Kolumne: Wenn ein Apple-Händler mit Zitronen handelt

Die mit großen Erwartungen gestartete Kooperation zwischen Apple-Filialist Gravis und Karstadt/Arcandor ist gescheitert. So etwas kann vorkommen. Dass Gravis-Chef Archibald Horlitz aber keinen Plan B im Tresor hatte, darf nicht passieren.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber Gravis-Chef Archibald Horlitz,

wenn Gravis an der Börse wäre, hätte der Aktienkurs in diesem Monat sicherlich eine Achterbahn vollführt. Zunächst wartete Ihr Geschäftsführerkollege Norbert Mohlberg mit der guten Nachricht auf, dass Gravis "von einem konjunkturellen Abschwung nicht betroffen" sei. Diese Information hätte sicherlich zu einem Anstieg des Kurses geführt. Dann aber eröffnete Ihr wichtigster Lieferant Apple seinen ersten eigenen Shop in Deutschland und kündigte weitere an. Die Börse würde mit Kursabschlägen reagieren. Und dann der Schock Ende vergangener Woche: Die geplante Kooperation mit dem Arcandor-Konzern über Gravis-Shop-in-Shops in insgesamt 90 Karstadt-Warenhäusern wird nach einer Testphase beendet. Die Gravis-Aktie würde abstürzen.

Gravis-Chef Archibald Horlitz

(Bild: Gravis)

Lieber Herr Horlitz, Sie müssen sehr enttäuscht sein. Sie haben mit Zitronen gehandelt. "Wir haben ein Jahr verloren", sagten Sie dem Handelsblatt. Das Karstadt-Abenteuer hat Gravis nach Aussagen aus Ihrem Hause 500.000 bis 700.000 Euro gekostet. Viel Geld für ein Unternehmen, dass in diesem Jahr einen Gewinn von im besten Fall zwei Millionen Euro angepeilt hatte. Statt des noch Mitte dieses Jahres erwarteten Umsatzes von 170 Millionen werden Sie wohl nur bei 140 Millionen Euro rauskommen. Schlimmer aber ist vielleicht noch, dass aufgrund der Pläne mit Karstadt andere Expansionsoptionen auf Eis gelegt worden waren.

Ich fürchte, lieber Herr Horltiz, das müssen Sie auf Ihre Kappe nehmen. Indem Sie alles auf eine Karte gesetzt haben – nämlich die Karte Karstadt – haben Sie einen schweren strategischen Fehler gemacht. Das wird offensichtlich, da Sie nun, wo sich die Karstadt-Karte als Fehlfarbe erweist, keinen Plan B haben. Hätten Sie als vorausschauender und strategisch denkender Geschäftsmann nicht einfach damit rechnen müssen, dass das Karstadt-Expertiment auch scheitern könnte? Immerhin waren die beiden Shop in Lübeck und Düsseldorf ja sogar explizit als Pilotphase ausgewiesen. Hätten Sie nicht einen Umschlag im Tresor haben müssen mit einem Alternativszenario für den Fall, dass Karstadt nicht klappt? Ja, hätten Sie nicht sogar parallel zu dem Karstadt-Piloten andere Möglichkeiten ventilieren und vorbereiten müssen? Schon allein um den Karstadt- bzw. Arcandor-Leuten zu signalisieren, dass Sie nicht auf sie angewiesen sind und auch anders können? Und hätten Sie nicht gewarnt sein müssen, weil schon einmal eine Kooperation zwischen einen IT-Handelsfilialisten und einen Warenhauskonzern gescheitert war (Vobis und Galeria Kaufhof).

Jetzt ärgern Sie sich, dass Sie ein Jahr verloren haben. Ihren Ärger kann ich gut verstehen. Sie dachten, Sie kommen voran, doch das entpuppt sich heute als Illusion. Sie sind wieder an dem Punkt angekommen, an dem schon einmal standen. Gravis hat sich in dieser Zeit nicht weiterentwickelt, jedenfalls nicht in Bezug auf eine mögliche und auch immer geplante Expansion. Das ist in einer Zeit, in der Stillstand immer auch Rückschritt bedeutet, ein schwerer Nachteil. Vor allem läßt sich die verlorene Zeit nicht wieder aufholen. Es ist wie im Spitzensport: Ein versäumtes Training kann man nicht nachholen. Nun planen Sie, zu den bestehenden 30 Gravis-Filialen mittelfristig 20 weitere Stores zu eröffnen, vorzugsweise in Städten, in denen Sie noch nicht vertreten sind. Die Frage ist nur, wie Sie diese Expansion finanzieren wollen. Auch in dieser Hinsicht haben Sie ja ein Jahr verloren – mindestens! Seit langem schon, wenigstens seit zwei Jahren, suchen Sie nach der optimalen Möglichkeit der Wachstumsfinanzierung. Dabei schlossen Sie weder einen strategischen Investor - Ende 2006 war die Douglas-Holding als Wunschpartner im Gespräch - noch ein Going Public aus. Mitte 2008 hatten Sie aufgrund der ungünstigen Marktlage an den Kapitalmärkten das Going Public zumindest auf absehbare Zeit ausgeschlossen. Nun setzen Sie wieder auf einen strategischen Investor, dem Sie sogar einen "größeren Anteil" abgeben würden. Bereits im Sommer hatten Sie erklärt, dass Verhandlungen mit möglichen strategischen Investoren und Interessenten aus dem In- und Ausland liefen. Stellt sich heute natürlich, ein halbes Jahr später, die Frage, wo sie hingelaufen sind. Jedenfalls noch nicht ins Ziel.

Lieber Herr Horlitz, ich empfinde große Sympathie für das, was Sie tun, und habe enormen Respekt vor ihrer unternehmerischen Leistung. Wir wollen nicht vergessen, dass von den einst strahlenden IT-Filialisten – Vobis, Escom, Schadt, Comtech – heute nur noch Gravis eine Rolle spielt. Und ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie den erfolgreichen Weg auch weiterhin gehen werden. Gut, die Sache mit Karstadt und dem fehlenden Plan B haben Sie verbockt, da kommen wir nicht drumrum. Aber Sie sollten jetzt nicht zu streng mit sich sein – schließlich ist übermorgen Weihnachten. Sehen Sie es positiv: Sie haben etwas dazugelernt – nämlich was nicht funktioniert!

Beste Grüße

Damian Sicking

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