Fast lichtschnelle Raumschiffe wären mit aktueller Technik zu erkennen

Reisen zwischen Sonnensystemen sind für die Menschheit ein ferner Traum. Sollte es sie schon heute oder bald geben, könnten wir sie anhand eindeutiger Zeichen aber zumindest bemerken.

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  • TR Online

Reisen zwischen Sonnensystemen sind für die Menschheit ein ferner Traum. Sollten Aliens sie schon heute oder bald unternehmen können, würden wir sie anhand eindeutiger Zeichen aber zumindest bemerken.

Interstellare Reisen mögen Science-Fiction sein. Wie sich allerdings leicht berechnen lässt, wären sie möglich, wenn sich nur ein erheblicher Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit erreichen ließe. Realisieren lässt sich das mit Technologien der näheren Zukunft wohl nicht, doch wenn eine andere Zivilisation dazu in der Lage ist, ließe sich das mit heutigen Mitteln zumindest beobachten.

Diese Überlegungen stammen von Ulvi Yurtsever und Steven Wilkinson, Forschern bei dem kalifornischen Rüstungsunternehmen Raytheon. In ihrem Fachaufsatz beschreiben sie zudem ein weiteres Problem für extrem schnelle Raumreisen, das bislang übersehen wurde.

Die beiden Experten erklären: Jedes Objekt, das sich mit relativistischer Geschwindigkeit bewegt, wird mit Photonen in der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung interagieren. Diese Interaktion könne einen Widerstand erzeugen, der dem Tempo von künftigen Raumreisen konkrete Grenzen setzt.

Gleichzeitig dürfte dadurch aber eine charakteristische Signatur für relativistische Raumreisen entstehen, die mit heutiger Technologie erkennbar wäre – falls wirklich bald irgendwelche Vehikel dieser Art durch unsere galaktische Nachbarschaft rasen.

Die kosmische Hintergrundstrahlung ist sozusagen das Echo des Urknalls. Es handelt sich dabei um Licht, das noch aus den frühesten Zeiten des Universums stammt und bei seiner in die Länge gezogen wurde. Die Strahlung hatte anfangs also viel mehr Energie und kürzere Wellenlängen, befindet sich jetzt aber im Mikrowellenbereich.

Diese Strahlung erfüllt das Universum. Jeder Kubikzentimeter Kosmos enthält mehr als 400 Mikrowellen-Photonen, so dass ein interstellares Raumschiff jede Sekunde mit tausenden Milliarden davon kollidieren würde.

Diese Kollisionen kann man sich auf mikroskopischer Ebene so vorstellen, dass die einzelnen Photonen mit hoher Energie auf einen Atomkern treffen. Teilchenphysiker wissen sehr genau: Wenn die Energie bei solchen Zusammenstößen ausreicht, müssten dadurch Paare von Elektronen und Positronen entstehen.

Wie Yurtsever und Wilkinson erklären, erscheinen diese Photonen im Ruhesystem eines fast mit Lichtgeschwindigkeit fliegenden Raumschiffs als hochenergetische Gammastrahlen. Wenn diese Gammastrahlen ein höheres Energieniveau haben als die Ruhemasse eines Elektrons und eines Positrons, entsteht durch die Kollision ein Paar aus Elektron und Positron.

Als Nächstes erklären die beiden Forscher, dass durch diesen Prozess enorme Mengen an Energie frei werden. Die Entstehung jedes Elektron-Positron-Paares setzt 1,6 x 10^(-13) Joule frei. „Unter der Annahme eines effektiven Querschnittsbereichs von zum Beispiel 100 Quadratmetern beträgt der Freisetzungseffekt ungefähr 2 Millionen Joule pro Sekunde“, so Yurtsever und Wilkinson.

Im Ruhesystem des Raumschiffs ist die Freisetzung wegen der Zeitdilation sogar noch höher. Sekunden dauern bei extrem schneller Bewegung hier effektiv länger, so dass die Energiefreisetzung deutlich zunimmt und im Bereich von 10^14 Joule pro Sekunde liegt.

Das ist ein erheblicher Widerstand, den die Antriebssysteme des Raumschiffs überwinden müssten, nur um sein Tempo zu halten, schreiben Yurtsever und Wilkinson. Nach ihrer Darstellung ist das ein guter Grund dafür, das Tempo des Raumschiffs unterhalb dem Schwellenwert zu halten, ab dem Elektron-Positron-Paare entstehen; dadurch lasse sich der Widerstand auf ein vernachlässigbares Niveau von nur ein paar Joule pro Sekunde verringern. Die Grenze wird erreicht, wenn das Raumschiff eine Geschwindigkeit von 1 – 3,3 x 10^(-17) hat.

Die Bewegung eines relativistischen Raumschiffs hat noch andere Auswirkungen: Sie dürfte die kosmische Hintergrundstrahlung so verstreuen, dass eine charakteristische Signatur entsteht. „Weil ein baryonisches Raumschiff mit relativistischer Geschwindigkeit fliegt, wird es mit der Strahlung über Streuung interagieren, so dass es eine Frequenzverschiebung gibt, die mit heutiger Technologie auf der Erde erkennbar sein dürfte“, so die beiden Forscher.

Anschließend berechnen sie die Eigenschaften dieser Signatur. Durch den Streueffekt entsteht nach ihren Worten Strahlung im Terahertz- bis Infrarot-Bereich, die sich relativ zum Hintergrund bewegen dürfte. „Die besonderen Merkmale des Signals sind ein rascher Rückgang der Temperatur, begleitet von einem raschen Anstieg der Intensität sowie der Bewegung der Quelle in Bezug auf ein Referenzsystem, das an ferne Quasare gebunden ist. Dies sollte beobachtbar sein“, schreiben Yurtsever und Wilkinson.

Mit anderen Worten: Wenn relativistische Raumschiffe durch den interstellaren Raum jagen, müsste diese Art von Signatur mit der aktuellen Generation von astrophysischen Observatorien zu erkennen sein.

Der Beitrag ist eine interessante Arbeit, mit der die Analyse relativistischer Raumreisen die nächste Stufe erreicht. Andere Forscher haben sich mit der Möglichkeit beschäftigt, relativistische Raumschiffe anhand der optischen Emissionen zu erkennen, die ihre Triebwerke hinterlassen müssten. Yurtsever und Wilkinson aber sind einen Schritt weitergegangen.

Natürlich arbeiten sie mit einer Reihe von Annahmen. Nicht die unwichtigste davon lautet, dass relativistische Raumreisen überhaupt möglich sind. Sollte tatsächlich irgendeine fortgeschrittene Zivilisation diese Art von Sprung in den Kosmos schaffen, dürften die Interaktionen mit den kosmischen Photonen noch ihr geringstes Problem sein: Kollisionen mit fester Materie wären weitaus schädlicher.

Yurtsever und Wilkinson nennen ein paar Zahlen dazu. Bei einem mit nahezu Lichtgeschwindigkeit reisenden Raumschiff würde das Auftreffen eines einzigen kosmischen Staubkörnchens mit einer Masse von 10^-(14) Gramm eine Aufprallenergie von fast 10.000 Megajoule bedeuten.

Der intergalaktische Weltraum ist relativ sauber. Trotzdem bräuchte jedes relativistische Raumschiff eine Methode, um seinen Weg freizumachen – viel neuer Stoff zum Nachdenken für potenzielle Raumfahrer.

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