"Weniger heiße Luft, mehr Effizienz"

Ernst Ulrich von Weizsäcker, Dekan der "School of Environmental Science & Management" an der University of California in Santa Barbara, spricht im im TR-Interview über wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel.

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Von
  • Peter Monnerjahn
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In diesen Tagen beherrscht erneut ein globales Krisenthema die Schlagzeilen: der Klimawandel. Auf Bali tagt die Internationale Arbeitsgruppe Klimawandel der UN (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC), um die Ergebnisse des Vierten Arbeitsberichts des IPCC zu evaluieren sowie erste konkrete Schritte auf dem Weg zu einem Nachfolge-Protokoll für Kyoto zu gehen.

Sowohl ein substanzieller Wandel im Erdklima als auch die hauptsächliche Verantwortung des Menschen für diesen Wandel seien nicht mehr zu leugnen, heißt es im ersten Teil des IPCC-Berichts. Mehr Medienaufmerksamkeit bekam der zweite Teil, in dem unter anderem vor unumkehrbaren Klimaveränderungen gewarnt wird, sollten nicht bald deutliche Schritte unternommen werden, Treibhausgase zu reduzieren. Der dritte und möglicherweise wichtigste Teil, bereits im Mai veröffentlicht, enthält eine Beurteilung, welche konkreten Gegenmaßnahmen wir ergreifen können, um einschneidende Klimakonsequenzen für unsere Welt zu vermeiden.

Besser als kaum ein anderer Deutscher kennt die Problematik Ernst Ulrich von Weizsäcker, der bereits vor 20 Jahren über eine Energie-Effizienz-Revolution nachdachte, wie sie jetzt vom IPCC ins Spiel gebracht wird. Weizsäcker, geboren 1939, ist Mitglied des "Club of Rome", war Mitglied des Deutschen Bundestages und dort Vorsitzender der Enquête-Kommission "Globalisierung der Weltwirtschaft", später Vorsitzender des Umwelt-Ausschusses. Er war Gründungspräsident des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie und Direktor am UNO-Zentrum für Wissenschaft und Technik in New York und arbeitet mittlerweile als Dekan der "School of Environmental Science & Management" an der University of California, Santa Barbara.

Technology Review: Herr Weizsäcker, ist der Klimawandel das drängendste Umweltproblem, das die Menschheit im Moment hat?

Ernst Ulrich von Weizsäcker: Ja. Er ist ein reales, globales Problem. Und als solches erfordert es weit mehr als ein Herumdoktern an Symptomen.

TR: Wo sollten für Verbraucher auf der einen und Regierungen auf der anderen Seite die Prioritäten liegen, um das Klima tatsächlich wirkungsvoll zu schützen?

Weizsäcker: Auf Regierungsebene ist die erste Priorität, Klimabelastung mit einem Wert zu belegen, sie also im Preis von Waren und Dienstleistungen sichtbar zu machen. Und Verbraucher müssen eine entsprechende Transparenz einfordern, um durch ihr Verhalten in die richtige Richtung steuern zu können. Wie ich schon in "Erdpolitik" im Jahr 1989 geschrieben habe: Die Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen.

TR: Wer wird voraussichtlich zu den am ehesten vom Klimawandel Betroffenen zählen?

Weizsäcker: Zunächst sind natürlich flache Küstenländer betroffen, insbesondere dort, wo das nötige Geld für Deiche und andere Schutzmaßnahmen fehlt. Von Trockenheit bedrohte Gegenden werden gleichermaßen betroffen sein.

TR: Wird also deswegen von den hauptsächlich westlichen Industrienationen so wenig getan, weil deren Bürger sowieso nicht zu den stark Betroffenen gehören werden, sondern sich Schutz erkaufen werden können?

Weizsäcker: Die reale Betroffenheit ist bei uns bislang in der Tat gering. Immerhin haben die EU-Staaten schon einiges getan, und hier stabilisieren sich zumindest die Emissionen. Ganz anders ist das leider noch in Australien, den USA, Japan und Kanada.

TR: Was ist die Krux am politischen Prozess, die effektivere Maßnahmen be- oder gar verhindert?

Weizsäcker: Der falsche Glaube, dass man sich wahnsinnig wird einschränken müssen. Das ist aber nicht der Fall. Wo gezielt der falsche Eindruck erweckt wird, es seien tiefe Einschnitte in den Lebensstandard notwendig, wirkt sich das – da wir ja keine unmittelbare Bedrohung sehen können – direkt negativ auf die Durchsetzbarkeit jeglicher Klimaschutzmaßnahmen aus.

TR: Bjørn Lomborg, der Autor des anti-klimaalarmistischen Buches "Cool It!", wird in den Medien oft als "Klimaskeptiker" verunglimpft, was von seiner eigentlichen Aussage ablenkt, dass wir richtige Prioritäten setzen und vor allem an Effizienz denken müssen. Haben Sie da ein bisschen Mitleid mit ihm?