BND-Skandal: Bundesregierung machte falsche Angaben zur NSA-Spionage

Der Skandal um die NSA-Versuche, den BND zu Wirtschaftsspionage zu animieren, weitet sich aus: Noch vor wenigen Tagen erklärte das Innenministerium dem Bundestag, nichts über NSA-Wirtschaftsspionage zu wissen. Offensichtlich stimmte das nicht.

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BND-Skandal: Bundesregierung machte falsche Angaben zur NSA-Spionage
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Die Bundesregierung hat gegenüber dem Bundestag offenbar noch vor wenigen Wochen falsche Aussagen getroffen. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der Linkspartei hat das Innenministerium von Thomas de Maizière am 16. April zu Protokoll gegeben: "Nein. Es liegen weiterhin keine Erkenntnisse zu angeblicher Wirtschaftsspionage durch die NSA oder anderen US-Diensten in anderen Staaten vor." Dabei scheint inzwischen klar, dass der BND das zuständige Kanzleramt schon seit Jahren auf die Versuche der NSA hinweist, in Deutschland und Europa Wirtschaftsspionage zu veranlassen.

NSA-Skandal

Die NSA, der britische GCHQ und andere westliche Geheimdienste greifen in großem Umfang internationale Kommunikation ab, spionieren Unternehmen sowie staatliche Stellen aus und verpflichten Dienstleister im Geheimen zur Kooperation. Einzelheiten dazu hat Edward Snowden enthüllt.

Vergangene Woche war bekannt geworden, dass die NSA jahrelang versucht hat, dem BND sogenannte Selektoren unterzujubeln, deren Überwachung gegen deutsche und europäische Interessen verstoßen würde. Dabei geht es um Namen, Telefonnummern und ähnliches, die der BND laut einer Verabredung in die eigenen Überwachungssysteme eintragen sollte, um der NSA eventuelle Ergebnisse weiterzugeben. Zehntausendfach wurden dabei aber wohl auch Selektoren an den BND gegeben, die sich beispielsweise Unternehmen wie EADS und Eurocopter zuordnen lassen. Wenn das entdeckt wurde, informierte der BND angeblich das Kanzleramt – mehrmals seit 2008.

Mit der offensichtlichen Falschaussage gegenüber einer Bundestagsfraktion nimmt das Ausmaß des neuerlichen Skandals weiter zu. Vor allem Thomas de Maizière rückt in den Fokus, war er doch als Kanzleramtschef nicht nur für die Geheimdienstaufsicht zuständig und mutmaßlich über die Versuche der Wirtschaftsspionage informiert, sondern als Innenminister auch politisch für die falschen Aussagen verantwortlich. Die Bundeskanzlerin hatte am Montag Aufklärung in der Sache versprochen, berichtet Spiegel Online.

Nicht nur die Opposition fordert deswegen nun die Offenlegung der Selektoren, die vom BND als ungesetzlich identifiziert wurden. Der NSA-Untersuchungsausschuss müsse unverzüglich Einsicht erhalten, verlange auch SPD-Obmann Christian Flisek. In dieser Frage konsultiere Kanzleramtschef Peter Altmaier gegenwärtig Zuständige aus den USA. Es sei aber unwahrscheinlich, dass die dem zustimmen würden. Dann müsste sich Angela Merkel entscheiden, ob sie die Listen trotzdem offenlegt und damit den Verbündeten vor den Kopf stößt.

Unterdessen haben Mitglieder der Piraten im Landtag Nordrhein-Westfalens angekündigt, in der Angelegenheit Strafanzeige gegen führende Beamte im Kanzleramt und beim BND stellen zu wollen. Das Kanzleramt habe bei der Aufsicht über den BND versagt, meint unter anderem Fraktionschef Joachim Paul. Wenn sich der Verdacht der Wirtschaftsspionage erhärte und das Kanzleramt informiert war, sei das "Landesverrat auf Bundesebene", der aufgeklärt und beendet werden müsse.

[Update 29.04.2015 – 15:13 Uhr] Inzwischen hat Bundesinnenminister de Maizière zu der neuen Entwicklung Stellung bezogen und erklärt, dass er sich selbstverständlich der mit den kritischen Fragen und Vorwürfen verbundenen Verantwortung stelle. Weil die Informationen, um die es gehe, aber aus "geheimen" und "streng geheimen" Unterlagen stammten, sehe er sich außerstande, sich öffentlich zu äußern. Er sei aber bereit, den zuständigen parlamentarischen Gremien Auskunft zu geben, denn es handle sich um unwahre Unterstellungen. Er "würde sich auch wünschen", dass das so schnell wie möglich geschehe. (mho)