Nano 2011

Noch ist Zeit, in der Nanotechnik die Fehler der Gentechnik zu vermeiden. Hier ist ein Positivszenario, wie das gelingen könnte.

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Von
  • Niels Boeing

In der vergangenen Woche fand im schweizerischen St. Gallen zum zweiten Mal die „Nano-Regulation“-Konferenz statt. Erst recht seit dem Zwischenfall mit dem Versiegelungsspray Magic Nano treibt die Nanotech-Gemeinde die Frage um, wie man mit potenziellen Risiken der neuen Technik umgeht. In den Konferenz-Workshops wurde nun die interessante Frage gestellt, wie weit die Nanotechnik 2011 gekommen sein wird und welche Roadmap sich daraus für Risikovorsorge und die Einbindung der Öffentlichkeit ergibt.

Aus den vielen konstruktiven Ideen möchte ich hier einmal ein kurzes Positivszenario für 2011 formulieren.

Nano 2011: Technisch ist es zwar noch zu keinem Durchbruch etwa in der Nanoelektronik gekommen. Aber die Produktion von Nanosolarzellen ist in Gang gekommen und hat ein Marktsegment von fünf Prozent in der Photovoltaik erreicht. Chemisch-nanotechnische Materialien sind zu einem Massenprodukt geworden: Küchen- und Badeinrichtungen werden serienmäßig mit Antischmutzbeschichtungen ausgeliefert und nehmen den glücklichen Konsumenten einen Gutteil der Reinigung ab. Sie haben sich zu einem echten Verkaufsschlager entwickelt. In Industrieanlagen haben Nanobeschichtungen zu großen Einsparungen beim Ressourcenverbrauch geführt. Einige Krebsarten können mit den ersten zugelassenen Nanopartikel-Therapien geheilt oder zumindest eingedämmt werden und sind maßgeblich für den guten Ruf der neuen Technik verantwortlich.

Wichtiger aber: Die EU-Staaten, die USA, Japan und China haben sich darauf geeinigt, jährlich zehn Prozent ihres Nanoforschungsbudgets in Toxikologie und öffentliche Foren zu investieren. Die Ergebnisse der drei Jahre zuvor verabschiedeten Nanotox-Roadmap werden in eine internationale Datenbank eingespeist. Deren Betrieb und die notwendige Standardisierung der Untersuchungsverfahren und –ergebnisse werden vom World Nanotech Consortium (WNC) betreut, das nach dem Vorbild des World Wide Web Consortiums aufgebaut wurde. Im WNC sind Regierungen ebenso vertreten wie Vertreter der Industrie, vor allem Unternehmen aus Chemie, Lebensmittel- und Informationstechnik.

Die Industrie hat sich nach anfänglichem Zögern einen Code of Conduct gegeben, der auch den Aufbau einer Nanoprodukt-Datenbank umfasst. Was neu auf den Markt kommt, wird dort für die Öffentlichkeit nachvollziehbar beschrieben. Gemeinsam mit den Regulierungsbehörden haben Unternehmen das Label „This product contains engineered nanoparticles“ ausgearbeitet. Ähnlich wie bei den Lebensmittelzusatzstoffen können Zusammensetzung und Wirkung etwa von „NP 23“ in der EU-Nanotox-Datenbank nachgeschaut werden, auch wenn diese in der Kürze der Zeit noch nicht vollständig sein kann.

Auf der NanoRegulation 2011 in St. Gallen zeigen sich Vertreter aus Politik, Forschung und Wirtschaft zufrieden, dass in der Nanotechnik die Fehler der Gentechnikdebatte doch erfolgreich vermieden werden konnten.

Das klingt zu schön, um wahr zu sein? Ich halte diese Entwicklung für nicht unrealistisch. Vielleicht ist 2011 etwas zu früh, 2016 wahrscheinlicher. Denn soll es neben realen Unfällen mit Nanomaterialien nicht auch zu PR-Unfällen für die beteiligten Unternehmen kommen, genügt die Bekundung bester Absichten nicht mehr. Die Industrie weiß das längst. Auch wenn sich die Vermutungen im Fall Magic Nano am Ende als nicht gerechtfertig herausstellten: Die Medienreaktionen – die auf der anderen Seite des Atlantiks deutlich stärker waren als in Europa – zeigen, dass nach dem ersten realen Zwischenfall mit Nanopartikeln die Nanotechnik in eine kritische Phase treten wird, in der ihre Potenziale verspielt werden könnten. (wst)