Die Kommunikations-Revolution frisst ihre Kinder

Haben Sie im Always-On-total-vernetzt-Zeitalter schon mal versucht, einen Service-Techniker der Telekom zu erreichen?

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Dieser Blog-Eintrag ist ein Experiment in Sachen Entschleunigung. Ich habe diese Zeilen ausnahmsweise nicht direkt auf dem Rechner formuliert, sondern ganz altmodisch auf Papier – mit einem ebenso altmodischen Füllfederhalter. Vielleicht, so habe ich mir dabei gedacht, entspricht dieses Schreibinstrument ja eher meinem Denktempo – und indem ich langsamer werde, komme ich schneller an mein Ziel (keine Angst, den Widerspruch erkläre ich gleich).

Ausgelöst wurde das Experiment nämlich durch eine verblüffend existenzielle Erfahrung: Ich bin vor kurzem umgezogen und war in diesem Zusammenhang mehrere Tage komplett offline. Jetzt nicht lachen, bitte. Das ist durchaus ernst gemeint. Ich habe mich im Grunde genommen erst wieder so richtig zu Hause gefühlt, als das Lämpchen an der WLan-Basisstation wieder beruhigend grün geleuchtet hat.

Denn ich habe mich einfach extrem daran gewöhnt, mal eben in die Mail zu schauen (wie viele andere auch, benutze ich E-Mail nicht nur als elektronisches Äquivalent zur Post sondern auch als primitives Archiv, Zettelkasten, Terminkalender, Wiedervorlagesystem usw.), im Netz nach eine Telefonnummer zu suchen oder nachzuschauen, wann denn nun mein Zug fährt. Aber es ist mehr als das: Das Netz ist für mich eine Art permanent zugängliche riesengroße Bibliothek, eine Art Parallelwelt, in die ich nur mal eben hineinzugreifen brauche, um das Wissen herauszuziehen, das ich gerade benötige. (Wahrscheinlich ist Matrix trotz seines grauenhaften Storyboards damals so erfolgreich gewesen, weil viele Menschen diese Idee teilen, dass hinter der physikalischen Realität eine Art zusätzliches Informations-Universum zur Verfügung steht.

Doch der Strom der Daten, der uns mit dem Eingang in diese unsichtbare Informationssphäre verbindet, ist mit konkreter Hardware verknüpft – und natürlich mit realem Geld. Das ist keineswegs rein virtuell und schon gar nicht mühelos. Um diese Infrastruktur einzurichten, aufrecht zu erhalten oder gar – Gott bewahre – zu verändern, müssen viele Menschen in ganz und gar verschiedenen – man könnte fast sagen: fremden – Abteilungen miteinander kommunizieren: Und zwar mit Hilfe von Computern.

Und das scheint nicht einfach zu sein. Heiliger Ford kehre wieder und erkläre dieses Trotteln, die sich die Betriebsorganisation der Telekom AG ausgedacht haben, wie das eigentlich gedacht war, mit der Arbeitsteilung: Die Zerlegung komplexer Arbeitsvorgänge in einfache Tätigkeiten ist kein Selbstzweck sondern dient der Erhöhung der Effizienz – nicht zu deren Erniedrigung.

Damit kommen wir nach langer Vorrede wieder auf den Umzug zu sprechen: Weil uns bei dem Gedanken an einen Providerwechsel das Gespenst der Termin-Inkompatibilitäten verschiedener Firmen in verschärfter Tateinheit mit akuter Knappheit an Service-Personal angegrinst hat – wir also kurz gesagt nicht wochenlang offline gehen wollten – blieben wir bei unserem Telekommunikationsanbieter: TCom.

Die wirbt auf ihrer Website mit dem tollen Umzugsservice: Einfach das Datum des Umzuges angeben, die alte und die neue Adresse, dann wird am selben Tag der alte Anschluss ab- und der neue angeschaltet. Man muss allerdings das Kleingedruckte beachten: Wenn Sie umziehen, müssen Sie nämlich automatisch an der neuen Adresse auch einen neuen Vertrag abschließen. Warum? Wahrscheinlich weil bis auf eine Ausnahme alle tollen neuen Kombi-Tarif-Pakete (die einem die Hotline bei jeder Gelegenheit ungefragt aufdrängen will) eine Mindestlaufzeit von 24 Monaten haben. So kann man Kundenbindung auch herstellen.

