Solaranlage 2.0

Kraftwerksbetreiber nutzen die Energie der Sonne zunehmend, um Wasser für Dampfturbinen zu erhitzen. Die indirekte Stromerzeugung hat einige Vorteile.

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Von
  • Peter Fairley

Sonnenenergie lässt sich auf verschiedene Arten nutzen – die bekannteste ist die direkte Umwandlung in Elektrizität mit Hilfe der Photovoltaik. Investoren und Energiekonzerne interessieren sich zunehmend aber auch für einen zweiten Ansatz: Wärmekraftanlagen auf Basis von Solarenergie. Ihr Vorteil: Die Technik ist weniger aufwändig und lässt sich so je nach Einsatzbereich erstaunlich kostengünstig installieren. In den USA folgt derzeit ein großer Deal dem nächsten. Im Februar kündigte der spanische Solarenergieentwickler Abengoa Solar zusammen mit dem Versorger Arizona Public Service aus Phoenix an, eine 280-Megawatt-Anlage in der sonnenreichen US-Region aufzubauen. Zum Vergleich: Die bislang größte Photovoltaikanlage der Welt generiert gerade einmal 20 Megawatt.

Eine Solar-Wärmekraftanlage nutzt Spiegel, um das Sonnenlicht auf eine wärmeleitfähige Flüssigkeit zu konzentrieren, die dann wiederum verwendet wird, um Wasser zum Kochen zu bringen. Das treibt dann reguläre Dampfturbinen an. Im letzten Jahr sammelten Spezialfirmen wie Abengoa, Ausra und Solel Solar Systems zweistellige Millionenbeträge an Investitionsmitteln und Lieferverträgen ein – und große US-Energieversorger wie Pacific Gas and Electric oder Florida Power and Light waren ganz vorne dabei. Bis 2013 sollen die aktuell in den USA und in Spanien in Entwicklung befindlichen Projekte fast 6000 Megawatt an zusätzlicher Leistung bringen – aktuell sind es weltweit gerade einmal 100 Megawatt, wie aus Zahlen des US-Beratungsunternehmens Emerging Energy Research hervorgeht.

Spannend sind Solar-Wärmekraftanlagen vor allem aus zwei Gründen. Der erste: Solche Anlagen skalieren gut, lassen sich also im großen Maßstab kostengünstig aufsetzen. Severin Borenstein, Direktor des Energieinstituts der University of California, glaubt, dass die Technik Jahrzehnte vor der Photovoltaik mit bisherigen Formen der Stromerzeugung wirtschaftlich mithalten können wird – und zwar selbst dann, wenn Klimagasemissionen (wie allgemein gefordert) nicht deutlich stärker besteuert werden.

Auch gegenüber dem Windbereich will man punkten, der bei den erneuerbaren Energieformen derzeit am schnellsten wächst. Laut US-Energieministerium kostet Windenergie rund acht US-Cent pro Kilowatt, während der Preis bei Solar-Wärmekraftanlagen aktuell bei 13 bis 17 US-Cent liegt. Allerdings fluktuiert die Energieausbeute von Windfarmen ständig, während die Solar-Wärmeanlagen Energie als Hitze vorhalten können, die sich wesentlich leichter speichern lässt als Elektrizität. Kraftwerke können diese Energie dann abrufen, sobald sie sie brauchen – egal ob die Sonne nun scheint oder nicht. "Das dürfte für viele eine sehr große Summe wert sein", meint Terry Murphy, Präsident und CEO von SolarReserve, einem Sonnenenergie-Entwickler aus dem kalifornischen Santa Monica. "Den Leuten wird langsam klar, dass die ständige Abrufbarkeit von passenden Energiemengen für die Stromkonzerne von herausragender Bedeutung ist, um ihre Systeme im Griff zu behalten."

Die Möglichkeit, Energie zwischenzuspeichern, ist denn auch ein kritischer Punkt für die Wirtschaftlichkeit der Solar-Wärmekraftanlagen. Gäbe es die Speicher nicht, müsste man Turbinen anschaffen, die groß genug sind, auch Spitzenlastwerte zu vertragen, die auftreten, wenn die Sonne am stärksten scheint. Den Rest des Tages wären diese Kapazitäten jedoch verschwendet. Speicherbare Hitze bedeutet nun, dass sich problemlos auch kleinere, billigere Dampfturbinen nutzen lassen, die mehr Stunden des Tages stets mit gleicher Last laufen können. Während solche Zwischenspeicher bei Photovoltaik-Anlagen oder Windfarmen reine Zusatzkosten pro Kilowatt bedeuten, senken sie bei Solar-Wärmekraftanlagen den Strompreis.

