Banker-Analyse: Technische Innovation frisst Arbeitsplätze auf

Ein Manager der Deutschen Bank hat die Wechselwirkungen von Technik und Jobmärkten beschrieben. Die düstere Diagnose des Bankers ähnelt überraschend der des Chaos Computer Clubs: Technik vernichtet mehr Arbeitsplätze als sie schafft.

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(Bild: DB Research)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Stefan Mey
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Zum ersten Mal seit der Industriellen Revolution vernichtet neue Technik mehr Arbeitsplätze als sie schafft. So lautet die Einschätzung von Aleksandar Kocic, der bei der Deutschen Bank in New York arbeitet. Er ist eigentlich ein hochrangiger Experte für Zinsfragen, nun sieht er in einem Aufsatz für die aktuelle Ausgabe der Analyse-Reihe Konzept die "Arbeit in der Krise – Arbeitsmärkte im Umbruch". In der Reihe sollen Bank-Mitarbeiter über den Tellerrand ihres Alltagsgeschäfts hinausblicken.

Innovationen seien für Arbeitnehmer etwas zwiespältiges, meint Kosic: "Innovation bedeutet jedoch auch einen geringeren Bedarf an Arbeitskräften, was wiederum zu sinkenden Löhnen und damit steigenden Gewinnen führt, die wiederum in neue Techniken investiert werden, die dann noch mehr Arbeitsplätze überflüssig machen." Und natürlich hat die Entwicklung auch nicht zu mehr Freizeit für die Arbeitnehmer geführt: "Allem technischen Fortschritt zum Trotz ist es daher noch zu keinem Rückgang der Arbeitszeiten gekommen."

Um trotz der bescheidenen Löhne die eigenen Lebenshaltungskosten zu stemmen und konsumieren zu können, bliebe Arbeitnehmern nur, Kredite aufzunehmen. Dadurch entstehe ein Teufelskreis: Kredite erfordern Zinszahlungen und führen wiederum zu steigenden Lebenshaltungskosten. Als Konsequenz müssten immer mehr Menschen immer länger arbeiten und teilweise sogar mehr als einen Job übernehmen. Das führe zu einem Überangebot an Arbeitskräften. Die Folge sind wiederum sinkende Löhne, eine noch stärkere Abhängigkeit von Krediten und weiter steigende Lebenshaltungskosten.

Vier Arbeitnehmer-Typen diagnostiziert Kocic im Zeitalter der "post-industriellen Wissensgesellschaft": Erfinder, Lehrende, Verkäufer und unqualifizierte Arbeitskräfte. Die Unqualifizierten haben sehr schlechte Aussichten. Sie sind leicht austauschbar, arbeiten in prekären Arbeitsverhältnissen und stehen geradezu ohnmächtig da: "Die Unternehmen haben maximale Flexibilität, auf Kosten der Arbeitnehmerschaft mit minimaler Verhandlungsmacht."

Die Tätigkeiten der ersten drei Gruppen der "Kopfarbeiter" könnten nicht völlig automatisiert werden. Aufgrund ihrer Qualifikationen können sie vernünftige Löhne aushandeln, was ihnen auch ermöglicht, Zeiten der Arbeitslosigkeit zu überbrücken. Aber auch sie schauen nicht unbedingt in eine rosige Zukunft. Unternehmen können aufgrund ihrer souveränen Verhandlungsposition klassische Anstellungsverhältnisse verschwinden lassen. Statt abgesicherter Arbeitsverträge gebe es dann temporäre Projektverträge unfreiwillig Selbständiger. Der Wandel von einer Arbeitnehmer- hin zu einer Arbeitgebergesellschaft habe seine Tücken: "Die tiefe Ironie liegt darin, dass dann jeder sein eigener Herr ist, aber viel arbeiten muss und wenig verdient."

Ganz neu ist die Einsicht in das Innovationsdilemma nicht. Im Herbst letzten Jahres hat Constanze Kurz vom Chaos Computer Club auf einem Gewerkschaftskongress gefragt, wie die "Automatisierungs-Dividende" sozial verträglich verteilt werden kann. Und bereits 2012 hat der CCC-Sprecher Frank Rieger das Problem so beschrieben: "Die Menschen konkurrieren mit immer geringeren Löhnen gegen immer billiger arbeitende Automaten."

Die Lösung war für Rieger, die Automatisierungsdividende zu vergesellschaften, nicht-menschliche Tätigkeit durch einen Umbau von Sozial- und Steuersystemen indirekt zu besteuern. "Roboter und Algorithmen müssen unsere Rente und ein allgemeines Grundeinkommen erarbeiten." Ganz so weit geht Kosic' Aufsatz dann doch nicht.

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(anw)