Von künstlichen Insekten und Pizza-werfenden Robotern

Auf der ICRA 2009 im japanischen Kobe gibt die Robotik-Branche Einblicke in eine mögliche Zukunft.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Kristina Grifantini

In diesen Tagen trifft sich die Robotik-Szene im japanischen Kobe: Auf der International Conference on Robotics and Automation ICRA 2009 stellt sie Entwicklungen vor, die einmal Teil unseres Alltags werden sollen – von kletternden Automaten bis hin zu Maschinen, die den Teig-werfenden Pizzabäcker ersetzen könnten.

Forscher der Universität von Pennsylvania etwa präsentieren die dritte Version des „RiSE“. Das Gerät erinnert an eine überdimensionierte Schabe – auch wenn es nur vier statt sechs Beine hat – und kann Bäume und Masten erklimmen. Konstruiert wurde die RiSE 3 von der Firma Boston Dynamics, die vor einiger Zeit mit dem Militär-Roboter "Big Dog" Furore machte. An den vier Beinen von RiSE 3 befinden sich winzige Klauen aus in der Chirurgie genutzten Nadelspitzen, die er in senkrechte, vorzugsweise hölzerne Flächen schlägt, um mit bis zu 21 Zentimetern pro Sekunde in die Höhe zu steigen.

„RiSE 3 ist die erste mit Beinen ausgestattete Allzweckmaschine, die eine solche Vertikalgeschwindigkeit erreicht“, sagt Daniel Koditschek, Elektroingenieur von der Universität von Pennsylvania und Entwicklungsleiter des RiSE-Projekts. Aufgrund seiner Fähigkeit könnte der Roboter „eine sehr wichtige Rolle bei Rettungseinsätzen oder in der Aufklärung, Inspektion und Überwachung spielen“.

„Adelopod“ ist ein weiterer mobiler Roboter, der in Kobe erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Er wurde an der Universität von Minnesota entwickelt. Die Kiste von der Größe eines Radioweckers bewegt sich allerdings ohne Beine oder gar Räder fort: Sie schlägt, angetrieben von zwei 12 Zentimeter langen Armen, ständig Purzelbäumen. Dieser Bewegungsmodus spare Energie und komme ohne komplexe Hardware aus, sagt Nikos Papanikolopoulos, Direktor des Zentrums für Verteilte Robotik an der Universität von Minnesota. „Aufgrund seiner Größe kann er auch unzugängliche Ort erreichen.“ Papanikolopoulos’ Gruppe hat auch das Robotmodell „Loper“ entwickelt, der mehrere Adelopods tragen und im Zielgelände verstreuen kann.

Forscher der TU München zeigen in Japan eine Art Pfadfinder-Roboter, der sich in einer Stadtumgebung ohne GPS und zuvor geladene Stadtpläne zurechtfinden soll. Hierzu fragt die Maschine Passanten nach dem Weg und interpretiert deren Antworten mittels Gesten- und Spracherkennungsystemen. Sie kann auch Hindernisse erkennen und konstruiert nach und nach aus all diesen Inputs eine interne Karte der Umgebung. „Neu daran ist, dass ein Robotiksystem Anweisungen von Menschen als Wegmarkierungen nutzt, um sich durch eine Umgebung zu navigieren“, sagt Andrea Bauer, die den Roboter mitentwickelt. „Fehlende Routendaten werden einfach von Passanten erhoben.“

Mit wuseligen städtischen Umgebungen befassen sich auch Forscher der Universität Boston. Allerdings etwas anders: Sie testen die Navigationsfähigkeiten kleiner Roboter-Autos in einer Miniaturstadt – gewissermaßen einer Märklin-Ausgabe der DARPA Urban Challenge. Die nennt sich RULE, für "Robotic Urban-Like Environment". Die Robotwagen reagieren ebenfalls auf Sprachbefehle wie „Bring mich zum Gemüseladen“. Auf dem Weg dahin verhalten sie sich wie gute Autofahrer: Sie bleiben auf der richtigen Spur, halten an roten Ampeln und parken sogar ordentlich ein. Bislang brauchen automatisierte Fahrsysteme, wie sie am Flughafen London Heathrow oder in der Modellökostadt Masdar City (siehe aktuelle TR-Ausgabe) gebaut werden, noch Leitsysteme, zum Beispiel aus Magnetspuren. „Wir wollten unseren Wagen hingegen die Entscheidung lassen, wo sie lang fahren, solange sie es sicher tun“, sagt Projektleiter Calin Belta.

In einer realen Stadtumgegung müssen Roboter-Autos dann aber auch Fußgänger und Verkehrshindernisse erkennen können. Dieser Aufgabe ist ein System gewidmet, dass Wissenschaftler von der ETH Zürich in Kobe ausstellen. Aus den Videodaten einer auf dem Autodach montierten Kamera kann die Software Passanten identifizieren und mit räumlichen Konturen versehen – sogar bei viel Verkehr. „Die Idee ist, dass Autos dann in gefährlichen Situationen Warnzeichen geben können“, sagt Luc van Gool vom Computer Vision Lab der ETH Zürich.

Sollen Roboter irgendwann in den Alltag einziehen, müssen sie aber auch selbst so sicher wie möglich konstruiert sein. Was passiert, wenn ein Mensch versehentlich mit einem Roboter zusammenstößt? Das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum DLR zeigt in Kobe deshalb Experimente, in denen Crash-Test-Dummies auf Roboter prallen. DLR-Forscher konstruierten hierfür einen Roboter, der zurückweicht, sobald er eine Berührung mit der Brust oder dem Kopf des Dummies feststellt. „Um Roboter sicher zu machen, müssen wir erst verstehen, welche physischen Bedrohungen sich ergeben können“, sagt Sami Haddadin, Ingenieur am DLR. „Unser Ziel ist ein Testprotokoll für Roboter, mit dem sie ausgestattet sein müssen, will man sie in der Nähe von Menschen einsetzen.“ Dann könnte eine alltägliche Zusammenarbeit von Menschen und Robotern Wirklichkeit werden.

Natürlich gibt es wie bei jeder Robotik-Konferenz auch auf der ICRA einige schrullige Anwendungen. Ingenieure der Universität Osaka zeigen einen Automaten, der versucht, wie ein Pizzabäcker einen Teigfladen zu drehen. Ein anderer Roboter sammelt leere Kaffeebecher in einem Büro ein. Forscher von der McGill-Universität in Montreal in Kanada haben eine Maschine mitgebracht, die Eisskulpturen produziert. Hierfür haben sie ein Cobra-Modell umgebaut. Das wird normalerweise eingesetzt, um Gegenstände von einem Fließband aufzuheben. Stattdessen deponiert der Roboterarm Eiskristalle auf einer Plattform, die so zu Skulpturen aufgeschichtet werden.

Robotik-Videos von Technology Review (USA):

Adelopod: Fortbewegung per Purzelbaum.
Roboterautos: Testparcours in Märklin-Größe.
Trackingsoftware: Individuelle Verkehrsüberwachung auf dem eigenen Auto.
Crash Test Robots: Zusammenprall zwischen Robotern und Dummies.
Bildhauer: Skulpturen aus Eis.
Künstliches Insekt: Rauf auf den Telefonmast. (nbo)