Nano ist öko II

Zwei neue Berichte leuchten das Potenzial einer "grünen" Nanotechnik aus - und in den USA wird es schon bald ganz oben auf der Agenda stehen.

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Von
  • Niels Boeing

Ich habe an dieser Stelle schon einige Male kritisiert, dass die Nanotechnik bislang nicht als potenziell „grüne“ Zukunftstechnik vorangetrieben wird, sondern vor allem auf die gängigen Hightech-Felder IT und Medizin bezogen wird. Zwei Veröffentlichungen seit meinem letzten Eintrag hierzu gehen das Thema nun etwas systematischer an.

Eine stammt vom Woodrow Wilson International Center for Scholars, das die Nanotechnik seit längerem hinsichtlich Verbraucherschutz, Toxikologie und Umweltauswirkungen untersucht. Der Projektbericht „Green Nanotechnology. It’s easier than you think“ unterscheidet zwei Arten: originär grüne Nanotechnik und nanotechnisch verbesserte grüne Technologien. Erstere umfasst Nanotechnologien, die – klug designt – weniger Abfallprodukte und Schadstoffe erzeugen, dabei Prozesswasser und Energie sparen. Letztere sind ältere Technologien, die mittels Nanotechnik effizienter und umweltfreundlicher werden könnten.

Dabei werden die bereits seit längerem formulierten Prinzipien der „green chemistry“ und des „green engineering“ auf die Nanotechnik angewandt – ein weiteres Beispiel dafür, wie in dieser bislang verschiedene Technikgebiete verschmelzen. Der Bericht betont aber, dass das Etikett „grün“ wesentlich von einer Lebenszyklus-Analyse abhängen wird. Ein Beispiel ist ein von Satish Joshi an der Michigan State University entwickeltes Nanokomposit, das die Schichtstruktur von Perlmutt nachahmt. Im Automobilbau könnte es zu Gewichtseinsparungen führen, Autos also leichter und im Verbrauch sparsamer machen. Die Herstellung des Materials benötigt allerdings noch mehr Wasser als bei heute eingesetzten Kunststoffen, so dass es im Ganzen betrachtet einen ökologischen Vorteil mit einem Nachteil erkauft.

Der Bericht listet eine Reihe interessanter Fallbeispiele auf. Harte Zahlen kann er aber noch nicht vorweisen. Die hat sich das britische Nanotech-Marktforschungsunternehmen Cientifica vorgenommen. Im gerade erschienden Report „Nanotechnologies for Sustainable Energy“ hat Cientifica ein Abschätzung vorgenommen, wieviele Tonnen CO2 durch den Einsatz von Nanotechnik eingespart werden könnten (Zusammenfassung, vorherige Registrierung nötig). Das Ergebnis ist zunächst ernüchternd: Nach dem derzeitigen Stand der Technik könnten 2010 ganze 200.000 Tonnen wegfallen – das sind 0,00027 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Bis 2014 könnte sich diese Zahl immerhin versechsfachen. Die Autoren fügen aber einschränkend hinzu, dass sie sehr konservativ abgeschätzt haben: Technische Durchbrüche sind ebensowenig berücksichtigt wie Technologien, die sich derzeit noch im Laborstadium befinden.

Angesichts dieser Zahlen nimmt sich meine These „Nano ist öko“ zurzeit vielleicht wie Zweckoptimismus aus. Ich bin jedoch überzeugt davon, dass die grüne NT noch abheben wird. Aus einem einfachen Grund: In den USA wird das Thema gerade ins Startloch für die obligatorische Standortpolitik geschoben und an die jüngste „Cleantech-Welle“ angedockt. „Wir glauben, dass die USA auf dem Weg sind, ein globaler Marktführer für grüne Nanotechnik zu werden“, sagt David Rejeski vom Project on Emerging Nanotechnologies des Wilson-Centers selbstbewusst.

Die Rhetorik ist zwar etwas abgestanden, aber bei den Nanosolarzellen ist dieser Prozess bereits sichtbar. Obwohl die wesentlichen Basistechnologien in Europa entwickelt wurden, sind es nun mehrere amerikanische Startups (z.B. Konarka und NanoSolar), die die neue Photovoltaik als erste kommerzialisieren werden.

Übrigens hat das Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung schon 2004 einen umfassenden Bericht zum Nachhaltigkeitspotenzial der Nanotechnik vorgelegt, und einige Bundesländer wie Hessen und Baden-Württemberg fördern das Thema durchaus. Ganz oben auf der Agenda der hiesigen Forschungspolitik ist es aber noch nicht angekommen. Das sollte sich bald ändern. (wst)