Schweizer Nationalrat stimmt für Verschärfung des Überwachungsgesetzes

Im Schweizer Nationalrat wurde wieder über Überwachung debattiert und abgestimmt. Es ging um den Einsatz oder das Verbot von "Staatstrojanern" und um die zeitliche Ausweitung der Randdatenspeicherung ("Vorratsdatenspeicherung").

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Schweizer Nationalrat

(Bild: parlament.ch)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Tom Sperlich
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Der Nationalrat, die große Kammer des Schweizer Parlaments, hat am Mittwoch mit 110 zu 65 Stimmen (9 Enthaltungen) für eine Revision, sprich Verschärfung des "Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs" (BÜPF) gestimmt. Fraktionszwang war offenbar nicht vorausgesetzt, es gab keine eindeutigen Ja- und Nein-Lager. Teile des rechten Lagers waren gegen den Entwurf des Büpf, so sprach etwa der SVP Nationalrat Lukas Reimann von einem "Polizei- und Überwachungsstaat". Große Teile der Sozialdemokraten stimmten dagegen dafür.

Zuvor war lange und hitzig über das Gesetz debattiert worden. Dabei gehe es um einen massenhaften Eingriff in die Privatsphäre der Bürger, reklamierten die Gegner. Das BÜPF müsse an die heutigen technischen Gegebenheiten angepasst werden, hielten Befürworter entgegen. Zur Debatte standen rechtliche Grundlagen, um mithilfe von "Government Software" (kurz GovWare), allgemein gern "Staatstrojaner" genannt, auch verschlüsselte Kommunikation überwachen zu können. Außerdem ging es im Nationalrat um die im Gesetzentwurf vorgesehene Verdoppelung der Aufbewahrungsfrist von sogenannten Randdaten bei der Benutzung von Post- und Telekommunikationsdiensten von sechs auf zwölf Monate ("Vorratsdatenspeicherung").

Der Ständerat hatte das alles bereits vergangenes Frühjahr behandelt und zugestimmt, dass Strafverfolgungsbehörden mit der staatlich sanktionierten Malware verschlüsselte Internet-Kommunikation – etwa Skype-Telefonate oder WhatsApp-Nachrichten – auf dem Gerät abgreifen, noch bevor sie verschlüsselt wird. Staatstrojaner bergen die Gefahr, Sicherheitslücken zu hinterlassen, hieß es nun von einigen Nationalräten, "sie können Programme und Systeme zerstören".

Gemahnt wurde ebenfalls wegen der möglichen hohen Kosten von Staatstrojanern. Die soll nicht zwingend in der Schweiz programmiert werden, GovWare könne laut dem Nationalrat auch im Ausland entwickelt oder auch in Ländern gekauft werden, die selbst Massenüberwachung betreiben. Hingegen will der Nationalrat im Gesetz verankern, dass die Programme von einem zentralen Bundesdienst beschafft werden sollen, und zwar nur solche Programme, welche die Überwachung lückenlos und unveränderbar protokollieren.

Die zuständige Justizministerin und derzeitige Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga bestätigte in der Debatte, dass Staatstrojaner in der Schweiz schon mehrmals angewendet wurden, mit gerichtlicher Genehmigung. Man könne "sich allerdings darüber streiten, ob es heute schon eine gesetzliche Grundlage für die Verwendung von GovWare durch die Strafverfolgungsbehörde gibt", räumte die Bundespräsidentin ein. Das solle nun aber mit der Revision des BÜPF eindeutig geregelt werden.

Als notwendig für die Anordnung von Überwachungen sehen ihre Befürworter schwere Straftaten wie Menschen- und Drogenhandel, terroristische oder Mafia-Aktivitäten, Pädokriminalität oder Kindesentführung. Sommaruga unterstrich, dass es beim BÜPF um Ermittlungsmethoden gehe, die nur in Strafverfahren angewendet werden dürften. "Verdachtsunabhängige Überwachung ist kein Thema des BÜPF, sondern des Nachrichtendienstgesetzes", sagte sie. Das geplante Nachrichtendienstgesetz ist aber eng verbandelt mit BÜPF. Der Nachrichtendienst soll künftig ebenfalls Staatstrojaner einsetzen können. Und die Verbindungsdaten, die mit der Vorratsdatenspeicherung bereit stehen, sollen auch vom Nachrichtendienst genutzt werden können.

Diverse Gruppierungen hatten bereits ein Referendum angekündigt, falls das Parlament die Vorlage nicht noch grundlegend überarbeitet − denn die BÜPF-Vorlage muss wegen Differenzen zum Nationalrat nochmal vom Ständerat debattiert werden. Zu den Befürwortern eines Referendums gehören die Grünen, die Piratenpartei, der Verein Grundrechte.ch sowie Vertreter der Informatikbranche. Das letzte Wort könnte also wie immer in der Schweiz das Stimmvolk haben. (anw)