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Wir freuen uns, einen neuen Streiter für die Sache der allseits attackierten Privacy in unserer Mitte begrüßen zu dürfen: Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein.

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Von
  • Peter Glaser

Keylogger, während der Debatte um die Online-Durchsuchung ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, sind eine Methode der subversiven Datenermittlung. Eine andere ist das Social Engineering. Dabei geht es darum, nicht Maschinen rumzukriegen, sondern Menschen. Eine Luxusvariante davon bringt gerade das Fürstentum Liechtenstein mitsamt ein paar hundert derzeit noch wohlhabenden Deutschen in Verlegenheit, welche unter einer bedauernswerten Behinderung des Steuerbezahlvermögens leiden und dort gern Linderung in der guten Luft suchen. Luxus, weil knapp fünf Millionen Euro Motivationshilfe flossen, um die in Bankgeiselhaft gehaltenen Informationen zu befreien.

Moderne Strategien der Ausspähung setzen dort an, wo Eingaben noch nicht verschlüsselt sind. Dem führenden Kryptographie-Historiker David Kahn zufolge ist das Wettrennen zwischen Codeknackern und Verschlüsslern inzwischen nämlich entschieden: Die Verschlüssler haben gewonnen. Es gibt heute bereits Verfahren, zu deren Entschlüsselung 10 hoch 100 Möglichkeiten durchprobiert werden müssen (seit 10 hoch 18 Sekunden existiert das Universum). Wenn man außerordentlich viel Geld für Computer ausgibt, kann man allerdings auch diese Möglichkeiten durchspielen.

Die wahrscheinlich leistungsfähigsten Computer der Erde stehen zehn Meilen nordöstlich von Washington in Fort Meade. Hier befindet sich das Datenzentrum der National Security Agency - “Crypto City”, der Vatikan des Überwachungswesens. Zur Leistungsfähigkeit der NSA-Computer gibt es keine offiziellen Auskünfte, aber der Stromverbrauch der Behörde erlaubt eine Schätzung. Mit einer jährlichen Stromrechnung von umgerechnet 21,2 Millionen Euro ist die NSA der zweitgrößte Stromkunde im US-Bundesstaat Maryland. Schon ohne Rabatte bekommt man dafür einiges an Rechenpower. Der in der TOP 500-Liste der Supercomputer führende BlueGene/L von IBM beispielsweise verbraucht 1.770 Kilowattstunden, leistet zwischen 200 und 600 TeraFLOPS und produziert eine Stromrechnung von gut einer Million Euro im Jahr.

Aber auch Dutzende der schnellsten Supercomputer können nichts ausrichten, wenn so viele Daten gesammelt werden, dass keiner mehr in der Lage ist, sie sinnvoll aufzubereiten. Einem Bericht des US-Justizministeriums zufolge gibt es beispielsweise beim FBI einen Rückstau von einigen tausend Stunden unübersetzter Audioaufzeichnungen. Und während sich einerseits Daten durch ihre schiere Übermenge selbst schützen, werden andererseits die Wände, die uns umgeben, immer durchlässiger und poröser. Unsere Kultur wurzelt in dem Wert und der Würde, die wir dem Individuum zumessen. Privatsphäre ist der Humus, in dem dieser kulturelle Kern gedeiht. Angriffe auf diese Grundlage – und auch der Widerstand dagegen – folgen inzwischen derselben Strategie, nach der moderne Kriege geführt werden: Nicht mehr die großen Heere gewinnen die Schlacht, sondern kleine Einheiten. Im Fall der liechtensteinreichen Leute genügte eine Person.

Umso mehr freuen wir uns, einen neuen Streiter für die Sache der allseits attackierten Privacy in unserer Mitte begrüßen zu dürfen, nämlich Erbprinz Alois von und zu Liechtenstein. “Gerade zu einem Zeitpunkt, an dem andere Staaten immer stärker in die Privatsphäre ihrer Bürger eingreifen, ja sogar soweit gehen, dass sie Millionenbeiträge für gestohlene Daten ausgeben, ist das Bedürfnis der Bürger nach einem starken Schutz der Privatsphäre gross” - der Schutz der Privatsphäre müsse auch dann hochgehalten werden, so der Thronfolger, wenn das Bankgeheimnis in Steuerfragen vielleicht einmal aufgrund internationaler Verträge nicht mehr so umfassend wie heute sein werde. (wst)