Gezielt zu mehr Ertrag

Eine genaue Beschäftigung mit den Gegebenheiten vor Ort kann die Ernte verbessern und die Umwelt schonen. Jetzt wachsen technische Systeme zusammen, die dieses Potenzial nutzen.

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Von
  • Uta Deffke
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Gezielt zu mehr Ertrag (5 Bilder)

Auf Kante gemäht:

Ein Lasersystem am Schneidwerk des Mähdreschers sorgt für eine geringe Überdeckung der Bahnen. (Bild: Bild: Frank Schinski)

Störche segeln über das reife Roggenfeld, 44 der seltenen Vögel hat Helge Klamke am Tag zuvor gezählt. In der Mittagshitze ziehen zwei Mähdrescher unverdrossen ihre schnurgeraden Bahnen, umhüllt von einer Wolke aus Staub und Stroh. Was vom Feldrand nicht zu sehen ist: Eine kleine GPS-Antenne auf dem Dach der Mähdrescher hält wie eine virtuelle Nabelschnur Verbindung zu Satelliten im All, ein Laser ortet die Schnittkante auf dem Feld, eine Kamera überwacht den Getreideschacht, weitere Sensoren messen im Bauch der stählernen Ungetüme den Zustand von Ernte und Maschine – die Fahrerkabine ist nicht nur gut klimatisiert und gegen Staub geschützt, sie ist geradezu vollgestopft mit Elektronik.

Auf seinem Monitor hat Klamke alles im Blick: Drehzahl der Schneidetrommel, Geschwindigkeit, Häckslerauslastung, Feuchtegrad des Getreides, abgeerntete Mengen und dank GPS die aktuelle Position der Maschine. Klamke sitzt nicht auf dem Bock des Mähdreschers, sondern an seinem gut aufgeräumten Schreibtisch einige Kilometer entfernt. Nur die Geweihe an den Flurwänden und die Strohkränze, die reich geschmückt von der Decke baumeln, lassen erahnen, dass es hier naturnäher zugeht als in irgendeiner Stadtverwaltung. Klamke ist Betriebsleiter bei Wimex, einem landwirtschaftlichen Großbetrieb in Wulfen bei Köthen in Sachsen-Anhalt.

350 Leute arbeiten hier auf 6500 Hektar Ackerland und in der Bruteier-Produktion. Und der Agraringenieur kann überall live dabei sein. Manchmal loggt er sich mit seinem Laptop noch spät abends von zu Hause ins System ein, um sich über den aktuellen Stand der Produktion, über Betriebs- und Pausenzeiten der Maschinen zu informieren und die Einsätze des nächsten Tages zu planen. "Es ist ein bisschen wie Big Brother", gesteht Klamke, "aber die Leute wissen Bescheid, und sie wissen, worum es geht."

Um die Zukunft der Landwirtschaft nämlich, konkreter um "Precision Farming", also eine genauestens auf das Potenzial und den Bedarf von Teilflächen abgestimmte Bewirtschaftung. "Vor zehn Jahren haben wir damit angefangen", erzählt Klamke, "wir haben hier massive Probleme mit Trockenheit, und die Qualität der Böden variiert schon innerhalb eines Feldes." Während die konventionelle Landwirtschaft nach dem Gießkannenprinzip auf jedem Feld einheitlich sät, bewässert, düngt oder spritzt, soll das neue System die Bedürfnisse von Boden und Pflanzen möglichst individuell berücksichtigen. "Damit ist es möglich, ökonomischer und ökologischer zu wirtschaften", sagt Armin Werner, stellvertretender Direktor des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg bei Berlin. Berechnungen und erste Erfahrungen haben nach seinen Worten ergeben, dass mit Precision Farming bis zu zwanzig Prozent der Düngemittel und fünfzig Prozent der Pestizide eingespart werden können – und das bei gleich bleibendem Ertrag.

Wer wie Klamke jede Pflanze optimal versorgen will, muss möglichst viel über ihren aktuellen Zustand und die Beschaffenheit des Ackers wissen. Die digitalen Karten, in denen auf wenige Quadratmeter genau der Ertrag der Vorjahre verzeichnet ist, sind ein gutes Indiz für die allgemeine Beschaffenheit des Bodens. Der wird zunächst mit einer Grunddüngung aus Phosphor, Kalium und Magnesium versorgt, entsprechend seines Potenzials lässt sich dann die richtige Pflanzendichte bei der Aussaat einstellen. Feuchtigkeitssensoren im Acker ermitteln später, gekoppelt an eine kleine Wetterstation und eine Beregnungsanlage, wie viel künstliche Bewässerung erforderlich ist.

Die Leitfähigkeit des Bodens liefert Informationen über die Nährstoffversorgung. In einem kleinen Serverraum der Firma Agro-Sat Consulting in Baasdorf, zehn Kilometer südlich von Wulfen, laufen auch die Daten von Wimex zusammen. Agro-Sat ist ein Geoinformationsdienstleister für landwirtschaftliche Betriebe. "Hier liegt unser wertvollster Schatz", sagt Antje Reh und zeigt auf ihren Computer. Reh und ihre Kollegen kaufen Satellitendaten oder machen eigene Luftaufnahmen und verknüpfen sie mit den Messdaten, die von den Feldern der Kunden kommen. Zur Ergänzung geben sie Bodenproben in Auftrag, nutzen Höheninformationen und greifen auf alte Karten aus der Reichsbodenschätzung der 30er-Jahre zurück. In diesen sind auf kleinen Parzellen detaillierte Daten über die Bodenarten verzeichnet.