Salz, Fracking oder Atommüll? Neue Probleme bei Endlagersuche

Vor 20 Jahren rollten die ersten Castor-Behälter nach Gorleben. Die Bundesregierung will sich die Endlager-Option im dortigen Salzstock offen halten und die Salzförderung weiter verbieten. Das wirft heikle Fragen auf für andere mögliche Endlagerregionen.

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Salz, Fracking oder Atommüll? Neue Probleme bei Endlagersuche

Blick auf das Erkundungsbergwerk am Salzstock Gorleben für ein Endlager hochradioaktiven Atommülls

(Bild: FicePublic Domain)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Georg Ismar
  • dpa
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Die Slogans sind schon lange fertig: "Strahlungsfrei aufs Frühstücksei." Oder: "Besser Salz fördern, als Atommüll lagern." Schon 1996 wurde als findige Idee von Gorleben-Gegnern die Salinas Salzgut GmbH gegründet, das Ziel ist aber bis heute nicht erreicht: Salz aus dem dortigen Salzstock fördern. Wenn es dafür grünes Licht gäbe, wäre Gorleben wohl aus dem Rennen als Atommüll-Endlager.

Das Salz-Förderverbot in Gorleben – seit 1977 einzige Option für das deutsche Endlager für hochradioaktiven Atommüll – läuft vereinfacht gesagt im August aus. Die Bundesregierung hat aber beschlossen, die sogenannte Veränderungssperre des Salzstocks zu verlängern.

Doch da bald bundesweit nach einem Endlager gesucht werden soll, stellt sich die Frage: Muss ein Rohstoff-Förderverbot dann nicht auch für alle anderen denkbaren Endlagerregionen gelten? "Wir brauchen eine Klarstellung im Bergrecht, die alle potenziellen Endlagerorte sichert", fordert der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel (Grünen). Dann müssten zum Beispiel Anträge auf Gasförderung ("Fracking") oder Geothermie zurückgestellt werden. Die für den 8. Mai geplante Gorleben-Entscheidung im Bundesrat wurde nun verschoben.

Seit einem Jahr berät die Endlager-Kommission, die die Grundlage für die Suche erarbeitet. Sie fordert eine Regelung der Bundesregierung zu der heiklen Frage – aber aus Kommissionskreisen ist zu hören, dass sich das Bundeswirtschaftsministerium gegen ein Rohstoffförder-Moratorium für mögliche Endlagerregionen stemmt.

Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne), wie Wenzel Mitglied der Kommission, sieht das anfangs kaum vorankommende Gremium langsam in der Spur. Für den 20. Juni hat man zum Bürgerdialog in Berlin eingeladen, um die Transparenz der Arbeit zu untermauern. "Es sind die Mühen der Ebene, die wir durchschreiten", sagt Habeck. Denn es ist ein schwieriges Unterfangen: Atombefürworter und Atomgegner, Verfechter und Bekämpfer eines Endlagers in Gorleben an einem Tisch.

Vor 20 Jahren – am 25. April 1995 – wurden die ersten Castor-Behälter in das nahe des Salzstocks gelegene gelegene oberiordische Zwischenlager gebracht. 113 Behälter stehen dort heute – wo sie wohl einmal endgelagert werden? Gorleben bleibt trotz aller Bedenken bei der neuen Suche im Rennen – aber die Kommissionsarbeit zeigt das Dauerproblem, nämlich dass der Standort eine Sonderrolle spielt.

In die Erkundung Gorlebens wurden schon über 1,6 Milliarden Euro investiert – mit Verlängerung der Veränderungssperre kann Gorleben ein potenzieller Endlagerkandidat bleiben. Dies sei aber "kein neues Präjudiz für Gorleben als Endlager, auch wenn ich weiß, dass es den Betroffenen in der Region schwer fällt, dies zu akzeptieren", sagt Bundesumweltminister Barbara Hendricks (SPD). Letztlich wird damit eine Vorgabe des Endlagersuchgesetzes umgesetzt: Erst im Falle des Ausschlusses darf der Salzstock auch anderweitig genutzt werden.

Weitgehender Konsens ist eine Tiefen-Endlagerung in Salz-, Ton- oder Granitgestein - die Kommission verwarf Optionen wie eine Endlagerung im Weltall oder in der Antarktis, allein schon weil das Suchgesetz eine Endlagerung deutscher Atomabfälle in Deutschland vorsieht.

Es gibt erhebliche Zweifel, ob tatsächlich bis 2031 – wie geplant – ein Endlagerort gefunden ist, dann muss es noch gebaut werden. Eine Arbeitsgruppe der Kommission kommt zu dem wenig erbaulichen Ergebnis, dass erst zwischen 2075 bis 2130 die Einlagerung der hochradioaktiven Abfälle aus den deutschen Atomkraftwerken beendet sein könnte.

Das größte Problem: Die Zwischenlager und Castor-Behälter sind nur für 40 Jahre genehmigt. Habeck sorgt das sehr. "Die Zwischenlager stehen neben Atomkraftwerken, die wir bald abreißen wollen." Dann gäbe es viele Jahrzehnte Zwischenlager in der ganzen Republik verteilt - auf der grünen Wiese. "Wie sollen Sicherheit, Kontrolle, Wartung und Reparatur der Castoren sichergestellt sein?", so Habeck. Und wer soll mögliche Mehrkosten in Milliardenhöhe für Verzögerungen zahlen? Denn wer weiß schon, ob es bis dahin überhaupt noch die für die hochradioaktiven Abfälle verantwortlichen Atomkonzerne gibt. (jk)