Kein Update nötig

Eigentlich wäre es an der Zeit, einen Katalog wirklich ausgereifter Technologien und Artefakte zusammen zu stellen. Was würden Sie in den Katalog aufnehmen?

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Von
  • Niels Boeing

Wer sich mit so genannten Hochtechnologien umgibt oder auf sie angewiesen ist, lebt im Transit. Was noch vor Jahren als bahnbrechende Innovation galt, verändert sich, bis man es kaum mehr wiedererkennen kann. Die technischen Grundlagen der heutigen Industriezivilisation erscheinen wie ein Gebirge, das der Erosion ausgesetzt ist. Lösungen erweisen sich als verfrüht, ja sogar als unbrauchbar und werden wieder verworfen. Welche Technologien, welche technischen Artefakte sind eigentlich so ausgereift, dass sie dieses Jahrhundert in der Form, in der wir sie heute kennen, überdauern werden? Und so robust, dass wir sie auch in Jahrzehnten nicht missen möchten?

Dabei geht es mir nicht um inkrementelle Veränderungen in Material oder Gestaltung, sondern um die wirklich gelungene, nachhaltige Umsetzung eines technischen Wirkprinzips. Eines Konzepts.

Nehmen wir die Informationstechnik. Aus den achtziger Jahren etwa ist eigentlich nichts übriggeblieben. Mobiltelefone, Datenspeicher, Software-Versionen, Prozessoren, Modems – nichts davon kann man heute noch gebrauchen. iPod und iPhone werden in 20 Jahren dasselbe Schicksal erlitten haben. Oder Energie: Die Erzeugung mit fossilen Brennstoffen ist langfristig ein Auslaufmodell, und die AKWs der ersten und zweiten Generation werden die Mitte des Jahrhunderts nicht überleben. Die dritte Generation wird zwar nach wie vor die Kernspaltung nutzen, aber das grundlegende technische Design ist deutlich anders. Und dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, ob die Kernenergie am Ende wegen Brennstoffmangels ganz verschwindet. Industriemaschinen, Verkehrsmittel, eigentlich alles, was die Globalisierung am Laufen hält, gehören ebenfalls dazu.

Je mehr Technologien in komplexe Strukturen der Nutzung und der Bereitstellung eingebettet sind, je höher ihr informationstechnischer Anteil ist, desto mehr kann man davon ausgehen, dass sie schon bald ersetzt werden müssen. Was heute in Bio- und Nanotechnik oder in der Robotik als zukunftsweisendes Konzept ausgebrütet wird, wird bald ein alter Hut sein. Die Hochtechnologien sind wie ein wuchernder Dschungel, in dem man die Schneise nicht wiederfindet, die man letztes Jahr noch geschlagen hat. Diesen Dschungel haben wir selbst angelegt und nennen ihn Fortschritt. Unglaublich.

Umso beeindruckender finde ich, dass vermeintlich alte Technologien wie zum Beispiel das Buch wirklich ausgereift und beständig sind. „Es bootet sofort, hat ein hoch auflösendes Display und verbraucht im Betrieb keine Energie“, hat der US-Wissenschaftler Joe Jacobsen, einer der Wegbereiter des E-Papers, einmal sinngemäß gesagt. Musikinstrumente gehören ebenso dazu wie einfache Alltagswerkzeuge – man kann sie sofort und jederzeit ohne ein Update verwenden.

Eigentlich wäre es an der Zeit, einen Katalog wirklich ausgereifter Technologien und Artefakte zusammen zu stellen. Was würden Sie in den Katalog aufnehmen? Und was aus dem letzten Jahrhundert würde dazu gehören? (wst)