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Was war. Was wird. Von Daten, Daten und nochmals Daten.

Neusprech macht intelligent. Und Daten sowieso. Oder so. Hal Faber möchte manches Mal verzweifeln, weil es doch so kommt, wie immer gewarnt wurde und niemand glauben wollte.

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Glasfaser, Daten, Licht
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

Vorratsdaten in der Ermittlungspraxis - außer Spesen ... ach, lassen wir das.

*** Damit nicht auffällt, dass ein Schreibalgorithmus das WWWW produziert, beginnt die kleine Wochenschau nicht mit den wieder aufgetauchten Untoten, sondern mit einer kleinen Nachricht, die bereits gemeldet wurde: Die strenge Zweckbindung der LKW-Maut soll aufgehoben werden. Vergessen sind die Beteuerungen der Parlamentarier bei der Verabschiedung des "Bundesfernstraßenmautgesetzes", dass so etwas niemals passieren wird. Inmitten der Debatte um die neue Achslastbemautung ab 2018 soll ein Passus in die Reihe der Mautverordnungen, der die Daten für Dritte freigibt. Zur Begründung der "Nutzbarmachung" müssen natürlich Startups her, die die Daten kaufen. So bewahrheitet sich einmal mehr, dass es neben dem Grundgesetz für Abgeordnete ein Untergrundgesetz mit einem kantigen Imperativ gibt: "Denk an Deine Zukunft!" Natürlich leise und lächelnd, nicht laut, da tönt es denn ganz anders, übrigens nicht einmal mit LKW-Bezug, weil bei der kommenden PKW-Maut auch eine Nutzbarmachung nützlich sein kann:

"Mautdaten geben uns Informationen über die Verkehrslage. Ihre Analyse wird zu einer besseren Vorhersage von Staus führen. Durch intelligente Verkehrsleitsysteme können die Verkehrsströme besser gesteuert werden. Dies wird Staus erheblich reduzieren und somit auch einen großen volkswirtschaftlichen Nutzen mit sich bringen. Ebenso könnten in Zukunft auch Startup-Unternehmen mobile Anwendungen entwickeln, mit deren Hilfe die Autofahrer noch intelligenter an ihr Ziel geleitet werden. Die Wissenschaft hat nun die Aufgabe, mit den Daten neue Möglichkeiten zur intelligenten Verkehrslenkung zu erforschen.

*** So strömen die Worte im fließenden Neusprech und wir werden immer intelligenter. Der Fall LKW-Maut illustriert, was bei der neuen, ebenso schicken wie "grundrechtsschonenden" Leitlinie zur Vorratsdatenspeicherung noch passieren wird. Die Speicherung unser aller Daten wird ausgedehnt und die schwersten Straftaten werden immer leichter, bis hin zum Schwarzfahren mit der S-Bahn. Aus der Erforschung des kommunikativen Verhaltens von Schwerkriminellen (die natürlich sechs Monate Daten braucht) leitet sich bruchlos die Bevorratung mit allen Standortdaten ab. Bereits jetzt ist die Ausweitung auf Einbruchsdelikte als bayerischer Vorschlag im Gespräch. Die Koppelung der Vorratsdaten und Funkzellenabfragen mit der wissenschaftlichen Vorausanalyse im Namen der Sicherheit wird kommen. So und nicht anders denkt ein Überwachungsstaat. Und das wird erst der Anfang sein.

*** Betrachtet man die hübsche Infografik zur Höchstspeicherfrist, so fällt das mit einem Parkverbot überlegte Diskettenlogo auf. Es soll symbolisieren, dass keinerlei Kommunikationsdaten auf Disketten gespeichert werden, was besonders grundrechtsschonend ist, da Disketten mittlerweile Mangelware sind. Ansonsten gibt es ja die ebenso schicke wie praktische Telekommunikationsüberwachung, dank der man ja E-Mail speichern kann, ganz ohne Höchstspeicherfrist. Wobei auch die TKÜ nicht immer hilft und durch Kommissar Zufall Unterstützung erhalten muss, wie ein Heise-Leser berichtet.

*** Gleich zwei deutsche Minister (und das Heer ihrer Jura-Experten) sind der Meinung, dass diese Höchstspeicherfrist der Daten aller Bürger nicht von den Gerichten gekippt werden kann. Im Schönsprech klingt das so: "Das Ergebnis ist wirksam und maßvoll zugleich und hält die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs ein." Das wird sich zeigen, denn der Gang nach Karlsruhe ist vorprogrammiert. Zudem widerspricht die Vorratsdatenspeicherung klar der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes, in der die die anlasslose Datenspeicherung von Personen gerügt wurde, "bei denen keinerlei Anhaltspunkt dafür besteht, dass ihr Verhalten in einem auch nur mittelbaren oder entfernten Zusammenhang mit schweren Straftaten stehen könnte".

