Blender 2.75: Stereoskopisch und gratis in 3D animieren

In Version 2.75 des Open-Source-3D-Pakets Blender greift die Render-Engine Cycles endlich auch auf die Ressourcen von AMD-Grafikkarten zu. Der neue Dependency Graph verspricht ganz neue Möglichkeiten der Animation.

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Raupe in 3D

(Bild: blender.org)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Gottfried Hofmann
  • Peter König
Inhaltsverzeichnis

Die Entwickler des Open-Source-3D-Pakets Blender haben die neue Version 2.75 zum Download freigegeben. Dank direkter Mitarbeit von AMD-Entwicklern kann die Render-Engine Cycles nun mittels OpenCL auf neueren AMD-Grafikkarten rendern. Unterstützt werden ausschließlich Karten mit GCN-Architektur, eine Liste der funktionierenden Modelle findet sich im Blender-OpenCL-Wiki. Es wird empfohlen, die aktuelle Beta-Version der Catalyst-Treiber einzusetzen. Weiterhin funktioniert Rendering per OpenCL nur unter Windows und Linux. Auf transparente Schatten, Branched Path Tracing und Volume Rendering muss unter OpenCL ebenfalls noch verzichtet werden.

Open-Source-3D-Paket Blender 2.75 (10 Bilder)

Inneraumszene von Marco G. nach jeweils zwei Minuten Renderzeit: links normal gerendert, rechts mit eingeschalteten Portalen.

Um das Rauschen in Innenraum-Szenen schneller zu reduzieren, unterstützt Cycles zudem sogenannte Licht-Portale. Dabei handelt es sich um spezielle Lampen, die dem Renderer anzeigen, wo sich Öffnungen befinden, beispielsweise Fenster. Die Portal-Funktion kann bei Area-Lampen eingeschaltet werden.

Cycles ist ein sogenannter progressiver Renderer, der zu Beginn von einem starken Rauschen geprägt ist und dessen Darstellung mit der Zeit immer weiter aufklart. Solche Rauschmuster wirken zumeist störend. Bei Animationen kann nun automatisch der Seed-Wert von Cycles in jedem Frame geändert werden. Dadurch wandeln sich besagte Rauschmuster zu einem Grieseln, das eher mit Filmkorn vergleichbar ist und als deutlich angenehmer empfunden wird. Diese Funktion musste bisher von Hand mit einem Trick erstellt werden: Man animierte den Seed-Wert, um ihn zu variieren.

Die Panorama-Kamera rendert alternativ zur equirektangularen Projektion auch im Mirrorball-Format. Zudem wurden im Rahmen des Animationsfilm-Projekts Gooseberry zahlreiche Optimierungen vorgenommen, die vor allem den maximalen Verbrauch an Arbeitsspeicher beim Vorbereiten der Szenen reduzieren sollen. GPU- und CPU-Rendering wurde aber auch im Hinblick auf die Render-Geschwindigkeit optimiert.

Sowohl mit dem Blender internen Renderer als auch Cycles kann der neue Multi-View- beziehungsweeise Stereo-3D-Workflow eingesetzt werden. Dabei wird jedes Bild mehrere Male gerendert; in der Standard-Einstellung für Stereo-3D einmal für das linke Auge, einmal für das rechte und einmal mittig für die 2D-Ausgabe. Bei Multi-View können beliebig viele Kameras definiert werden.

Nutzer von aktiven oder passiven 3D-Monitoren können Stereo-3D direkt ausgeben lassen. Unterstützt werden Interlaced, Side-by-Side, Top-Bottom und zeitsequenziell für aktive Shutter-Brillen. Wer nur einen herkömmlichen Monitor hat, kann eine anaglyphe Darstellung mit diversen Farbkombinationen nutzen. Um diese räumlich betrachten zu können, sind Brillen mit farbigen Gläsern notwendig. Stereo-3D-Ausgabe von 3D-Szenen ist sowohl direkt im Viewport als auch bei gerenderten Sequenzen im Compositor, Bild- und Video-Editor möglich.

Der Viewport von Blender zeigt die Tiefenunschärfe in Echtzeit alternativ auch in höherer Qualität an. Damit liegt die Vorschau näher am Ergebnis, das Cycles produzieren würde und unterstützt auch Bokeh in Form von Polygonen.

