Der große Durst der Jatropha

Biokraftstoff aus Jatropha galt vielen bislang als nachhaltig, weil die Pflanze auf trockenen Böden wächst und nicht mit Nahrungspflanzen konkurriert. Doch eine niederländische Studie hat schlechte Nachrichten.

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Von
  • Phil McKenna

Seit die Biokraftstoffe in die Kritik geraten sind, weil Energiepflanzen wertvolles Ackerland belegen oder Regenwald verdrängen, gilt sie vielen als Hoffnungsträger: die Purgiernuss – Fachname „Jatroph curcas“ –, die in den Tropen und Subtropen wächst. Ihre ölhaltige Frucht ist ein ergiebiger Rohstoff, und vor allem gedeiht sie auf trockenen und marginalen Böden – so dass sie nicht in Konkurrenz zu anderen Pflanzen angebaut werden muss. Doch eine neue Studie kommt nun zu dem ökologisch bedenklichen Ergebnis: Jatropha, wie die Pflanze in der Kraftstoffbranche kurz genannt wird, säuft wie ein Loch, wenn sie Ertrag bringen soll.

Forscher der Universität Twente berichten im Wissenschaftsjournal PNAS, dass pro Energieeinheit, die aus Jatropha gewonnen wird, fünf Mal so viel Wasser nötig ist wie bei Zuckerrohr und Mais als Rohstoff. Im Vergleich zu Zuckerrüben, die die Studie als die wassereffizientesten Energiepflanzen identifiziert, ist der Verbrauch sogar zehn Mal höher.

Schlechte Nachrichten zu einer Zeit, da große Biokraftstoffproduzenten Jatropha zunehmend als ökologisch korrekte Alternative zu den bisherigen Energiepflanzen ins Visier nehmen. Der Ölkonzern BP etwa tat sich bereits 2007 mit der Firma D1 Oils für ein 80 Millionen Pfund schweres Fünfjahresprojekt zusammen, um die Pflanze in Indien und im südlichen Afrika zu kultivieren. Inzwischen sind 200.000 Hektar damit bepflanzt. Im vergangenen Jahr hob gar zum ersten Mal ein Flugzeug mit Jatropha-basiertem Kraftstoff ab.

„Die Behauptung, Jatropha konkurriere hinsichtlich Wasser und Land nicht mit Nahrungspflanzen, ist völliger Blödsinn“, sagt Arjen Hoekstra, einer der Autoren der neuen Studie. Es stimme zwar, dass die Pflanze mit wenig Wasser auskomme und auch Dürreperioden überstehe. Um richtig zu gedeihen, brauche sie aber genauso gute Bedingungen wie jede andere Pflanze. „Wenn nicht genug Wasser da ist, fällt der Ölertrag gering aus“, sagt Hoekstra.

Gemeinsam mit Kollegen hat er den „Wasserfußabdruck“ von 13 Pflanzen untersucht, die als Rohstoff für Biokraftstoffe dienen. In ihre Berechnungen floss ein, wieviel Regen eine Pflanzenart abbekommt und wie stark sie zusätzlich bewässert werden muss, um optimal zu wachsen. Verdunstungsraten in der Wachstumsperiode wurden ebenso berücksichtigt wie die durchschnittlichen Erträge zwischen 1997 und 2001. Für all diese Zahlen wurden dann länderweise und weltweit Durchschnittswerte berechnet. Das Ergebnis ist der Wasserverbrauch pro Liter Biodiesel oder Bioethanol, der die Pflanzen miteinander vergleichbar macht.

„Je nach Land, Klima, Anbaumethode, Pflanzenart und Verwertung fallen die Ergebnisse sehr unterschiedlich aus“, sagt Hoekstra. Stärkehaltige Pflanzen haben andere Wasserbilanzen als zuckerhaltige, und ob eine Pflanze zur Herstellung von Biokraftstoff genutzt oder zur Stromerzeugung verbrannt wird, ändert den Wasserfußabdruck ebenfalls. Zahlen für Jatropha liegen derzeit aber nur aus Indien, Indonesien, Nicaragua, Brasilien und Guatemala vor.

Die sehen allerdings nicht gut aus: Für einen Liter Biodiesel aus Jatropha fallen 20.000 Liter Wasser während des Anbaus an. Auf Platz zwei folgen Sojabohnen und Raps, die auch als Grundstoff für Biodiesel dienen und für die globale Daten vorliegen. Ihr Wasserfußabdruck beträgt 14.000 Liter pro Liter Kraftstoff.

Chris Somerville, Leiter des Energy Biosciences Institute an der Universität Berkeley, ist von den Ergebnissen nicht überrascht. „Jatropha ist eine Wildpflanze und hat wahrscheinlich einen schrecklichen Ertragsindex, weil sie bislang nicht weitergezüchtet wurde.“ Der Ertragsindex bezeichnet das Verhältnis aus verwertbaren Pflanzenteilen zur gesamten Erntemenge.

Der Run auf Jatropha sei maßgeblich von den EU-Beimischungsquoten für Biodiesel ausgelöst worden. Erst im Dezember 2008 wurde dann die Beimischung von Biodiesel aus Palmöl und anderen ökologisch fragwürdigen Agrarprodukten beschränkt. „Ich weiß nicht, ob das schon das Aus für Jatropha war, aber die Nachfrage ist in Europa deutlich gesunken“, sagt Somerville.

Er glaubt, dass in den Industrieländern Jatropha und andere Biodiesel-Pflanzen von Zellulose-basiertem Ethanol in den kommenden Jahren aus dem Markt gedrängt werden. Für die Entwicklungsländer werde Biodiesel aus Jatropha und anderen Pflanzenölen jedoch wichtig bleiben, weil die Investitionen viel niedriger als bei Bioethanol oder den technisch anspruchsvollen Zellulose-Kraftstoffen sind.

Die niederländische Studie deckt sich mit Ergebnissen einer Untersuchung, die die Umweltorganisation Friends of the Earth in Swaziland gemacht hat. Danach beanspruchen die dortigen Jatropha-Pflanzungen von BP und D1 Oils wertvolles Ackerland und Wasser, und das obwohl, der Kleinstaat im südlichen Afrika ohnehin mit chronischer Lebensmittelknappheit kämpft.

Henk Joos, Direktor für Pflanzenbiologie bei D1 Oils, hält dagegen, dass neue Jatropha-Sorten mit höherem Ertrag viele Probleme mit dem Wasserverbrauch der Pflanze lösen könnten. Er kreuzt derzeit verschiedene Sorten mit dem Ziel, die Samenproduktion und den Ölgehalt der Samen zu steigern. Außerdem will er die Pflanze so verändern, dass die Reste als Tierfutter verwendet werden können.

Am indischen Energy and Resources Institute (TERI) wird bereits seit 2006 an gentechnisch veränderter Jatropha gearbeitet. Eine Investition von insgesamt 9,4 Millionen Dollar soll am Ende eine ölhaltigere Sorte hervorbringen. Man sei brauche aber noch drei bis vier Jahre, um das Gen zu isolieren, dass die Ölproduktion steuert, sagt TERI-Forscher Nibhi Chanana. (nbo)