Android-Ableger Kalpana für Geldautomaten

Mit einer angepassten Android-Version, Thin-Client- und Cloud-Techniken will NCR die Abkehr von der alten WinTel-Architektur bei Geldautomaten erreichen.

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Android-Version Kalpana für Geldautomaten
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Susanne Nolte

NCR, der mit Abstand größte Hersteller von Geldautomaten, hat diese Woche ein erstes System mit Android vorgestellt. Zusammen mit Intel hatte NCR dafür eine eigene Android-Verion basierend auf KitKat (Android 4.4.4) namens Kalpana entwickelt. Sie verzichtet auf etliche für Smartphones zentrale Bestandteile wie Benachrichtigungen, virtuelle Tastatur und Kamera. Dafür bietet sie zusätzliche Sicherheitsfunktionen wie den Secure Boot-Loader, der nur von NCR signierten Booting-Code lädt.

Zudem verfolgt NCR eine Software-orientierte Strategie. Sie setzt auf eine Verlagerung der "Intelligenz" von der Hardware weg und damit auf eine beliebige Maschine, etwa die zentralen Server im bankeigenen Rechenzentrum. Designziel war also ein Thin-Client-artiges System, das lediglich die Benutzerschnittstelle und die Steuerung der Ein- und Ausgabe-Module übernimmt.

Mit dem Android "Kalpana" und Webtechniken arbeitet der frisch vorgestellte Geldautomat von NCR.

(Bild: NCR)

Das Ergebnis war der 256 MByte kleine Kalpana-Client. Für seine Apps benutzten die Entwickler HTML, WebKit, das Spring Framework und RESTful APIs. Kalpana arbeitet mit relationalen Datenbanken wie Microsofts SQL Server und der Oracle DB sowie mit nicht-relationalen Datenbanken wie der MongoDB. Als Webserver sieht NCR Apache vor.

Sollte der Schwenk in Richtung Open Source, Thin Client und Webtechniken gelingen, fällt auch die letzte Windows-Festung, die das Redmonder Betriebssystem nach IBMs Abkündigung von OS/2 in den 90er Jahren eingenommen hatte. Der überwiegende Teil aller Geldautomaten weltweit laufen noch mit Windows XP Professional oder XP Embedded, einige mit noch älteren Windows-Versionen. Durch das Einstellen der Updates für ersteres im April 2014 waren die Hersteller und Betreiber von Geldautomaten zum Handeln gezwungen. Auch die Unterstützung für Windows XP Embedded endet am 12. Januar 2016. NCR etwa berichtete dem Register, dass man nun ein Drittel ihrer Geldautomaten in Großbritannien auf Windows 7 umgestellt habe.

Dass das Entsorgen solcher Betriebssystem-Altlasten hier so langsam voranschreitet, hat einen einfachen Grund: Ein einzelner Geldautomat kostet Zehntausende Euro, hat eine deutlich längere Lebenszeit als ein PC und einen 24/7-Job. Ein solches Gerät nur wegen des Betriebssystems ersetzen zu müssen, stößt bei den Banken auf wenig Gegenliebe. Zudem wachse laut NCR die Unsicherheit bezüglich der Windows-Roadmap: seit Vista erscheinen die Versionen in immer schnellerer Abfolge.

Für NCR sprachen weitere Argumente für eine Abkehr von Windows: Erstens bietet Windows keine Thin-Client-Option, zum anderen ist die Verschlossenheit des Source Code für Hersteller sicherheitsrelevanter Anwendungen von großem Nachteil. Auf der Linux-Seite hatte NCR mehrere Optionen durchgerechnet: Android, Red Hat, CentOS oder eine Eigenentwicklung. Android hätte vor allem die klarste Roadmap geboten. Bisher hatte Linux nur wenig Beachtung in diesem Sektor gefunden. Der indische Hersteller Vortex Engineering etwa baut Geldautomaten, die ausschließlich mit Linux arbeiten. Die brasilianische Bank Banrisul war direkt von MS DOS auf Linux umgestiegen und die Banco do Brasil stellt ebenfalls auf Linux um. (sun)