklusive dem Anbieten von Datenverarbeitungs-Dienstleitungen und Computerprogrammierung". Laut dem Antrag auf Erteilung eines Warenzeichens wurde der Name Microsoft von Paul Allen und Bill Gates seit dem 12. November 1975 kontinuierlich benutzt. Der offizielle Gesellschaftervertrag zwischen den beiden jungen Gründern datiert noch später und wurde am 3. Februar 1977 unterzeichnet.

Hiermit fing alles an: BASIC für den Altair 8800.

(Bild: Todd Dailey, Lizenz Creative Commons CC BY-SA 2.0)

Rekonstruiert man die Daten aus den zahlreichen Werken über die Entstehung von Microsoft und den Büchern der Microsoft-Gründer, so ergibt sich eine interessante Gründungsgeschichte: Im Dezember 1974 erschien die Ausgabe der Popular Mechanics, die den Altair von MITS vorstellte. Das Bastelkit begeisterte viele Leser. Sie schickten Blankoschecks mit dem Wunsch, "one of everything" zu erwerben. Dieses Geld hatten Paul Allen und Bill Gates nicht, aber sehr wohl die nötige Phantasie. "Erregt lasen wir von dem ersten echten Personal Computer, und obwohl wir noch keine genaue Vorstellung davon hatten, wozu er zu gebrauchen wäre, war uns doch schon bald klar, dass er uns und die Welt des Computings verändern würde", schrieb Gates später in dem Buch "Der Weg nach vorn". Allen und Gates schickten am 2. Januar 1975 einen Brief an MITS, in dem sie erklärten, ein BASIC fix und fertig entwickelt zu haben, das auf MCS-8080 Mikros lauffähig ist.

"Wir sind daran interessiert, diese Software über Sie an Hobbyisten zu verkaufen. Sie kann auf Kassette oder Floppy Disks an Nutzer Ihres ALTAIR Microcomputer geliefert werden. Wir denken, von Ihnen 50 Dollar pro Kopie zu bekommen, während Sie die Kopie für 75 bis 100 Dollar verkaufen können."

Dieser Brief wurde mit dem Briefkopf der Firma Traf-O-Data verschickt und von "Paul G. Allen, President" unterzeichnet. Traf-O-Data war die erste Firma, von Allen und Gates gegründet, um Software zur Verkehrsüberwachung zu schreiben. Nach einigen Telefonaten mit dem MITS-Gründer Ed Roberts flog Allen nach Albuquerque und wurde schließlich zum 3. März 1975 als "Director of Software" bei MITS angestellt. Allen arbeitete damals nach seinem Studium als Programmierer bei Honeywell und kündigte zum Entsetzen seiner Kollegen einen krisensicheren Arbeitsplatz, an dem er bis zur Rente hätte bleiben können. Allen telefonierte häufig mit Bill Gates, der zu der Zeit noch in Boston an der Universität Harvard studierte, hauptsächlich aber damit beschäftigt war, ein BASIC zu entwickeln, das beide an MITS verkaufen wollten. In einem der Telefonate sprachen Allen und Gates erstmals im April über eine mögliche Partnerschaft in einer Firma, die beiden jeweils zur Hälfte gehören sollte.

Doch als die BASIC-Software wirklich fertig war und der Vertrag mit Roberts am 22. Juli 1975 unterzeichnet wurde, unterschrieben Allen und Gates als Einzelpersonen, nicht als Firma. William Gates, der Vater von Bill Gates hatte einen befreundeten Anwalt gebeten, den Vertrag aufzusetzen. Ed Roberts unterschrieb ihn, ohne ihn überhaupt gelesen zu haben. Für Paul Allen war dies ein wichtiger Moment:

"Im Leben eines Unternehmers gibt es nur wenige herausragende Momente. Diesen Vertrag zu unterzeichnen war für Bill und mich von großer Bedeutung. Jetzt war es an der Zeit, dass wir unserer Partnerschaft einen Namen gaben. Zunächst dachten wir an Allen & Gates, aber das klang nach Anwaltskanzlei. Meine zweite Idee lautete Micro-Soft, was für Mikroprozessoren und Software stand."

