Medikamententests mit Stammzellen

Forscher verwenden menschliche Embryonalstammzellen, um die Toxizität von neuen Wirkstoffen zu prüfen. Die Methode ist allerdings noch umstritten.

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Von
  • Jennifer Chu

Die Überprüfung der Toxizität von potenziellen Medikamenten an Versuchstieren wie Ratten ist beileibe nicht immer verlässlich: Es kommt des Öfteren vor, dass die Nager mit den Wirkstoffen zwar umgehen können, sie beim Menschen aber dennoch giftig wirken.

Um solche Gefahren besser vorhersagen zu können, erforscht Gabriela Cezar, Juniorprofessorin für Tierwissenschaften an der University of Winsconsin-Madison, ob sich menschliche embryonale Stammzellen besser als Testumgebung eignen würden. In der Fachzeitschrift "Stem Cells and Development" zeigt sie zusammen mit mehreren Kollegen eine neue Methode, bei der die molekulare Reaktion solcher Zellen auf Wirkstoffe getestet wird. Das Ergebnis soll deutlich genauer sein als bei konventionellen Tests an Tiermodellen.

Entwickeln sich Stammzellen normal, produzieren sie Moleküle, die den Zellstoffwechsel und die Ausdifferenzierung steuern. Cezars Hypothese: Sind Wirkstoffe giftig, ändern sich die Konzentrationen dieser Stoffe und die Interaktion zwischen den Zellen wird unterbrochen – eine biologische Kaskade entsteht, die zu Entwicklungserkrankungen führt.

Als Prototyp hat Cezars Gruppe die Reaktionen von embryonalen Stammzellen auf den Epilepsiewirkstoff Valproat getestet, der mit Autismus-Fällen und Fehlbildungen im Mutterleib (Wirbelspalt) in Verbindung gebracht wird, wenn Mütter das Medikament während der Schwangerschaft einnehmen. "Geburtsfehler beginnen in der Gebärmutter und wir haben noch immer keinen Weg gefunden, die dabei ablaufenden Mechanismen zu messen und näher zu betrachten", erklärt Cezar. Mit Stammzellen ließe sich die Entwicklung hingegen nachvollziehen und endlich prüfen, welche chemischen Prozesse sich veränderten, wenn ein Stoff wie Valproat eingenommen wird.

In Cezars Experiment wurden verschiedene Dosen des Wirkstoffes von schwach bis hoch eingesetzt – bei drei verschiedenen Gruppen von Stammzellkulturen. Die Dosierung wurde dann über verschiedene Zeiträume verändert. Die Kontrollgruppe bestand aus unbehandelten Stammzellen. Cezar untersuchte dann jede Probe mit einem Massenspektrometer, das die Molekülkonzentrationen in jeder Kultur ermittelte.

Im Vergleich zur Kontrollgruppe ergaben sich in den Valproat-Proben deutliche Veränderungen bei zwei wichtigen Stoffen: Glutamat und Kynurenin. Beide sind bei der frühen Gehirnentwicklung von großer Bedeutung – war das Medikament präsent, kam es zu Spitzen in der Konzentration beider Substanzen. Das könnte daraufhin deuten, dass sich beide Moleküle als Biomarker für eine potenzielle Toxizität eines Wirkstoffes verwenden lassen.

"Wir sagen die Toxizität für Menschen mit Hilfe menschlicher Zellen voraus", betont Cezar. Ähnliches könne auch mit anderen Wirkstoffen messbar nachgewiesen werden, wenn man Tiermodelle anpasse. "Wir hoffen, dass wir so Medikamente herstellen können, die mehr Sicherheit bieten."

Doch das Konzept, Medikamente an embryonalen Stammzellen zu testen, ist noch ein sehr neues Gebiet – und einige Wissenschaftler denken, dass noch deutlich mehr Forschung betrieben werden muss, bevor feststeht, dass es aufgeht. Hinzu kommt die heikle ethische Debatte um die Forschung mit Stammzellen.

Steven Tannenbaum, Professor für Chemie und Toxikologie am MIT, gibt zu bedenken, dass der Medikamentenstoffwechsel im Körper ein komplexer Prozess sei. Denn: Nimmt man einen Wirkstoff über den Mund auf, wird er zumeist zuerst in der Leber verarbeitet und ändert dann seine Form, während er durch den restlichen Körper wandert. "Mehr als 90 Prozent der Medikamente werden in der Leber zu anderen Varianten ihres Ausgangsproduktes verstoffwechselt – und einige davon können erst dann toxisch sein", sagt Tannenbaum. Cezar habe nun einfach Valproinsäure genommen, die im Körper üblicherweise breit verstoffwechselt wird und sie unter unrealistischen Bedingungen verwendet.

Cezar sieht allerdings bereits eine Lösung für das Problem: Sie könnte die Stammzellen erst zu Leberzellen heranwachsen zu lassen, um dann erst zu testen – ein Projekt, dass sie möglicherweise in Zukunft angehen will. "Solange wir die Zellen aus embryonalen Stammzellen herstellen können und dann das Endprodukt in der Petrischale haben, könnten wir auch Biomarker für Lebertoxizität ermitteln", sagt sie. Ihre Plattform sei "sehr vielseitig." (bsc)