Der große Sprung nach vorn

Bald beginnen die olympischen Spiele. Bevor der kollektive Massenwahn wieder über den Medien zusammenschlägt, würde ich gerne noch einen Vorschlag loswerden.

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Bevor der kollektive Massenwahn am 8.8. wieder über den Medien zusammenschlägt, würde ich gerne noch einen Vorschlag loswerden. Am liebsten hätte ich ihn ja direkt zugestellt, aber ich denke, dass Mail-Adressen wie diese hier nicht wirklich zielführend sind. Deswegen versuche ich es hier mal mit einem offenen Brief:

Lieber Genosse Jintao,

Ich verstehe ja, dass Du derzeit viel um die Ohren hast. Die Frage, welche Staatschefs denn nun zu Olympia-Eröffnung anreisen, das Problem der Regenzeit und des Stadions ohne Dach (das ja durch die Wetterkontrolle gelöst werden soll, aber wer weiß, ob die Genossen von der zuständigen Behörde ihren dialektischen Materialismus auch wirklich kreativ und lebendig angewendet haben), die Bändigung des Smogs in Peking und dann auch noch der allgegenwärtige islamische Dschihadist, der Dich zwingt, sogar die Waschlotion in Schwimmbädern zu überwachen.

Das Alles bindet Ressourcen. Aber wo bleibt der Fortschritt bei den Spielen? Hätte man denn nicht – bei den ersten Spielen des 21ten Jahrhunderst – ein Zeichen setzen können, und wenigstens in einer Disziplin ein wenig technische Innovation zum Zuge kommen lassen können? Ich meine, wo das Reich der Mitte doch auch sonst so rasend schnelle Fortschritte macht? Man stelle sich das vor: Adaptive Materialien für Hochsprungstäbe. Ein Wettlauf der besten Antriebskonzepte im Radsport. Oder gleich was völlig neues, so wie Hockey mit Hovercraft-Schlitten? Virtuelles Tischtennis mit Gedanken-Steuerung? In aller Bescheidenheit: Das wäre doch mal ein wirklich großer Sprung nach vorne.

Ganz im Ernst: Warum ist Sport technologisch gesehen so ein stockkonservative Veranstaltung? Hängt es damit zusammen, dass im tiefsten Herzen jedes Geeks ein Minderwertigkeitskomplex schlummert, gegenüber all den Jungs, die die Tausend Meter auf dem Schul-Sportplatz locker unter drei Minuten gelaufen sind? Oder machen Endorphine und Testosteron den Kopf so weich?

Ich meine, nehmen wir doch mal das iPhone. Dafür gibt es jetzt Workouts zum Mitnehmen. Schade ist doch, dass es bei diesen Sportvideo-Produzenten nicht genügend Nerds gibt. Die hätten sicherlich gleich darauf hingewiesen, dass man die Beschleunigungssensoren des Gerätes eigentlich auch zu Kontrolle nutzen kann. Oder nehmen wir das MIT. Die haben jetzt einen iShoe, dessen Sohle mit Drucksensoren bestückt ist, mit deren Hilfe man die Druckverteilung auf der Sohle messen kann. Und was wollen die damit machen? Haltungsschäden korrigieren. Nützlich – aber langweilig. Ich plädiere für Spiele mit spielerischem Charakter. Wie wäre es zur Abwechslung mal mit "Sport Hacking"? Es kann nur besser werden. (wst)