Kohlenstoffkiller

Wer seine persönliche CO2-Bilanz aufbessern will, kann sich am Emissionshandel beteiligen – eine neue Organisation machts möglich. Richtig sinnvoll ist es leider noch nicht.

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Von
  • Matthias Urbach

„Sie können die Emissionen neutralisieren, die Sie produzieren, und wir helfen Ihnen dabei." So lautet die gute Botschaft auf den Seiten von „TheCompensators", einer Initiative von Forschern am renommierten Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Dazu nehmen sie am EU-weiten Emissionshandel teil. Die Kompensierer haben extra ein Unternehmen gegründet, um an der Strombörse Emissionszertifikate kaufen zu dürfen. Denn der CO2-Handel steht nur Firmen offen.

Eine charmante Idee: TheCompensators kaufen Zertifikate und legen sie still. Dem Zertifikat 2756-00-00-000-0000000-00-AT-00-02-0 ist das zum Beispiel schon passiert. Die Berechtigung für den Ausstoß einer Tonne CO2 in die Luft. Sie kostet derzeit um die sieben Euro. Werden so Zertifikate vernichtet, darf die Industrie entsprechend weniger Treibhausgase ausstoßen – und der Preis für die Emissionsrechte steigt. TheCompensators wollen damit vor allem ein Zeichen setzen, dass ihre Kunden „(a) umweltbewusst" und „(b) an einem funktionierenden Emissionshandel interessiert" sind. Denn das EU-Handelssystem krankt an einem Problem: Es sind viel mehr Zertifikate im Umlauf, als die Industrie tatsächlich in dieser Handelsperiode benötigen wird.

Allein die Deutsche Industrie hatte vergangenes Jahr 22 Millionen Zertifikate mehr, als sie verbrauchen konnte. Und sie hat sie geschenkt bekommen. In den anderen EU-Staaten wurden die Verschmutzungsrechte ähnlich großzügig verteilt. TheCompensator selbst gehen davon aus, dass insgesamt vier Prozent mehr Rechte im Umlauf, als Emissionen zu erwarten sind. Das freilich führt die Idee der Kompensierer ad absurdum: Ihre umweltbewussten Kunden müssten der Industrie Zertifikate für einige Dutzend Millionen Tonnen CO2 abkaufen, bevor tatsächlich CO2 eingespart würde. Das ergäbe ein Geschenk an Stromkonzerne, Stahlhütten und Co von mehreren hundert Millionen Euros für Zertifikate, auf denen sie sonst sitzen blieben. Die werden sich bedanken. Die Idee der Kompensierer ist also nur so lange sinnig, wie es ein politisches Symbol bleibt (das man sich übrigens auch zu Schmuck machen lassen kann). Letztlich liegt es an der Politik, weniger Rechte zu verteilen.

TheCompensators haben ein ähnliches Problem, wie die Ökostromfirmen. Derzeit wird in Deutschland viel mehr Ökostrom produziert, als alle Ökostromkunden zusammen verbrauchen können. Das liegt an dem äußerst effektiven Erneuerbare Energien Gesetz (EEG), das den Erneuerbaren einen Boom beschert. Durch neue Ökostromkunden wird deshalb paradoxerweise kein weiteres umweltfreundliches Kraftwerk erforderlich. Die Anbieter wie Lichtblick und Greenpeace Energy lösen das Problem dadurch, dass sie unabhängig von den Umsätzen auf eigene Faust neue Öko-Anlagen dazubauen. Nur deshalb machen Ökostromanbieter Sinn. TheCompensator aber haben keinen entsprechenden Kniff zu bieten.

Dabei ist ihre Idee im Prinzip großartig. Tut die EU ihren Job und verknappt die Emissionsrechte, sodass das Instrument ökologisch Sinn macht, dann funktioniert auch das Geschäftsmodell der Kompensierer. Und das ist viel sinniger als das von Anbietern wie MyClimate, 3C oder Atmosfair, die schon länger einen modernen Ablasshandel fürs Klima betreiben. Denn diese Firmen pflanzen oft nur Bäume an, um von Vielfliegern erzeugtes CO2 wieder aus der Atmosphäre zu holen. Die Bäume müssen freilich in der Regel erst ein paar Jahrzehnte wachsen, bis sie netto CO2 binden. Ob sie dann noch stehen, kann keiner kontrollieren. Der Emissionshandel hingegen wird streng von den Behörden überwacht – und reduziert das CO2 innerhalb der drei bis fünf Jahre einer Handelsperiode, indem es echte Dreckschleudern aus dem Verkehr zieht. (wst)