Die Menge an Speichertechnik, die eine Anlage benötigt, hängt stark davon ab, wie hoch die Investitionskosten sein sollen und welche genaue Nachfrage es bei den Stromkonzernen gibt. (Gemessen wird die Kapazität in Stunden, die die Dampfturbinen zusätzlich mit voller Kraft laufen können, auch wenn die Sonne nicht mehr scheint.) "Es gibt dabei einen optimalen Punkt, der zwischen drei und sechs Stunden liegen kann – je nachdem, wann der Kilowattstundenpreis am niedrigsten ist", sagt Fred Morse, der Abengoa Solar in den USA federführend berät. Die geplante 280-Megawatt-Anlage in Arizona, die bis 2011 ans Netz gehen soll, wird sechs Stunden Speicherkapazität besitzen, während andere Projekte gar sieben bis acht Stunden vorsehen.

Obwohl sich die Technik schnell verändert, setzen die meisten Anlagen doch grundlegend auf die gleichen Speichermethoden: Tanks mit geschmolzenem Salz, das bei Temperaturen über 565 Grad Celsius flüssig bleibt. "Man kann grundsätzlich von zwei Tanks sprechen, zwischen denen diverse Wärmetauscher, Röhren und Pumpen verlegt sind", sagt Morse. Um einen Begriff von den Dimensionen zu erhalten: Die 50-Megawatt-Anlage, die das deutsche Unternehmen Solar Millennium im spanischen Granada baut, nutzt 28.500 Tonnen geschmolzenes Salz – in Zwillingstanks, die einen Durchmesser von 38,5 Metern haben und gut 14 Meter hoch sind.

So beliebt die Lösung mit dem geschmolzenen Salz auch ist – Entwickler experimentieren parallel mit weiteren Methoden. So ist noch unklar, welche Technik zur Aufnahme der Sonnenenergie überhaupt die beste ist. Auch bietet sich die Integration von Hitzeaufnahme und Speicherung an. Die Abengoa-Anlage setzt auf ein so genanntes Trough-Design, bei dem lange Reihen von Parabolspiegeln das Sonnenlicht auf mit Glas umhüllte Röhren lenken, die ein Wärmeleitöl wie Therminol enthalten. Ein Teil dieses erwärmten Öls erhitzt das flüssige Salz in den Tanks, während der Rest direkt zur Dampferzeugung eingesetzt wird. Hank Price, Vizepräsident für Technologieentwicklung bei Abengoa Solar, erläutert, dass sich die Gestaltung der Anlage damit am heute am häufigsten eingesetzten Design orientiert. Fortschritte habe es vor allem bei der Gestaltung der Glasröhren gegeben. Absorptionsschichten aus Keramikmaterial und Metall hätten die Menge an Hitze, die sich so einfangen lasse, derart gesteigert, dass man heute 30 Prozent mehr Energie produzieren könne als mit Anlagen der ersten Generation, die in den frühen Neunzigerjahren entstanden.

Bei SolarReserve entwickelt man hingegen ein System, bei dem das geschmolzene Salz direkt erhitzt wird. Dazu werden so genannte "Power Tower" geschaffen – Türme, auf die zahlreiche Spiegel das Sonnenlicht richten. SolarReserve ist ein im Januar gestartetes Joint-Venture zwischen der aufs Energiegeschäft konzentrierten Investmentbank U.S. Renewables Group und dem Luft- und Raumfahrtkonzern Hamilton Sundstrand. Dessen Tochter Rocketdyne baute bereits entsprechende Demonstrationsanlagen in den frühen Neunzigerjahren – mit immerhin zehn Megawatt.

SolarReserve-Mann Murphy glaubt, dass sich Power Tower-Systeme kostengünstiger errichten lassen werden als das klassische Trog-Design – so müssen keine kilometerlangen Glasröhren mehr verlegt werden. Auch der erzeugte Dampf soll qualitativ hochwertiger sein – das Salz wird direkt auf 565 Grad erhitzt – 165 Grad heißer als das Öl in den Trog-Anlagen.

Die verbesserte thermodynamische Effizienz dürfte auch stets dann nützlich sein, wenn Anlagen, die in heißen, trockenen Wüstenregionen aufgebaut wurden, aufgrund von Wasserknappheit den Dampf nicht mehr auf diesem Wege kühlen können. (Heißer Dampf, der die Turbinen verlässt, muss heruntergekühlt werden und kondensieren, um ihn erneut verwenden zu können.) Alternative Kühlmethoden benötigen mehr Energie, was die Effizienz der Gesamtanlage drückt. Je heißer eine Anlage läuft, desto geringer sei jedoch der Verlust, sagt Murphy. "Bei uns werden es 3 bis 4 Prozent sein, beim Trog-Design hingegen 7 bis 8."

Auch Abengoa-Mann Price gibt zu, dass die Power Tower-Idee thermodynamische Vorteile hat – seine Firma habe deshalb auch eine Demonstrationsanlage in Spanien mit zehn Megawatt gebaut und arbeite an einer zweiten mit 20 Megawatt. Der Experte glaubt aber nicht, dass die Investoren den direkten Sprung von 100 auf 200 Megawatt-Anlagen mit dem neuen Design unterstützten werden, wie es von SolarReserve geplant ist. "Es gibt hohe technische Risiken bei diesem Schritt. Wir müssen unsere Anlagen so ausbauen, dass es stets wirtschaftlich tragbar bleibt." (bsc)