Nun leuchtet mir eigentlich nicht ein, was an diesem Umzugs-Service eigentlich so sensationell schwierig sein soll – aber es sollte noch besser kommen: Wir erhielten zwar eine Auftragsbestätigung für den Umzug des Festnetz-Anschlusses, aber vom DSL stand in diesem Schreiben kein Wort. Auch der Techniker, der am Tag des Umzuges tatsächlich zum vereinbarten Termin auf der Matte stand, hatte keine Ahnung, was die Kollegen aus der anderen Abteilung in dieser Frage unternehmen wollten – das DSL-Modem zeigte jedenfalls unentwegt ein rotes Sync-Lämpchen.

Nachdem sich dieser Zustand nach zwei Tagen nicht ändern wollte, biss ich in den saueren Apfel und rief die Hotline der TCom an. Dort erfuhr ich: Der Vorgang hängt, weil an der neuen Adresse kein Vormieter zu ermitteln war (es war ein Erstbezug). Nun, da ja feststünde, auf welche Leitung das DSL aufzuschalten sei, könne man dies ja beauftragen. Würde so vier bis fünf Tage dauern. Ich wurde ein wenig ungehalten.

Nachdem ich zwischendurch zu T-Online weitervermittelt wurde, verstand ich dann aber auch den Grund dieser pessimistischen Termin-Schätzung: Weil die Sachbearbeiterin einen neuen DSL-Anschluss beauftragt hatte, ging T-Online automatisch davon aus, dass man mir auch ein DSL-Modem und einen Splitter zusenden müsse (dieser Splitter ist dann auch tatsächlich am Montag auf die Reise gegangen und hat mich am Mittwoch erreicht – ich bin gespannt, ob auch noch ein DSL-Modem kommt). Dieser Versand würde normalerweise 4-5 Tage benötigen, so dass es überhaupt keinen Sinn machen würde, die Leitung früher freizuschalten. Mein Einwand, dass ich bereits Kunde sei, konterte die freundliche junge Dame mit der Frage nach meine T-Online-Nummer – die ich zwar bereits bei meinem Umzugs-Auftrag angegeben hatte, aber nun leider nicht mehr zur Hand hatte, denn der Ordner mit dem entsprechenden Schreiben befand sich aber leider noch in irgendeiner Kiste.

Kurz: Nach einer Stunde höchst unerfreulicher Diskussionen mit der TCom-Hotline bekam ich die Zusage, dass DSL würde am kommenden Tag bis 18 Uhr aufgeschaltet. Was eigentlich laut Umzugsservice bereits am Tag des Umzuges hätte passiert sein sollen – und zwar ohne dass ich hinterher telefoniere.

Warum erzähle ich das? Der Vorgang ist ein Musterbeispiel von in die Irre gelaufenem betriebswirtschaftlichen Effizienzdenken: Der eigentlich simple Vorgang des Umzuges (der Kunde möchte, dass der Anschluss an Standort A abgeschaltet und an Standort B angeschaltet wird) wird durch die organisatorische Aufspaltung in viele völlig voneinander unabhängige Firmenteile und die ausschließliche Kommunikation über ein Datenbank-Interface (Fälle, die in der Maske nicht vorkommen, können auch in der Realität nicht stattfinden – die Realität wird also an die Software angepasst) in eine bürokratische Satire verwandelt. Offenbar wird aber die Bearbeitung eines Vorganges nicht schneller, wenn die einzelnen Teilschritte schneller ablaufen. Deswegen die Idee mit dem Füller und dem Papier. Die ich übrigens an einer Stelle (aus Zeitgründen) wieder aufgegeben habe. Bin gespannt, ob Sie merken, wo. (wst)