Schwarz, weiß oder grün?

Die Nanotechnik soll auch Umwelt- und Klimaschutz stärken. Vorabergebnisse einer laufenden Studie liefern nun endlich mal konkrete Zahlen für die Ökobilanz ausgewählter Nano-Anwendungen im Vergleich mit ihren herkömmlichen Pendants.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Niels Boeing

Wie bei den meisten technischen Neuerungen der letzten Jahrzehnte dominierte bislang auch in der Debatte über die Nanotechnik ein Schwarz-Weiß-Modus. Schwarz: Die Nanotechnik ist eine Büchse der Pandora, deren Inhalt ungeahnte Risiken birgt. Weiß: Als "Querschnittstechnologie" liefert sie einen gigantischen Innovationspool für Wachstum und neue Märkte, dem wir uns nicht verweigern dürfen.

Dawischen blitzt aber immer häufiger ein grüner Tupfer auf: Die Nanotechnik könnte Ressourceneffizienz sowie Umwelt- und Klimaschutz verbessern.

Enthielten die bisherigen Analysen dazu im Wesentlichen nur allgemeine Beschreibungen, was möglich ist, gibt es nun endlich auch einmal eine quantitative Abschätzung. Michael Steinfeldt und Arnim von Gleich von der Uni Bremen sowie Ulrich Petschow und Christian Pade vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung IÖW (Leipzig) haben gestern Vorabergebnisse ihrer Studie vorgestellt, die sie im Auftrag des Umweltbundesamtes machen. An vier konkreten Beispielen verglichen sie die Ökobilanzen von herkömmlichen mit nanotechnisch verbesserten Technologien. Die wichtigsten Ergebnisse:

1. Oberflächenbehandlung von Leiterplatten für die Elektronik ("Surface Finish").
Im Vergleich zu gängigen Verfahren verbraucht das "Nanofinish" der Firma Ormecon im norddeutschen Ammersbek vom Vor- bis zum Endprodukt etwa die Hälfte bis ein Siebtel der Energie, im günstigsten Fall sogar nur ein 39stel. Ähnlich groß ist die Einsparung an CO2-Emissionen. Auch der Verbrauch von Prozesswasser beträgt beim Nanofinish nur 20 bis 40 Prozent. Einzig das vor allem in der Massenproduktion eingesetzte Verfahren der "Organischen Passiverung" der Oberfläche schneidet nur unwesentlich schlechter als die Nanotech-Variante ab.

2. Leitfähige Folien für die Elektronikindustrie (z.B. für Verpackungen).
Hier wurden zwei Arten von Folien verglichen: die herkömmliche Variante, der amorpher Kohlenstoff beigemischt ist ("Carbon Black"), und eine mit Kohlenstoffnanoröhren. Die Nanofolie schneidet bei Energieverbrauch und CO2-Emissionen um etwa 10 Prozent besser ab, im Wesentlichen, weil sie bei gleicher Leitfähigkeit dünner gefertigt werden kann, also Material gespart wird.

3. Batterien in Hybrid-Motoren.
Die Ökobilanzen wurden hier für Stadtbusse im Öffentlichen Nahverkehr verglichen. Ergebnis: Nanotechnisch verbesserte Lithium-Ionen-Batterien in Hybrid-Motoren von Daimler könnten zwischen 15 und 23 Prozent Energie und CO2-Emissionen einsparen – und das, obwohl der Hybrid-Antrieb das Fahrzeug um eine Tonne schwerer machen würde (der Hybrid-Bus Citaro ist noch nicht auf dem Markt, aber für 2009 geplant).

4. Thermoplastischer Kunststoff
Hier wurden zwei Formen des BASF-Kunststoffes Ultradur (chemisch: PBT) untersucht. Die mit Nanopartikeln angereicherte Variante Ultradur High Speed fließt leichter, so dass er beim Spritzguss in kürzerer Zeit verarbeitet werden kann. Folge: Energieverbrauch und CO2-Emissionen sinken in der Ökobilanz um knapp 10 Prozent. Die gesamte Ersparnis wird aber nur in der Verarbeitung, nicht bei Vorprodukten erzielt.

Die Einsparungen, die die Nanomaterialien bringen, sind nicht schlecht – aber auch noch nicht weltbewegend. Das ist allerdings kein Wunder, denn bei den vier Anwendungen handelt es sich um Beispiele für "inkrementelle" Nanotechnologien (nach der Systematik von Richard Jones), gewissermaßen die erste Generation der Nanotechnik. Hier werden die Eigenschaften von Werkstoffen auf der Nanoskala verbessert.

Die zweite Generation der "evolutionären" Nanotechnologien, bei denen existierende Technologien auf Nanoformat verkleinert oder ganz neue Materialien eingesetzt werden (etwa in organischen Solarzellen), dürften langfristig eine größere Wirkung haben. Noch sind sie aber nicht marktreif.

Der Gedanke einer "grünen Nanotechnik" ist übrigens so neu nicht. Bereits 1986 hatte Eric Drexler in seiner sehr speziellen Vision "Engines of Creation" die Hoffnung geäußert: "Wir werden die nötigen Nanosysteme schaffen, um den Unrat beseitigen, den uns die Zivilisation des 20. Jahrhunderts hinterlassen hat."

Das wäre schön, vorausgesetzt, dass all die Nanotechnologien nicht neuen Unrat hinterlassen. Denn welche Umweltauswirkungen ihre Entsorgung hat, ist bislang unklar. Auch in den jetzt vorgestellten Ökobilanzen sind sie noch nicht berücksichtigt. Die "grüne Nanotechnik" ist eine interessante Option, aber ob es ein schmutziges oder leuchtendes Grün wird, werden wir erst in Jahren wissen. (wst)