Suchmaschinen

Bei der immer wichtiger werdenden Suche nach Audio- und Video-Dateien ist das Feld ohnehin noch weit offen. Außerdem hat die Politik das Thema Informationshoheit entdeckt und will die Google-Übermacht eindämmen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Ralf Grötker

Wie sehr Google das erfolgsverwöhnte Alphatier Microsoft über die Jahre hinweg zermürbt hat, lässt sich seit diesem Februar an einer Zahl ablesen: 45 Milliarden Dollar. So viel möchte Microsoft für den wichtigsten verbliebenen Google-Rivalen Yahoo! ausgeben - annähernd das Doppelte seines Börsenwertes vor dem Übernahme-Angebot. Dieser Frontalangriff zeigt, dass Microsoft sich offenbar nicht mehr dazu in der Lage sieht, durch eigene Kraft und eigene Produkte im Suchmaschinengeschäft zu Google aufschließen zu können.

Wenn sogar Microsoft sein Heil nur noch in milliardenschweren Zukäufen sucht - wer sonst soll in der Lage sein, neben Google zu gedeihen? Tatsächlich hat sich in der Nische, die Google übrig gelassen hat, ein lebhaftes Biotop aus kleinen Suchmaschinen mit völlig unterschiedlichen Ansätzen entwickelt. Ist unter ihnen schon die Suchmaschine zu finden, der es einmal gelingen wird, Google zu schlagen - so wie Google einst selbst den lange als unangreifbar geltenden Konkurrenten Altavista aus dem Feld geräumt hat?

Auch wenn Google und andere Suchmaschinen im Auffinden bestimmter Webseiten oder im Aufstöbern von Einkaufsgelegenheiten geradezu unheimlich gut sind, haben sie immer noch Probleme damit, komplexere Informationen zu finden. Informationsorientierte Anfragen jedoch machen 45 Prozent der Gesamtnutzung von Google & Co. aus. Unter den neuen Suchmaschinenanbietern, die hier ihre Chance sehen, gibt es zum Beispiel solche, die auf Menschen setzen statt auf Algorithmen. Beim neuen Dienst ChaCha etwa stehen menschliche Internet-Führer Suchenden beim Finden der richtigen Ergebnisse zur Seite. Und Wikia Search, die neue Suchmaschine des Wikipedia-Gründers Jimmy Wales, setzt darauf, dass die Kommentare und Wertungen der Nutzer langfristig zu einer neuen Qualität von Suchergebnissen führen werden (siehe Interview Seite 66).

Liegt hier also die Zukunft der Suche? "Ganz ehrlich: Google wird im Bereich der algorithmischen Suche kaum noch jemand schlagen. Auch wir nicht", sagt Thomas Servatius. Er ist leitender Produktmanager bei Lycos Europe in Gütersloh und hat den Dienst "Lycos IQ" mit aufgebaut, bei dem sich Nutzer gegenseitig ihre Fragen beantworten - auch eine Form der menschengetriebenen Suche. Lycos war früher eine renommierte Suchmaschine; jetzt geht es dem Unternehmen schlecht. Bemerkenswert aber ist, dass Lycos heute alles auf das Thema "Suche" setzt, um sich zu retten - nachdem der Suchschlitz hier wie anderswo jahrelang eher wie eine Dreingabe im Gemischtwaren-Angebot eines überladenen Webportals wirkte. Auf die Frage, ob mit IQ Geld verdient wird, antworten Servatius und sein Vorstandschef Christoph Mohn nur mit betretenem Schweigen. Schließlich, wie ein Eingeständnis, die Aussage: "Wir machen relativ wenig Werbung auf IQ." Aber dann erzählt Servatius von dem Plan, mithilfe von IQ seine Internetsuche zu verbessern und damit Marktanteile zu gewinnen. Hier wiederum ist durchaus Geld zu holen: Suchwortvermarktung hat sich in den letzten Jahren zur größten Werbekategorie im Internet überhaupt entwickelt.

Helfen sollen Lycos dabei jene Menschen, die IQ verwenden - indem sie ihre Beiträge mit Schlagworten, sogenannten "Tags", kennzeichnen. Diese wiederum sollen nicht nur für das Stöbern innerhalb der IQ-Webseiten eingesetzt werden, sondern zur Verbesserung der Suche im gesamten Netz. Indem eine Software die von Nutzern vergebenen Tags mit dem Inhalt der entsprechenden Seiten vergleicht, soll sie sich selbstständig sachliche Zusammenhänge erschließen - wie etwa, dass eine Klarinette ein Blas- und Musikinstrument ist. Dieses sonst verborgene implizite Wissen der Nutzer ließe sich dann etwa zur automatischen Ausweitung oder Eingrenzung einer Internetsuche benutzen.

Ob das so funktioniert? Die Einschätzungen darüber gehen auseinander. Lycos' Konkurrent Yahoo!, der Mitte der neunziger Jahre mit einem handselektierten Katalog von Webseiten gestartet war und erst seit 2003 mit einer eigenen algorithmenbasierten Suchmaschine Google die Stirn zu bieten versucht, unterhält mit "Answers" ebenfalls einen Frage-und-Antwort-Dienst. Außerdem verfügt Yahoo! über den gut laufenden Social-Bookmarking-Dienst Del.icio.us und die populäre Internet-Fototauschbörse Flickr. Auf allen drei Angeboten vergeben Benutzer Tags. Und dennoch: Tagging als Masseninstrument einsetzen zu wollen sei "zu hoch gegriffen", sagt Andreas Krawczyk, Leiter von Search & Social Media bei Yahoo Deutschland. Bislang werde das Wissen um begriffliche Zusammenhänge, wie es aus Tags generiert werden kann, nicht zur Unterstützung der allgemeinen Websuche bei Yahoo eingesetzt, "da Tags keine solide Grundlage bieten, um daraus Suchalgorithmen zu generieren."

Lycos ist dennoch zuversichtlich. Unter anderem mit Fördermitteln aus dem Theseus-Projekt (siehe Seite 72) will die Bertelsmann-Tochter ein Verfahren zur automatischen Klassifikation von Texten entwickeln. Das Verfahren soll in Kürze innerhalb von Lycos IQ getestet werden. In einem nächsten Schritt soll die gewaltige Menge von momentan zweihunderttausend verschiedenen Tags (zum Lesen einer Tageszeitung genügen rund 5000 Wörter) eingekocht werden. Mithilfe dieses Begriffnetzes... (bs)