Das Zeitalter der Unzuverlässigkeit

In der guten alten Zeit bauten Ingenieure Geräte noch für die Ewigkeit - oder zumindest so, dass sie nicht so leicht kaputtgehen konnten. Heute erledigt das zumeist schlecht geschriebene Software.

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Der Wechsel von hart verdrahteter Hardware hin zu geschmeidiger Software hat viele Vorteile. Auf modernen Hifi-Anlagen läuft inzwischen Linux, so dass man, wenn es sein muss, auch Web-Seiten von dort ausliefern kann. Das DSL-Modem könnte wahrscheinlich auch, wenn ein Grafikchip enthalten wäre oder ein Bildschirmanschluss, zu einer Runde Online-Doom einladen. Das DECT-Telefon kontaktiert wiederum regelmäßig den Server des Herstellers, um neue Bildschirmhintergründe herunterzuladen oder Börsenkurse anzuzeigen.

Das Problem bei alledem: Niemand scheint sich angesichts dieser Internetisierung der Elektronik mehr darum zu kümmern, dass Geräte ihre grundsätzlichen Aufgaben zuverlässig und problemfrei erledigen - und zwar in jeder Situation, mit der der Anwender sie konfrontieren könnte. Nehmen wir beispielsweise das Festnetztelefon in einem modernen Haushalt mit günstiger Breitband-Flatrate. Das Gerät hängt nicht mehr an der Dose der Telekom, sondern an einem Router.

Die Gespräche erfolgen nicht mehr über das nahezu unkaputtbare vermittelte Leitungsnetz, sondern per Voice-over-IP. Fällt der Strom und der Router aus, geht gar nichts mehr. Streikt der Internet-Telefonie-Server beim Provider, kommt kein Gespräch durch oder der Mensch am anderen Ende der Leitung hört einen nur halb. Und wenn man zufällig auf die Idee kommt, einen größeren Download mit voller Geschwindigkeit parallel zu einem Telefon durchzuführen, kracht es in der Leitung, wie weiland zu Omas Zeiten.

Es ist fast beruhigend zu wissen, dass etwa GSM-Mobilfunknetze noch aus einer Vor-Internet-Zeit stammen und deshalb erstaunlich robust sind. Das Handy kann man dann benutzen, wenn der VoIP-Anschluss mal wieder ausgefallen ist.

Moderne Fahrzeuge bestehen ebenfalls inzwischen an wichtiger Stelle aus formbarer Software. Vertippt sich der Mechaniker beim Updaten der Motorsteuerung, streikt dann plötzlich das Fahrzeug in kritischen Situationen. Es soll Autofahrer geben, die mit Problemen bei den Scheibenwischern kämpften, die Firmware-bedingt waren.

Lösen lassen sich diese Probleme nur dadurch, dass Entwickler ähnlich wie ihre Ingenieurvorbilder in früheren Jahrhunderten rigorose Qualitätssicherung betreiben. Wir leben blöderweise in einem Beta-Zeitalter, in einem Zeitalter der Unzuverlässigkeit. Kunden sind erstaunlich leidensfähig. Warum eigentlich? (wst)