Autonome Autos behalten den Fahrer im Blick

Moderne Assistenzsysteme sorgen für Entlastung beim Fahren – und für schwindende Aufmerksamkeit. Zunehmend wird deshalb auch erfasst, ob die Person hinter dem Steuer überhaupt noch eingreifen kann.

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Von
  • Will Knight

Moderne Assistenzsysteme sorgen für Entlastung beim Fahren – und für schwindende Aufmerksamkeit. Zunehmend wird deshalb auch erfasst, ob die Person hinter dem Steuer überhaupt noch eingreifen kann.

Ein im vergangenen Jahr auf YouTube veröffentlichtes Video zeigt, dass manchmal ein echter Hund am Steuer sitzt: Der Fahrer eines Infiniti Q50 testet Abstandsregelung und Spurhalteassistenten seines Autos, indem er seinen Hund auf den Fahrersitz lässt und selbst als Passagier zuschaut, während sein Auto über die deutsche Autobahn rollt. Wer aber wäre verantwortlich, wenn es in einer solchen Situation zu einem Unfall kommt – der Hersteller oder der Fahrer?

Mehrere Autoproduzenten bringen derzeit Technologien auf den Markt, bei denen ihre Autos mehr Kontrolle über Lenken, Bremsen und Beschleunigen übernehmen. Gleichzeitig aber sind diese Fahrzeuge zunehmend darauf ausgelegt, auch den Fahrer im Auge zu behalten, wenn er die Kontrolle an sie abgegeben hat. Beispielsweise ist wichtig, dass der Mensch nicht zu sehr abgelenkt ist, um wenn nötig selbst wieder einzugreifen (mit Lesen oder einem Schläfchen wird es also nichts), und dass sich die Schuldfrage klären lässt, wenn etwas schief geht.

Deshalb kommt es unter anderem darauf an, dass sich der Fahrer nicht zu sehr entspannt. "Sobald die Hände nicht mehr am Lenkrad sind, erhöht sich die Reaktionszeit", sagt Thomas Müller, Leiter der Forschung und Entwicklung an Systemen für Lenkung, Bremsen und Fahrerassistenz bei Audi. "Die Hände vom Lenkrad zu nehmen, hört sich nicht nach einem besonders bedeutenden Thema an, ist es aber."

Der Trend zu mehr Kontrolle über den Fahrer lässt sich an Autos erkennen, die bereits heute bei manchen Routine-Aufgaben helfen. Die S-Klasse von Mercedes zum Beispiel kann einem vorausfahrenden Fahrzeug bei Geschwindigkeiten zwischen 10 und 60 Stundenkilometern auch auf kurvigen Straßen folgen, was den Fahrer im Stop-and-Go-Verkehr entlastet. Doch die S-Klasse achtet auch auf die Aufmerksamkeit des Fahrers: Sie erkennt, ob seine Hände am Lenkrad sind oder ob das Auto von der Spur abkommt, was ein Zeichen für Müdigkeit sein kann.

Weitergehende Automation wird kommen. So will Tesla Motors bei manchen seiner Model S noch in diesem Jahr über ein Software-Update automatisches Autobahn-Fahren einführen, und Cadillac plant für nächstes Jahr eine weiterentwickelte Temporegelung, die auch Lenken und Bremsen übernimmt. Die beiden Unternehmen haben noch nicht erklärt, wie ihre Systeme funktionieren sollen und ob sie mehr Kontrolle über den Fahrer vorsehen.

Auf jeden Fall spricht viel dafür, dass die zunehmende Automatisierung das Fahrverhalten verändern wird. Wer automatisiertes Fahren ausprobiert hat, berichtet: Die Aufmerksamkeit kann dabei bemerkenswert schnell verloren gehen.

Google verzichtet in seinem neuesten Prototypen für autonome Autos bereits ganz auf Pedale und Lenkrad. Der Grund dafür war, dass die Person hinter dem Steuer in früheren Versionen zu abgelenkt und deshalb ohnehin kaum in der Lage war, rasch einzugreifen, wie Astro Teller, Chef von Google X, auf einer Konferenz in diesem Jahr erklärte.

Audi will im kommenden Jahr ein System für automatisches Fahren im Stau herausbringen, automatisches Autobahn-Fahren soll Anfang des nächsten Jahrzehnts folgen. In beiden Fällen wird der Fahrer von einer Kamera im Armaturenbrett beobachtet, die Augenposition und anderes Verhalten erfasst. "Wir müssen dafür sorgen, dass die Übergabe so schnell wie möglich vonstatten geht", erklärt Müller. Ein automatisches System lässt sich quasi in Echtzeit aktivieren, ein Mensch aber braucht manchmal mehrere Sekunden, um sich wieder auf die Straße konzentrieren und eingreifen zu können. "Wir werden eine Kamera beobachten lassen, ob der Fahrer auf den Rücksitz springt, einschläft oder Sachen zwischen sich und das Lenkrad stellt – immerhin gibt es auch immer noch den Airbag."

Eine Speicherung dieser Daten ist laut Müller nicht geplant. Digitale Ablenkungen wie Nachrichten vom Smartphone sollen aber in das Infotainment der Autos integriert werden, so dass sie sich leichter blockieren lassen, wenn der Fahrer dringend gebraucht wird.

Auch juristische Überlegungen dürften den Trend zu mehr Fahrer-Beobachtung stärken. Laut Robert Peterson, einem Experten für Haftungsrecht an der Santa Clara University Law School, wird Automation das Bild verkomplizieren. "Wenn Autos zunehmend automatisiert sind, geht die Haftung vom Fahrer auf die Personen in der Produktionskette über", sagt er.

Ein Bericht der Rand Corporation aus dem Jahr 2014 kam zu dem Schluss, dass automatisiertes Fahren eine Transformation der Versicherungsbranche auslösen dürfte, weil die Haftung zunehmend bei den Herstellern liegt. Dies könne die Entwicklung der Technologie verzögern, warnten die Autoren. Bislang äußern sich die meisten Autoversicherungen nicht zu diesem Thema.

In den USA ist derzeit vorgeschrieben, dass automatisierte Autos bei Tests auf öffentlichen Straßen eine Black Box zur Aufzeichnung von Daten haben, was bei der Aufklärung von Unfällen helfen soll. Laut Peterson wäre durchaus vorstellbar, dass die Speicherung von Daten über Auto und Fahrer in Zukunft dauerhaft zur Pflicht wird.

"Um die Übergabe herum könnte es ein paar interessante Fragen geben", sagt Peterson. "Zum Beispiel: Hat das Auto die Kontrolle rechtzeitig abgegeben und haben Sie den Hinweis darauf ignoriert? Die Phase des Kontrollwechsels zwischen Fahrer und autonomem System ist nicht besonders sicher."

(sma)