Die Thumbnail-Anzeige im Dateibrowser unterstützt jetzt unterschiedliche Größen und zeigt auch eine Vorschau von Schriftart-Dateien an. Die bisher nicht belegte Taste 9 auf dem Ziffernblock wechselt aus einer beliebigen Achsen-Ansicht zur Gegenseite.

In Blender ist es in Version 2.75 möglich, die Eigenschaften von mehreren Objekten gleichzeitig zu ändern, etwa Position oder Rotation. Dafür wählt man mehrere Objekte mit gedrückter Shift-Taste an. Wenn nun bei Änderungen über ein Eigenschafts-Feld die Alt-Taste gedrückt wird, so wirken sich diese Änderungen auf alle selektierten Objekte aus. Das bisherige Tastenkürzel zum durchwechseln von Feld-Werten Alt+Mausrad wurde im Zuge dessen zu Strg+Mausrad geändert, um Konflikte zu vermeiden.

Beim Rendern von Bildern können jetzt deutlich mehr Metadaten wie Render-Dauer oder Frame-Nummer gespeichert werden. Diese wählt man im Feld "Metadata" im Render Panel aus. Die bisher dort vorhandene Option "Stamp" lässt sich weiterhin zuschalten, dann werden die ausgewählten Daten als einfacher Text direkt ins Bild geschrieben. Im Falle von PNG und anderen Pixelbildformaten speichert Blender die Metadaten in EXIF-Feldern, bei OpenEXR im Header. Blender selbst zeigt die Metadaten im Bild-Editor und im Video Sequence Editor an, in letzterem Fall stets die Metadaten des obersten Strips.

Der Video Sequence Editor erlaubt jetzt das Speichern von Proxies im Projekt-Ordner – bisher landeten sie in jenem Ordner, in dem sich auch die Quelle des Strips befindet. Dadurch verteilen sich die einzelnen Proxies nicht mehr an unterschiedlichen Stellen, sondern lassen sich beispielsweise alle auf einmal löschen. Bildsequenzen können nun mit Platzhaltern geladen werden. Blender erstellt dann einen Strip, der vom ersten bis zum letzten erkannten Frame reicht, Lücken dazwischen stellt die Software transparent dar. Dadurch kann man Strips bereits mit dem richtigen Timing laden, bevor alle Bilder fertig gerendert sind. Die Lücken füllt man später über "Refresh Sequencer".

Die Werkzeuge zum Malen von Texturen in 3D haben Symmetrie-Optionen erhalten, wie man sie schon vom Scultping her kennt. Dabei unterstützt Blender alle Pinseltypen sowie mehrere Symmetrieachsen gleichzeitig. Beim dynamischen Sculpting entsteht Geometrie mit besserer Topologie als bisher, wodurch etwa Probleme beim Shading vermieden werden. Der Crease Brush oder Faltenpinsel fürs Modellieren hat ein stärker ausgeprägtes Profil erhalten, damit engere Rillen erzeugt werden können.

Metaballs werden jetzt deutlich schneller berechnet und die Reihenfolge der Material-Slots von Objekten kann geändert werden. Das Auswahlwerkzeug für verbundene Geometrie lässt sich jetzt über Eigenschaften wie Material oder UVs beschränkt werden. Edge Slide macht in Blender 2.75 nicht mehr an den Grenzen von Objekten Halt, das Rip Tool funktioniert in mehr Fällen und beim weichen Unterteilen eines Meshes soll das Ergebnis gleichmäßiger ausfallen. Der Decimate Modifier erzeugt deutlich bessere Geometrie bei flachen Oberflächen einerseits und andererseits, wenn die Stärke über Weight Painting beeinflusst wird.

Der neue Modifier "Corrective Smooth" minimiert Verzerrungen, die beim Deformieren eines Meshes entstehen. Das ist besonders in Verbindung mit Armatures hilfreich, die an Gelenken häufig starke Verzerrungen verursachen, die auch über Weight Painting nur schwer in den Griff zu bekommen sind.

