Helm misst Einschläge

US-Forscher entwickeln einen kostengünstigen Sensorstreifen, der bei Sprengstoffanschlägen im Irak die Auswirkungen auf das Gehirn betroffener Soldaten messen kann.

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Von
  • Brittany Sauser

Seit dem Beginn des US-Feldzuges im Irak kehren immer mehr Soldaten mit einer ganz bestimmten Kriegsverletzung in die Heimat zurück: Hirntraumata. Diese werden zumeist bei der Explosion unkonventioneller Spreng- und Brandvorrichtungen (improvised explosive devices, IEDs) oder von Panzerabwehrraketen hervorgerufen, die auf die Kämpfer niedergehen. Erkennung und Diagnose der Erkrankung sind oft nicht einfach, zumal die jeweilige Schwere der Explosion zumeist unbekannt ist.

Um solche komplexen Gehirnverletzungen besser zu verstehen, hat die US-Militärforschungsbehörde DARPA einen mit fünf Millionen Dollar dotierten Forschungsauftrag an das Palo Alto Research Center (PARC) in Kalifornien vergeben. Dort soll in den nächsten drei Jahren ein Sensorstreifen aus Kunststoff entwickelt werden, der sich an den Helm eines Soldaten kleben lässt, um bei einer Explosion die Stärke der Traumata zu messen. Der Streifen, der weniger als einen Dollar pro Stück kosten soll, besteht aus einem flexiblen Kunststoffsubstrat. Er speichert sieben Tage lang alle Informationen und wird nach Gebrauch durch einen neuen Streifen ersetzt.

IEDs erzeugen starke Schockwellen, die sich mit einer Geschwindigkeit von rund 300 Metern pro Sekunde bewegen, also fast Schallgeschwindigkeit erreichen. Eine solche Explosion kann schwere Hirnschäden verursachen, die oft erst Wochen später diagnostiziert werden, wenn der Soldat wieder zuhause ist. "Das ist DIE Kriegsverletzung im Irak. Um sie zu verstehen, brauchen wir deutlich mehr Daten", meint Kevin "Kit" Parker, Juniorprofessor für Biomedizintechnik an der Harvard University und Reservist der US-Armee, der als Captain selbst zwischen 2002 und 2003 im Süden Afghanistans diente.

Im letzten Jahr vergab das Militär einen Vertrag in Höhe von einer Million Dollar an den Hersteller Simbex, der solche Sensoren direkt in Helme einbauen sollte. Das Problem: Die Technik erwies sich als zu teuer und deshalb auf dem Schlachtfeld als nicht zu gebrauchen.

Der Sensorstreifen, den die PARC-Forscher nun entwickeln, wird deshalb mit einem deutlich einfacheren Tintenstrahl-Druckverfahren hergestellt, wie es sonst in der Produktion großflächiger Elektronik verwendet wird, etwa beim Bau von Flachbildschirmen, RFID-Tags, Solarzellen oder elektronischem Papier. Um die Komponenten auszudrucken, also Speicher, Sensoren und Elektronik, bringt der Drucker lösungsbearbeitete Materialien wie organische Halbleiter, Polymer-Nichtleiter und Metallnanopartikel auf dem Kunststoffsubstrat auf.

Der Streifen benötigt eine Fläche, die nicht größer als ein Vier-Zoll-Standardverband ist. Er kann mindestens um ein Zoll gebogen werden und ist damit klein und leicht genug. Die Sensoren auf dem Streifen beinhalten Geschwindigkeitsmesser, Sensoren für Druck, Schall und Licht sowie ein Thermometer. "Niemand weiß bislang, welche Parameter-Kombination am besten dazu geeignet ist, die schwerwiegenden Gehirnverletzungen zu beschreiben, die bei einer IED-Explosion entstehen", sagt Jennifer Ricklin, Programmmanagerin beim Sensor Tape-Programm der DARPA.

Ein alarmierendes Problem sei, dass Soldaten, die sich von einer ersten Explosion noch nicht ganz erholt hätten, gleich einer weiteren ausgesetzt würden, meint Robert Cantu, Neurochirurg am Emerson Hospital und Professor für Neurochirurgie an der Boston University School of Medicine. "Das kann zu einem zweiten Einschlagssyndrom führen, dessen Mortalität bei 50 Prozent liegt." Auch seien permanente Gehirnerschütterungssymptome nicht selten, die sich nie wieder ganz zurückziehen – Kopfschmerzen, Schlafprobleme, Depressionen oder Gedächtnis- und Konzentrationsschwäche.

Daten aus dem Sensorstreifen sollen mit einem Gerät ausgelesen werden, das am PARC gerade entwickelt wird. Es soll es sehr leicht machen, die vollständige Kranken- und Verletzungsgeschichte eines Soldaten im Blick zu behalten, alle Daten werden mit seiner elektronischen Akte verknüpft. Gehen die Traumata über ein gewisses Maß hinaus, muss der Patient dann nachuntersucht und behandelt werden. DARPA-Frau Ricklin erwartet, bis Frühjahr 2009 rund 25 Prototypen zur Verfügung zu haben, ein Feldtest mit 1000 Geräten ist spätestens für 2010 geplant.

Das DARPA-Programm, das sich derzeit in der Anfangsphase befindet, will auch die medizinischen Schäden genauer untersuchen, die IEDs im neurologischen System anrichten, um festlegen zu können, bei welchen Explosionstypen die Gefahren am größten sind. "Der Sensorstreifen ist zum Erfassen dieser Daten ein ungemein notwendiger technologischer Schritt", meint Harvard-Experte Parker. (bsc)