So jedenfalls Paul Allen in seiner 2011 veröffentlichten Autobiographie "Idea Man". In ihr beschreibt er auch, dass die 50/50-Partnerschaft an Micro-Soft, die ursprünglich angedacht war, von Gates nicht akzeptiert wurde. Gates' Einwand fiel in einem längeren Gespräch, das Allen wortwörtlich aus seiner Erinnerung heraus so wiedergibt. Bill Gates klagte:

"Ich finde es nicht in Ordnung, dass du zu 50 Prozent daran beteiligt bist. Schließlich hattest du dein Gehalt von MITS, während ich in Boston ohne jeden Cent dasaß und BASIC fast ganz alleine geschrieben habe. Meine Beteiligung sollte also höher sein. Was hältst du von 60 zu 40?"

Allen akzeptierte dies. Er akzeptierte auch die von Gates später geforderte Quote von 64 zu 36, die in dem offiziell am 3. Februar 1977 unterschriebenen Gesellschaftervertrag aufgeführt ist. Gates begründete die von ihm erneut erhöhte Quote damit, dass er viel aufgegeben habe, als er Harvard den Rücken kehrte, um BASIC zu schreiben. Gates setzte zudem im Vertrag eine Klausel ein, die einen Partner von geschäftlichen Verpflichtungen befreien sollte, wenn dieser ein Vollzeitstudium aufnimmt. In der Autobiographie von Allen heißt es dazu leicht verbittert zu den erneut veränderten Beteiligungen:

Sicherlich hätte er argumentieren können, dass seine Zahlen den jeweiligen Beitrag, den jeder von uns geleistet hatte, widerspiegeln. Für mich aber taten sie mehr als nur das: Sie machten deutlich, dass es wesentliche Unterschiede zwischen dem Sohn eines Bibliothekars und dem Sohn eines Anwaltes gibt.

BASIC, das erste Produkt der Firma Micro-Soft, verkaufte sich durch MITS nicht wie erhofft. Statt an den Einnahmen von MITS mitzuverdienen, mussten die Gründer erleben, dass MITS selbst die Software bei einer Verkaufstour des MITS-Mobils verteilte, das zu den Treffen der im ganzen Land entstehenden Computer-Clubs fuhr. Paul Allen regte sich über die Mitglieder des Hombrew Computer Clubs auf, die "wie die Hippies von Haight Ashbury" Software brüderlich teilen wollten.

Perlen wie dieses Plakat mit Allen und Gates zum 10jährigen Jubiläum findet man in Microsoft eigener Geschichtsaufarbeitung in Video-Form auf: http://channel9.msdn.com/series/history

Bill Gates schrieb an die Zeitschrift "Computer Notes" seinen berühmten Brief an die Hobbyisten, der, vielfach nachgedruckt, den Namen Micro-Soft unter den an Elektronik Interessierten erst richtig bekannt machte. Die erste Fassung dieses Briefes schrieb Gates auf dem offiziellen Briefpapier von MITS, weshalb er von Ed Roberts abgemahnt wurde. Er musste in einem zweiten Brief an die Hobbyisten ausdrücklich klarstellen, dass seine Klage nicht im Namen von MITS erfolgte, sondern von Micro-Soft. Dies, obwohl Gates im Herbst 1975 tatsächlich bei MITS angestellt war und 90 Dollar die Woche verdiente, bei einem Stundenlohn von 2,25 Dollar.

Wann nun tatsächlich der richtige Tag ist, bleibt trotz zahlreicher Spuren leider offen. Bei Microsoft selbst feierte man am 12. August 1985 den 10. Geburtstag, am 25. Juli den 15. Geburtstag, am 15. September 1995 den 20. Geburtstag und am 1. Juli 2005 den 30. Geburtstag. Da auch Bill Gates gestern in dieser Sache eine Nachricht an alle Mitarbeiter gesendet hat, liegt Wikipedia wohl richtig. Die E-Mail lässt sich unter anderem bei Twitter bewundern. (ps)