*** Kinder, wie die Zeit vergeht: David Boie ist der Rechtsanwalt, mit dem die Untoten von SCO in einer unendlichen Prozessgeschichte Geld im großen Stil von der IT-Branche abpressen wollte. Das ist lange her, aber nun ist Boie mal wieder im Gespräch. Der Grund ist ein Brief an US-Medien, in dem er davor warnt, die von Wikileaks veröffentlichten Daten des Sony-Hacks zu veröffentlichen. Sie enthalten viele persönliche Details, die von Wikileaks ohne Schwärzungen veröffentlicht wurden. Dafür gab es deutliche Kritik, bis hin zur Charakterisierung als Lächerleaks. Aber vielleicht ist Julian Assange einfach langweilig. Die Begründung von Wikileaks, warum die Sony-Dateien wichtig sind, ist jedenfalls ungewöhnlich schwach und argumentiert mit der Kumpanei von Großer Politik und Hollywood. Der Drohbrief von Boies ist interessant: Wer im Namen der Freien Rede Dateien aus dem Sony-Konvolut veröffentlicht, macht sich zum Handlanger von Nordkorea, das die Meinungsfreiheit bekämpft und den Rummel um Menschenrechte so gar nicht verstehen will.

*** Mit Günter Grass ist einer gestorben, der mitunter gute Bücher schrieb, mitober sich aber einmischte, wenn es um Menschenrechte ging. Zuletzt mischte er sich ein, als es um die Menschen an der Südküste unseres Abendlandes ging. Gebessert hat sich nichts, das Schlechte triumphiert, es ist eine Schande. Europa schützt sich vor Flüchtlingen mit toten Flüchtlingen in einem Mittelmeer, in dem vor vielen hundert Jahren der herumirrende Odysseus so mit Gastgeschenken überhäuft wurde, dass Poseidon sich beschwerte. Und putzig treiben die Leichen.

Was wird.

Beschwerden gab es zum letzten WWWW, weil es doch keine Hacker Foundation mehr geben würde und es deshalb auch keinen "wissenschaftlicher Leiter" dieser Truppe geben könnte. Tatsächlich habe ich meine hochgeschätzten Leserinnen und Leser mit einem sed 's/Fernsehen/Internet/g' beschummelt. Als wissenschaftlicher Leiter der Hacker Foundation hatte Theodor W. Adorno den zitierten "Prolog zum Fernsehen" im Jahre 1953 geschrieben. Mit sed werden seine Beobachtungen recht zeitgemäß:

"Was aus dem Internet werden mag, läßt sich nicht prophezeien; was es heute ist, hängt nicht an der Erfindung, nicht einmal an den besonderen Formen ihrer kommerziellen Verwertung sondern am Ganzen, in welches es eingespannt ist.

Es wird demonstriert. Mehr oder weniger.

Die re:publica kommt und hat ihren ersten Fahrplan veröffentlicht. Am letzten Tag spricht Zygmunt Bauman, der geneigten LeserInnenschaft bei Heise als "Pfeife paffender Grandseigneur der Soziologie" vorgestellt. Baumann ist Träger des Adorno-Preises und hat einen der wichtigsten Dialoge zur Überwachungsgesellschaft mit David Lyon geführt, der gerade in der Berliner Gazette seine wunderbare Gedanken über das Zusammenleben in der Post-Snowden-Welt veröffentlicht hat. Man sollte sie auf Vorrat speichern, denn dieser unser deutsche Überwachungsstaat könnte noch auf die bewährte deutsche Idee kommen, Schrifttum zu verbieten, das den Überwachungsphantasien von Maas und de Maizière den Krieg erklärt. Politiker, die es für ihre Pflicht halten, eine ganze Gesellschaft unter Verdacht zu stellen, können auf seltsame Gedanken kommen. Nun aber Baumann, der gar nicht so weit von Adrono entfernt ist, wenn er die Überwachung (und die Verfügbarkeit von Ladestationen auf der re:publica) kommentiert:

"Wie die Schnecke, die ihr Haus immerzu bei sich trägt, so müssen die Beschäftigten in der schönen neuen flüchtig-modernen Welt ihr jeweils persönliches Panoptikum selbst hervorbringen und auf dem eigenen Buckel mitschleppen. Sie sind uneingeschränkt verantwortlich dafür, sich selbst im gebrauchsfähigen Zustand zu halten und ihren störungsfreien Betrieb zu gewährleisten [ wer sein Mobil- oder Smartphone zu Hause lässt, um einen Spaziergang zu machen, und sich damit der lückenlosen Verfügung seines Vorgesetzten entzieht, kann in ernsthafte Schwierigkeit geraten.

(jk)