Die Party geht weiter

Die Start-up-Messen "DEMO Fall" und "TechCrunch50" treiben in Kalifornien rund 120 neue Firmen über die Bühne.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Steffan Heuer
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Die Wall Street mag taumeln, die Arbeitslosigkeit auf einem Rekordhoch stehen und die US-Regierung als Retter in der Not für große Hypothekenbanken einspringen, aber an der Westküste der USA dreht sich das Internet-Karussell unvermindert weiter: Anfang dieser Woche gingen bei der alljährlichen DEMO-Konferenz in San Diego 72 neue Firmen an den Start. In San Francisco jagte die Konkurrenzveranstaltung TechCrunch50 noch einmal 50 Start-ups über die Bühne und pferchte weitere rund 120 Neugründungen in eine Ausstellungshalle, in der sonst Mode- und Stoffdesigner ihre Waren feilbieten.

Ein Sammelbegriff für den bunten Reigen an Neugründungen ließ sich nicht finden, denn die Angebote reichen von Kollaborationswerkzeugen für Verbraucher und Unternehmen über Hardware, die mehr Energie-Effizienz und schnelleren Datendurchsatz versprechen, bis zu jeder Menge Web-Services, die einander oft zum Verwechseln ähnlich sehen. Dementsprechend harsch fielen die Online-Kommentare zu vielen der neuen Firmen aus, von denen zahlreiche bereits auf anderen Tech-Messen vorgestellt worden waren und nun einen zweiten Anlauf unternahmen, sich noch einmal als neu und vermeintlich revolutionär zu präsentieren.

Viele der neuen Angebote machen das Internet zu einer Art Flohmarkt, auf dem jeder Hobby-Fotograf, Musiker und selbst Pendler zum Mikro-Unternehmer wird. Die soziale und die mobile Komponente sind dabei nicht mehr wegzudenken: Nur wenige Präsentationen in San Diego kamen ohne eine Erwähnung oder den Einsatz des gut programmierbaren iPhone aus. Trotz seines bislang eher kleinen Marktanteils hat sich das Apple-Gerät als neuer Gold-Standard für mobile Anwendungen etabliert.

Die DEMO-Konferenz stand in ihrem 23. Jahr in direkter Konkurrenz mit einer beinahe identischen Veranstaltung des Trend-Blogs TechCrunch. Das hatte für seine zweite Start-up-Schau absichtlich exakt denselben Termin gewählt und sparte im Vorfeld nicht mit Häme und persönlichen Attacken gegen den Traditionsveranstalter in San Diego. Beide Ausrichter meldeten am Ende eine volle Halle: mehr als 800 Teilnehmer in San Diego und angeblich beinahe doppelt so viele in San Francisco, die in der Spitze rund 3000 Dollar Eintrittsgebühr zahlten, um Gründer von Taiwan bis Israel zu begutachten. TechCrunch kombinierte mit MySpace-Parties und frisch gebackenen Promi-"Unternehmern" wie dem Schauspieler Ashton Kutcher Teenie-Prominenz mit dem Thema Web-Gründerfieber, während sich DEMO wie gewohnt auf kurze Präsentationen ohne Prominenz konzentrierte.

DEMO-Chefin Chris Shipley konnte das Web-Gewusel dennoch auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Web 2.0 habe sich zu einem "Sammelbegriff für Werte entwickelt", erklärte sie. "Er steht für Seiten und Geschäftsmodelle, die auf der Basis von Open Source und offenen Programmschnittstellen (APIs) entwickelt wurden. Er steht für den effizienten Umgang mit Kapital, virales Wachstum und kostenlose Nutzung." Diese Werte haben laut Shipley eine Hype-Blase, aber keine spekulative Blase genährt. "Es gibt nur wenige Web-2.0-Millionäre. In diesem Konjunkturzyklus gibt es mehr Ruhm, aber keineswegs mehr Reichtum."

Bislang ist es den Firmen des "social web" noch nicht gelungen, aus ihrer Nabelschau auszubrechen, kritisierte die Tech-Veteranin, die jedes Jahr 1.500 Neugründungen in aller Welt besucht, um 140 für zwei DEMO-Shows auszuwählen. Ein Mangel an Transparenz, Vertrauen, einfachem Zugang und wirklicher Auswahl hindert ihrer Ansicht nach die meisten Web-2.0-Firmen daran, die wirklich breite Masse zu erreichen. "In der nächsten Phase werden diese Barrieren abgebaut", so Shipley. In der nahen Zukunft werde sich deshalb alles um das "verteilte Web" drehen, in dem Inhalte jeglicher Form im Handumdrehen per automatischem Abonnement für eine Vielzahl unterschiedlicher Geräte, Nutzer und Anlässe umformatiert, gezielt verschickt und zu Geld gemacht würden.

Beispiele dafür gab es in San Diego wie San Francisco reichlich zu besichtigen. So stellte die irische Firma Mapflow ihren Avego-Dienst vor, mit dem jeder Autofahrer seine ungenutzten Sitzplätze zur Web-basierten Mitfahrerbörse machen kann. Wer sich registriert, kann seine Routen publizieren und wird per SMS oder E-Mail auf Fahrgäste entlang seiner Strecke aufmerksam gemacht. Als Schnittstelle dient eine zuerst nur für das iPhone 3G entwickelte Software, die später auch für andere Smartphones und im Wagen eingebaute Navigationsgeräte angepasst werden soll, so Mapflow-Geschäftsführer Sean O'Sullivan.