Der ganz normale (mobile) Datenschutzalbtraum

Mit dem Smartphones wie dem iPhone werden ortsbasierte Dienste erstmals überzeugend umsetzbar. Die bislang angedachten Modelle lassen allerdings Unschönes für den Schutz der Privatsphäre der Nutzer erwarten.

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Lange Jahre schon diskutiert die Mobilfunkbranche so genannte "location based services" (LBS), also mobile Multimedia-Dienste, die dem Handy-Nutzer je nach Standort interessante Informationen zukommen lassen, ihm passende Werbung vorlegen oder andere ortsbezogene Dienstleistungen anbieten. Durchgesetzt hat sich die Technik bis heute kaum. Drei Gründe lassen sich dafür finden: Erstens war die Benutzerführung selbst bei Smartphones so schlecht, dass die wenigsten User große Lust darauf hatten, sich auf die Technologie einzulassen. Zweitens fehlte es an verlässlichen Ortsangaben, da oft nur nach Mobilfunkturm lokalisiert wurde, was mehr schlecht als recht funktionierte. Und Drittens gab es viel zu viele unterschiedliche Mobilfunkplattformen, als dass sich ein Standard hätte herausbilden können.

Ein durchdachtes Smartphone wie Apples iPhone 3G, seit einigen Wochen auf dem Markt, dürfte das alles schnell ändern. Denn die Plattform ist diesmal groß genug und dürfte auch in Deutschland bald Hunderttausende, wenn nicht gar Millionen Geräte umfassen. Außerdem wurde das Ortserfassungsproblem gelöst, jedes Modell hat einen ordentlich funktionierenden GPS-Satellitennavigationschip eingebaut. Und dann ist da noch die Bedienung: Apple setzt ein Mobilfunkbetriebssystem um, das die meisten Nutzer in wenigen Minuten überzeugt.

Also alles schön im LBS-Land? Für die Werbetreibenden, die nun endlich mit echter ortsbasierter Handy-Reklame experimentieren können, sicher schon. Allerdings hat sich aufgrund der großspurigen Ankündigungen der letzten Jahre, die zu keiner wirklichen Umsetzung führten, fast niemand mit den möglichen sozialen und datenschutzrechtlichen Auswirkungen einer solchen Technologie beschäftigt. Natürlich kann bei Apples iPhone nicht einfach eine Anwendung die aktuellen Positionsdaten auslesen, ohne dass der Nutzer etwas davon mitbekommt. Doch es reicht ein simpler Bestätigungsklick, schon wird man nicht weiter nach der Zugriffsgenehmigung gefragt. (Man kann ihn allerdings zum Glück nachträglich über die Systemeinstellungen zurücksetzen.)

Die neuen Möglichkeiten werden anfangs verlockend sein. Irgendwie ist es ja auch nett, direkt mitzubekommen, ob sich Freunde in der Nähe befinden, wenn man z.B. in einem mobilen sozialen Netzwerk unterwegs ist. Dass das auch schief gehen kann, zeigte allerdings eine kleinere Affäre beim Anbieter Loopt: Der verschickte mal eben ohne große Rückfrage zig SMS an das gesamte Adressbuch, offenbar inklusive Positionsangaben. Dass die Power neuartiger mobiler Internet-Anwendungen auch anderweitig missbraucht werden kann, zeigte unterdessen ein eigentlich recht nettes und kostenloses iPhone-Game: Die offenbar recht naiven Programmierer bauten Code ein, der die gesamte Kontaktliste des Handy-Besitzers unverschlüsselt an ihren Server verschickte – angeblich, um andere Fans des Spiels zu finden, gegen die man antreten könnte. Apple hat das Game zwischenzeitlich aus seinem Anwendungsladen ("App Store") genommen.

Mit der zunehmenden Durchsetzung ortsbasierter Dienste und passender Werbung werden noch einige andere Merkwürdigkeiten auf uns zukommen. So können Programmierer, die für das iPhone entwickeln, stets überlegen, ob sie ihre Software verkaufen oder kostenlos anbieten wollen. Tools, eine ordentliche Werberefinanzierung zu erreichen, stehen bereit: Pinch Media, ein US-Start-up, bietet eine äußerst praktische Suite an Werkzeugen, über die man "die genaue Anzahl der einzigartigen, aktiven Nutzer, die Länge der Nutzung einer Anwendung und, falls eingeschaltet, auch den geographischen Ort der Nutzer" erfassen kann. Darauf abgestimmt lässt sich dann Werbung schalten. Man kann sich schon gut vorstellen, wie all diese Informationen für Sicherheitsbehörden höchst interessant und begehrenswert werden könnten. Die müssen sich derzeit noch mit den ungenauen Positonsdaten von Handy-Türmen auseinandersetzen, was im Zweifelsfall zehntausende Verdächtige bedeutet. Mit GPS-Smartphones, deren Daten man von außen auslesen kann, sieht das schon ganz anders aus. (wst)