Über das "Armature Symmetrize Tool" spiegelt man Rigs und erstellt bei Bedarf neue Knochen. Keyframes im Graph Editor lassen sich nun mittels Proportional Editing verschieben. Wie an anderen Stellen in Blender wird auch hier Proportional Editining über die Taste O aktiviert. Zum aktuellen Frame zoomt man mit der Taste 0 auf dem Ziffernblock, ähnlich wie man im 3D Viewport zur aktuellen Kamera-Ansicht springt. Klickt man in einem Animations-Editor doppelt auf einen Kanal, werden die darin enthaltenen Keyframes ausgewählt. Die Suche nach Kanälen über den Namen aktualisiert sich jetzt automatisch während des Tippens. Die Suche nach Kanälen auf Basis ihrer Namen funktioniert zudem jetzt auch im NLA-Editor.

Beim neu integrierten Dependency Graph handelt es sich um ein System, das Abhängigkeiten zwischen Objekten, Animationen und anderen Datenblöcken verwaltet. Solche Abhängigkeiten fielen dem Anwender bisher nur dann auf, wenn bestimmte Dinge nicht oder nur sehr langsam funktionierten. Mit dem Dependency Graph sollen sich jetzt noch mehr Eigenschaften und Einstellungen in Blender animieren lassen und viele Limitierungen bei Treibern fallen.

Treiber benutzt man, um Eigenschaften eines Objekts über Eigenschaften eines anderen Objekts zu animieren. Sie werden zum Beispiel häufig beim Rigging eingesetzt. Der Dependency Graph soll zudem Grundlage für geplante Optimierungen der Viewport-Performance bilden. Allerdings wird er noch nicht als stabil genug für die Produktion angesehen. Daher muss man ihn vorerst noch über die Option "--enable-new-depsgraph" beim Starten von Blender über die Kommandozeile aktivieren. Die Blender Foundation ruft zum Testen und Melden von Bugs auf.

Die Handhabung des Grease Pencil wurde weiter an andere Blender-übliche Editier-Vorgänge angepasst. So lässt sich der aktive Layer jetzt mit der Taste H verstecken, Alt+H macht sämtliche Layer wieder sichtbar. Shift+H blendet alle Layer bis auf das aktuell aktive aus. All dies entspricht dem Verhalten der Anzeige von Objekten im 3D Viewport. Wenn man sich im Editier-Modus für Grease-Pencil-Striche befindet, erscheint rechts oben im Editier-Fenster ein Hinweis – damit wird es es einfacher herauszufinden, in welchem Modus man sich aktuell befindet.

Wenn dauerhaftes Zeichnen eingeschaltet ist, wird dieser Modus jetzt verlassen, sobald man außerhalb des Viewports klickt, zum Beispiel auf einen Header oder das Properties Panel. Dadurch wird die Arbeit mit Stift-Tablets erleichtert, da man nicht mehr jedes Mal die Taste Esc drücken muss, um den Modus zu verlassen. Wenn der neue Dependency Graph aktiviert ist, lassen sich nun Treiber in Verbindung mit Grease-Pencil-Eigenschaften nutzen, etwa können sich die Dicken von Linien automatisch anpassen, wenn sich eine Kamera durch die Szene bewegt.

Das Interface des Add-ons "Add Mesh Extra Objects" wurde überarbeitet; auch sind einige zusätzliche Objekte hinzugekommen. Dazu zählt ein einzelner Punkt, was bei manchen Arten zu Modellieren den idealen Anfang darstellt. Ein bereits unterteilter Würfel bietet eine gute Grundlage fürs Box Modeling. Die mathematisch definierten Oberflächen, die sich ebenfalls über dieses Add-on hinzufügen lassen, haben weitere Presets erhalten – inzwischen summieren sie sich auf mehr als 20.

Add-ons für Blender können jetzt eigene Icons installieren. Weiterhin lassen sich Vorschaubilder laden und anzeigen. Um dese neue Funktionen für Entwickler einfacher nutzbar zu machen, liefert Blender zwei entsprechende Templates mit.

Neben den beschrieben Neuerungen wurden zahlreiche kleinere Funktionen und Detail-Verbesserungen an der Bedienoberfläche eingepflegt. Außerdem haben die Entwickler nach eigenen Angaben zusätzlich mehr als 380 Programmfehler aus vorhergehenden Versionen behoben.

Blender läuft unter Windows, Mac OS X und Linux. Ab sofort steht Blender 2.75 zum Download bereit. (pek)