Die große Daten-Sammelleidenschaft

Der Staat besorgt sich immer mehr intime Details über seine Bürger, vernetzt vielfältige Informationen und führt Datenabfragen in ganz großen Stil durch - unterstützt durch eine offenbar willige Wirtschaft. Wo bleibt der Aufschrei?

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Vielleicht erinnert sich ja der eine oder andere noch an die achtziger Jahre, als die Bundesrepublik ihre Bürger mit einer Volkszählung beglücken wollte. Eigentlich für 1981 geplant, verschob sich das Vorhaben damals aufgrund groß angelegter Proteste bis ins Jahr 1987 - inklusive viel zivilem Ungehorsam und der laut hallenden Gefahrenbotschaft vom so genannten "gläsernen Bürger", mit dem unter anderem die Grünen so manche Wählerstimme einfingen.

Über die damalige Angst der Menschen kann man heutzutage nur noch müde lächeln. Damals gab es kein Internet mit Dauerdatenerfassung und kein Handy mit Standortbestimmung, Rasterfahndungen waren mühselige Papierarbeit und in Gesundheits- und Bankabfragedateien steckte auch noch niemand.

Im Gegensatz zur Volkszählung von damals rebelliert heute allerdings nahezu niemand mehr wirklich breit gegen die große Daten-Sammelleidenschaft. Es gibt keine große Bürgerrechtsbewegung, die in der Mitte der Gesellschaft sitzt, um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das mit der zunehmenden Digitalisierung unserer Gesellschaft immer wichtiger wird, tatsächlich verteidigt.

Während in unserem neuen Pass ein nachverfolgbarer RFID-Chip sitzt, plant Innenminister Schäuble, EU-Fingerabdruck- und Gendatenbanken zu vernetzen.

In Großbritannien verbrämt man unterdessen die Zusammenführung aller vom Staat geführter Datenbanken (inklusive Gesundheit) mit der Möglichkeit, künftig einen "besseren Service" für seine Bürger leisten zu können.

Derweil lässt eine deutsche Staatsanwaltschaft mit dem Totschlagargument Kinderpornografie mal eben rund 22 Millionen unbescholtene Kreditkartennutzer überprüfen - und die Wirtschaft in Form der Banken und Financial Service-Firmen macht willig mit, ohne dass ein richterlicher Beschluss vorliegt. (So schön es ist, dass man dadurch rund 300 perverse A...l... erwischt hat - wo liegt hier die Verhältnismäßigkeit der Mittel?)

Die Liste der Beispiele lässt sich beliebig fortsetzen - und wir werden in Zukunft noch viel mehr davon sehen. Die Exekutive wünscht sich mehr und mehr Daten, weil diese ihre Arbeit erleichtern - und die Legislative gibt scheinbar unendlich willig, während die Judikative kaum mit der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit hinterher kommt.

Vielleicht sollte jemand einfach mal das Bild vom "gläsernen Bürger" wieder hervorholen, dem Volk klarmachen, was da auf Dauer blüht, und eine echte Datenschutzpartei gründen? Den Grundrechte-Liberalismus wieder hervorholen, der angeblich nicht mehr zeitgemäß ist? Bei den Grünen hat das ja einst auch gut funktioniert... (wst)