Nanopapier aus organischem Anbau

Schwedische Forscher haben aus Cellulose Nanofasern hergestellt, die sich zu einem äußerst robusten Papier verarbeiten lassen, dass sogar reißfester als Gusseisen ist – und ökologisch unbedenklich im Vergleich mit anderen Nanomaterialien.

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Von
  • Prachi Patel-Predd

Nanoforscher betonen gerne, dass die Natur eine wahre Quelle der Inspiration für die Entwicklungen von Nanotechnologien sei. Nicht immer muss das ein schlichtes Nachahmen biologischer Prozesse sein. Manchmal führt auch die geschickte Veränderung natürlicher Materialien zu interessanten Entdeckungen: Schwedischen Forschern ist es gelungen, aus Holzstoff Cellulose-Nanofasern zu erzeugen und diese zu einem porösen Gewebe zu verbinden, aus dem sich ein neuartiges „Nanopapier“ herstellen lässt. Das ist nicht nur siebenmal so fest und dreimal so elastisch wie herkömmliches Papier, sondern auch fester als Gusseisen und Knochen.

Es könnte als Verpackungsmaterial, Filter, Membrane oder sogar zur Fertigung von Auto- und Flugzeugteilen eingesetzt werden. „Holzstoff gibt es in Hülle und Fülle. Daraus könnte man bedeutende Mengen an Nanofasern produzieren“, sagt Lars Berglund, Materialforscher am Königlichen Technik-Institut in Stockholm und Co-Autor eines Papers im Journal Biomacromolecules, in dem die Fasern beschrieben werden.

Cellulose besteht aus einer steifen Kette von Glukose-Molekülen und ist eines der häufigsten natürlichen Polymere: In Baumwolle macht es 90 Prozent des Materials aus, in Holz die Hälfte. In Form von fünf bis zehn Nanometern dicken Fasern, die aus verdrillten Cellulose-Strängen bestehen, bildet es die Zellwände von Pflanzen. Um daraus herkömmliches Papier zu machen, werden Holzschnitzel erhitzt und mit Chemikalien oder mechanischer Krafteinwirkung zu Holzstoff verarbeitet. Hierin liegt Cellulose als 30 Mikrometer dicke Faserbündel vor, die sich dann miteinander zu einem Blatt verflechten lassen.

Die Dicke der neuen Cellulose-Nanofasern beträgt hingegen nur ein Tausendstel dessen, zwischen 10 und 40 Nanometern. „Sie sind ziemlich robust und haben ähnliche Materialeigenschaften wie Kevlar“, sagt Berglund. Kevlar sind äußerst reißfeste Kunstfasern, die etwa für schusssichere Westen genutzt werden. Bei den Cellulose-Nanofasern kommt die Reißfestigkeit durch eine starke Bindung zwischen Hydroxyl-Gruppen und Sauerstoffatomen an den Fasern zustande. Selbst wenn derartige Bindungen aufgrund einer plötzlichen äußeren Einwirkung reißen, bleiben die Materialdefekte so klein, dass das Nanopapier seine Festigkeit nicht verliert. Es ist fast doppelt so viel Kraftaufwand wie bei Gußeisen nötig, um es reißen zu lassen.

Für die große Elastizität wiederum sind die Poren im Fasergewebe veranwortlich. Zieht man am Nanopapier, können die Fasern sich in dem Leerraum gegeneinander verschieben. „Deshalb können Sie das Papier bis zu zehn Prozent überdehnen, bevor es reißt“, sagt Berglund. Bei herkömmlichem Papier liege die maximale Überdehnung bei drei bis vier Prozent.

Um das Nanopapier herzustellen, wird zunächst Holzstoff mit Enzymen behandelt und gemahlen. Dabei spaltet sich der Holzstoff in Cellulose-Mikrofasern auf. Die werden dann unter hohem Druck und mit hohen Geschwindigkeit durch mikrofluidische Kanäle gejagt. Heraus kommt eine gleichmäßige Suspension aus Cellulose-Nanofasern in Wasser. Anschließend wird diese Suspension durch einen Filter geschickt, wobei ein Gel entsteht. Das wird schließlich zu 100 Mikrometer dicken Papierblättern gepresst.

Entscheidend für deren Festigkeit ist laut Berglund, dass die Fasern in der wässrigen Suspension ganz gleichmäßig verteilt sind. Auch die Größe der Poren spielt eine Rolle. Je größer sie sind, desto belastbarer wird das Papier in der Fläche und desto reißfester bei Überdehnung in der Länge.

Seit längerem versuchen Nanoforscher, Polymere mit Nanomaterialien wie keramischen Nanoteilchen, Kohlenstoff-Nanoröhren (Nanotubes) oder Graphen – Kohlenstoffschichten von der Dicke eines Atoms – zu kombinieren und damit herkömmliche Füllstoffe wie Glasfasern oder Rußpartikeln zu ersetzen. Während die Herstellung von Nanotubes noch immer teuer und aufwändig ist, ist Cellulose billig und leicht zu gewinnen. „Cellulose ist ein hervorragender Füllstoff, weil es ein erneuerbares Material ist“, sagt Chris Weder, Werkstoffkundler von der Case Western Reserve University in Cleveland im US-Bundesstaat Ohio. „Das ist ein großartiges Beispiel dafür, wie man Werkstoffeigenschaften mit Hilfe von Nanokompositen maßschneidern kann.“ Allerdings komme es nun darauf an, wie sich das Nanopapier verhält, wenn es nass wird, schränkt Weder ein.

Die Cellulose-Nanofasern haben zudem den Vorteil, als Naturstoff ökologisch unbedenklich zu sein. Nanotubes, die als vielversprechendes Material für zahlreiche Anwendungen im Gespräch sind, darunter als Fasern für extrem reißfeste (und auch elektrisch leitfähige) Folien, stehen hingegen im Verdacht, auf Zellen und Mikroben toxisch zu wirken. Einige Studien haben gezeigt, dass zumindest sehr lange Nanotubes eine ähnliche Wirkung wie Asbest haben können. Andere kamen allerdings zu dem Ergebnis, dass Verunreinigungen durch die bei der Herstellung verwendeten Katalysatoren für eine toxische Wirkung verantwortlich sein könnten. Derartige Risiken sind bei Cellulose-Fasern nicht zu befürchten. (nbo)