Das Nanofabrik-Programm

Bauen mit Atomen? Pure Sciencefiction, hieß es bislang in der Forschergemeinde. Nun haben die Vertreter der "molekularen Nanotechnologie" ein detailliertes Forschungsprogramm ins Web gestellt - wie es sich für gute Wissenschaft gehört.

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Von
  • Niels Boeing

Seit Jahren streiten sich Wissenschaftler und Ingenieure um die Machbarkeit von Nanofabriken, die mittels der von Eric Drexler in Nanosystems 1992 vorgestellten Mechanosynthese arbeiten. Deren Bestandteile sollen Greifarme, Transportbänder und Motoren sein, die einige Nanometer große Versionen ihrer makroskopischen Gegenstücke sind und Objekte Atom für Atom zusammenbauen sollen.

Unwissenschaftlicher Hokuspokus, lautete die schärfste Variante der Kritik, die vom verstorbenenen Nobelpreisträger Richard Smalley erhoben worden war. Nicht selten wurde die Gruppe um Drexler sowie die Forscher Ralph Merkle und Robert Freitas gar als eine Art Techno-Sekte dargestellt. So konnte man sich elegant um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Konzept einer Nanofertigung herumdrücken.

Nennenswerte Ausnahmen waren zuletzt nur Richard Jones von der Universität Sheffield, der in seinem Blog Soft Machines sechs Probleme identifizierte, sowie Philip Moriarty von der Universität Nottingham, der im vergangenen Jahr die Schwachpunkte des Konzepts analysierte.

Tatsächlich kann man den Vertretern einer „molekularen Nanotechnologie“ (MNT) einen etwas kruden Technikoptimismus vorhalten, nicht aber Unwissenschaftlichkeit. Vor wenigen Tagen haben sie die „Nanofactory Collaboration“-Site gestartet: Hier wird ein lupenreines Forschungs- und Entwiclungsprogramm vorgestellt, das dezidiert die Etappen auflistet, die auf dem Weg zu einer funktionierenden Nanofabrik geschafft werden müssen. 23 Herausforderungen führt die Gruppe auf ihrer Seite aus, gegliedert nach vier technischen Hauptproblemen: 1. Diamant-Mechanosynthese (die Voraussetzung), 2. programmierbare Positionierung und Montage (die Methode), 3. massiv parallele Positionierung und Montage (die Integration) und 4. nanomechanisches Design (die Konstruktion).

Ob die Herausforderungen – eine ausreichende Finanzierung einmal vorausgesetzt – in wenigen Jahren zu bewältigen sind, wie Robert Freitas kürzlich im TR-Interview meinte, wird sich zeigen. Aber erstmals können Skeptiker und Kritiker die Arbeit der MNT-ler genau verfolgen und an deren eigenen Zielen messen. Vom Obskurantismus einer Sekte keine Spur. Auch ist es mehr als typisch kalifornische Technik-Freakshow: Neben Drexler, Freitas und Merkle sind, neben einigen Nanotech-Unternehmen, auch Forscher des Georgia Insitute of Technology, der Staatsuniversität Kazan in Russland sowie der Kritiker Philip Moriarty selbst an dem Projekt beteiligt.

Was der Site bisher allerdings fehlt, und ich hoffe, dass dies schnell hinzugefügt wird, ist ein Forum zu den ökonomischen und technischen Konsequenzen, sollte das Projekt eines Tages erfolgreich sein. Denn dann könnte sich die Produktion in den industrialisierten Ländern recht drastisch ändern.

Eine funktionierende Nanofabrik gehört für mich neben der Schaffung künstlicher Intelligenz und der Konstruktion künstlicher Lebewesen zu den drei potenziell disruptivsten Technologien, die das 21. Jahrhundert hervorbringen könnte. Eine aufmerksame und umfassende Technikfolgenanalyse dieses Trio infernale muss deshalb bereits jetzt beginnen – auch dann, wenn der Erfolg dieser drei Technologien noch nicht absehbar ist. (wst)