"Das ist wie ein biologischer Bastelkasten"

Beim "International Genetically Engineered Machine"-Wettbewerb traten in diesem Jahr 84 Studententeams aus 21 Ländern gegeneinander an, um biologischen Maschinen zu bauen. Im TR-Interview erläutert das Freiburger Team, worum es bei der Veranstaltung ging.

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Inhaltsverzeichnis

Die synthetische Biologie macht es möglich, natürliche und künstliche Eigenschaften von Organismen in so genannten biologischen Maschinen zu kombinieren, die die verschiedensten Aufgaben übernehmen können. Beim "International Genetically Engineered Machine"-Wettbewerb (IGEM) können studentische Teams seit 2004 zeigen, was das praktisch bedeutet: Sie konkurrieren in mehreren Bereichen um die interessantesten Biomaschinen, unterstützt durch einen eigens errichteten "biologischen Bastelkasten". In diesem Jahr nahmen insgesamt 84 Teams aus 21 Ländern an dem Wettbewerb Teil. Technology Review sprach mit den Freiburger IGEM-Teammitgliedern Kathrin Pieper, Simone Weber und Daniel Hautzinger über ihr Projekt und die Chancen und Grenzen der synthetischen Biologie.

Technology Review: Das Team der Uni Freiburg hat beim "International Genetically Engineered Machine"-Wettbewerb (IGEM) am MIT diesmal eine Goldehrung erhalten und den zweiten Platz in der entscheidenden Gesamtwertung belegt. Welche Art biologischer Maschine haben Sie und Ihre Mitstreiter in diesem Jahr geschaffen?

Kathrin Pieper: Wir entwickelten ein modulares System aus künstlichen zellmembranständigen Rezeptoren und ein Nano-Struktursystem, mit dem sich diese Rezeptoren anschalten lassen.

Die Rezeptoren wurden mithilfe eines Baukastenprinzips erstellt. Rezeptoren bestehen aus einer extrazellulärer Domäne, einer Transmembranregion und einem cytoplasmatischen Teil. Unser Ziel war es, für jeden Rezeptorteil mehrere Bausteine zur Verfügung zu haben und somit ein modulares System zu erstellen.

Als intrazelluläre Domäne wurden sowohl ein Split-Enzym als auch Split-Fluorophore (CFP, YFP, also Protein-Fluorophore) benutzt. Die Kopplung der Rezeptoren bewirkt die Zusammenlagerung der intrazellulären Region zu einem funktionstüchtigen Protein. Da auch die extrazellulären Domänen variabel sind, kann durch die Wahl unterschiedlicher Liganden gezielt eine Signalgebung in der Zelle angesteuert werden.

Wir konnten anhand zweier Beispiele zeigen, wie sich durch gezielte räumliche Anordnung von Liganden im Nanometermaßstab von außen Signale im Inneren einer kernhaltigen Zelle auslösen lassen. Dieses fundamentale Prinzip ermöglicht erstens die Rekonstruktion und Analyse natürlicher Prozesse, zweitens bietet es die Möglichkeit, Zellen gezielt von außen zu programmieren.

TR: Wie hat man sich den Entscheidungsprozess vorzustellen? Waren neben Ihrem eher an der Grundlagenforschung orientierten Endprojekt auch andere, praktischere Vorhaben in der engeren Auswahl? Bier mit Resveratrol oder ein Joghurt, das gleichzeitig die Zähne schützt, wirken auf den ersten Blick ja spektakulärer.

Daniel Hautzinger: Die Entscheidung für ein Thema wurde nach mehreren Besprechungen in Zusammenarbeit mit unserem Betreuer Kristian Müller sowie nach Konsultation weiterer Wissenschaftler der Uni Freiburg gefällt. Wir haben uns auch die Projekte der vergangenen Jahre angesehen und waren uns einig, es nicht zwingend auf eine direkte Anwendung anzulegen, da bei genauerem Hinsehen die Lösung wichtiger Teilschritte einen größeren Fortschritt bringt als halbfertige, "spektakuläre" Projekte, die dann an den elementaren Schritten scheitern.

TR: Wie läuft die praktische Teilnahme am IGEM und die Arbeit im Labor ab?

Simone Weber: Bei uns wurde die Arbeit aufgeteilt. Ein Gruppenmitglied war zum Beispiel überwiegend für das Modeling zuständig, die anderen arbeiteten im Labor, kümmerten sich um Bestellungen und Anträge. Im Abstand von maximal zwei Wochen traf sich die ganze Gruppe dann mit unserem Betreuer, dem Juniorprofessor Dr. Kristian Müller. In diesen Meetings wurden aktuelle Probleme, Fortschritte und der weitere Verlauf der Versuche besprochen.

TR: Nutzen alle IGEM-Teams den gleichen "Baukasten"? Oder ist es vorteilhafter, eigene Bausteine zu erstellen, wovon der Wettbewerb ja ebenfalls lebt?

Hautzinger: Ein Nebeneffekt des Wettbewerbs soll sein, dass dieser Baukasten, der allen Teams gleichermaßen zur Verfügung steht, wächst. Das hat den Vorteil, dass man auf existierende Bausteine zurückgreifen kann, die man nicht erst zeitaufwendig und teuer synthetisieren muss. Jede Gruppe wird die Gensequenzen beispielsweise für Proteine, die sie für ihr jeweiliges Projekt braucht, in das spezielle IGEM-Schnittstellensystem überführen und so neue Bausteine erstellen.

Um unsere Rezeptoren nach dem Baukastenprinzip herstellen zu können, haben wir ein System verwendet, das sich das letztjährige Freiburger Team ausgedacht hat. Mit dieser Technik sind wir kompatibel zum "klassischen" IGEM-System, können zusätzlich aber Fusionsproteine herstellen. Normalerweise ist immer ein Baustein ein ganzes Protein, wir können mehrere unserer Bausteine zu einem Protein kombinieren.