Bildschirm mit Augen

Der Spezialhersteller Reactrix geht über berührungsempfindliche Displays hinaus: Er entwickelt Geräte, die auf Fingerzeig reagieren - für die Werbung.

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Von
  • Kate Greene

Wenn es nach dem Spezialanbieter Reactrix Systems geht, steht eine Revolution in der Außenwerbung bevor: Er will die überall in unseren Städten verteilten Plakate durch interaktive Displays ersetzen, mit denen der Betrachter interagieren kann. Zusammen mit dem koreanischen Elektronikriesen Samsung hat man bereits ein kleineres Modell der Technik für die Lobby von Häusern der Hilton-Kette entwickelt. Der 57 Zoll große Bildschirm kann seine Betrachter "sehen", auch wenn diese 4 Meter 50 von ihm weg stehen. Das Gerät erkennt Handbewegungen: Mit einem Wink lassen sich Spiele spielen, Menüs durchwandern oder Kartendienste aufrufen.

Dank der aktuellen Welle neuartiger Bedienschnittstellen von Nintendos Videospielekonsole Wii bis hin zu Apples iPhone-Handy seien die Leute "wesentlich offener, mit ihren Händen mit Hilfe von Gesten mit Technik zu interagieren", meint Matt Bell, Gründer von Reactrix. Im Bereich von Videospielen und virtuellen Welten hätten sich gestenbasierte Steuerungsmöglichkeiten längst etabliert. Reactrix neuer Dreh: Die Firma will die Technologie in den Bereich der so genannten "Out of Home"-Medien holen, der traditionell von großen, statischen Plakatflächen dominiert wird. Erste Erfahrungen konnte das Unternehmen, das 2001 gegründet wurde, bereits sammeln: So sind mehrere US-Shopping Malls mit auf dem Boden installierten interaktiven Bildschirmen ausgestattet, die die Besucher zu den Attraktionen führen sollen.

Die Grundidee hinter dem Reactrix-System, die sich auch einfachere Geräte wie Sonys Playstation-Steuergerät "Eye" zunutze machen, ist der Einsatz einer Kamera zur Erkennung des Körpers des Nutzers. Bilderkennungsalgorithmen versuchen dann, daraus die richtigen Signale abzuleiten. Im Gegensatz zu Playstation Eye & Co. nutzt Reactrix allerdings die Möglichkeit, dreidimensionale Bilder aufzunehmen. Entsprechende Kameras existieren inzwischen in breiter Auswahl, sagt Bell. Beim aktuellen Projekt setze man nun auf ein Modell von Samsung, dessen Stereoskoptechnik mit zwei Linsen arbeite. Neben der Kamera befindet sich noch eine Infrarotlichtquelle, die ein unsichtbares Muster auf die Personen vor dem Bildschirm projiziert. Jede Linse nimmt einen leicht veränderten Winkel von dem auf, was vor dem Displays passiert. Basierend auf den Unterschieden zwischen diesen beiden Bildern kann das System Entfernungen ermitteln – mit einer Genauigkeit, die deutlich unter 2,5 Zentimetern liegt. Das projizierte IR-Lichtmuster helfe dem System, auch bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen noch gut zu funktionieren, sagt Bell.

Die von der Kamera gesammelten Informationen werden dann an einen Spezialprozessor weitergegeben, der die Positionsdaten auswertet. Eine Softwarelösung ist dafür nicht notwendig, denn die wäre wahrscheinlich auch zu langsam. "Sobald das erledigt ist, haben wir ein Bild, das die Tiefeninformationen von jedem einzelnen Objekt enthält." An dieser Stelle greift dann ein von Reactrix selbst entwickelter Algorithmus. Im Gegensatz zu Konkurrenzverfahren wie dem der belgischen Firma Softkinetic, das sich auf die Bewegungen einzelner Körperteile konzentriert, versucht Reactrix, einzelne Menschen und Objekte auseinander zu halten. Der Code könne beispielsweise unterscheiden, ob ein Nutzerpaar sich an den Händen hält oder Schulter an Schulter steht. Neben der passenden Hardware und den richtigen Algorithmen will Reactrix auch die bestmögliche Nutzerschnittstelle anbieten. Touchscreen-Systeme existieren schließlich schon länger, doch noch immer ist unklar, wie diese für die meisten Nutzer am besten funktionieren. Es gibt einige Vorgänge, bei denen sich Gestenschnittstellen besonders gut eignen – beispielsweise Boxspiele oder das Bewegen von Bildern über den Schirm. Über die Nutzung virtueller Knöpfe sind sich Interaktionsforscher jedoch beispielsweise noch nicht einig. Das mag nach einem einfachen Problem klingen, doch es ist schwer für den User, einen Knopf zu bedienen, wenn es eigentlich nichts zu drücken gibt. "Wir sehen uns derzeit vor der spannenden Aufgabe, zu definieren, wie Standardgesten im Umgang mit solchen Bildschirmen aussehen sollen", meint Bell. Seine Firma wolle zu denjenigen gehören, die hier an vorderster Front mitmischten.

Der für die Hilton-Hotels geplante Bildschirmtyp soll es Reisenden erlauben, Spiele zu spielen, sich örtliche Touristenattraktionen anzusehen und über Menüs weitere Informationen zu erhalten. Auf diese Art werde der Nutzer in die Werbung eingebunden, und müsse nicht passiv Broschüren wälzen.

Mit den Boden-Displays, die Reactrix bereits in US-Malls installiert hat, habe das Unternehmen gezeigt, dass interaktive Marketinglösungen auch bei großen Nutzergruppen funktionieren könnten, lobt Softkinetic-Chef Michel Tombroff. Er erwarte ein Wachstum des Marktes auch für sein Unternehmen, weil 3D-Kameras immer billiger werden.

Scott Klemmer, Professor für Computerwissenschaften an der Stanford University, meint, Wissenschaft und Technik hätten bei Kameras und Bilderkennungssystemen in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. "Das wird zu einem neuen Genre von Nutzerschnittstellen führen."

Sinkende Preise bei Kameras und ihre Miniaturisierung seien ein Hauptgrund, warum Reactrix mit Samsung zusammenarbeite, meint Bell. Der Bildschirmhersteller weiß wie man einen preisgünstigen und kompakten Weg finden kann, Kameras in bestehende Displays zu integrieren, glaubt der Firmenchef. Dazu passten nun noch die Reactrix-Prozessoren und die Software. Nach dem Versuch in den Hilton-Hotels sollen weitere Anwendungen folgen. (bsc)