Heiß auf Ökowärme

Seit Beginn dieses Jahres gilt das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz. Es soll der Heizung mit Sonne, Holz oder Biogas endlich zu einem Boom verhelfen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Bernward Janzing

Dieser Text ist der Print-Ausgabe 06/2009 von Technologie Review entnommen. Das Heft kann, genauso wie die aktuelle Ausgabe, hier online portokostenfrei bestellt werden.

Seit Beginn dieses Jahres gilt das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz. Es soll der Heizung mit Sonne, Holz oder Biogas endlich zu einem Boom verhelfen.

Einen fortschrittlich gesinnten Architekten wie Rolf Disch können neue Ökoauflagen beim Hausbau nicht schrecken. Seit 15 Jahren schon baut der Freiburger Architekt Wohnhäuser, die mehr Energie von der Sonne gewinnen, als deren Bewohner verbrauchen. "Plusenergiehäuser" hat er sie genannt. Und das Prinzip rechnet sich auch finanziell: Ein solches Einfamilienhaus lässt sich problemlos für 300 Euro ein ganzes Jahr lang beheizen – während zugleich die Solarstromanlage Energie im Wert von fast 5000 Euro im Jahr ins Netz speist. "Aus Nebenkosten werden Nebeneinnahmen", sagt Disch.

Ein kleines Stück solch modernen Bauens ist nun zum Standard geworden: Seit Anfang 2009 verlangt das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) bei Neubauten die Nutzung regenerativer Energien zur Heizung und Warmwassergewinnung. Der Nutzungspflicht unterliegen alle Bauherren, egal ob private, der Staat oder die Wirtschaft. Die Verpflichtung betrifft neue Wohnhäuser ebenso wie Gewerbegebäude.

Für Ökostrom hatte die Bundesregierung bereits im Jahr 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz erlassen, das der Branche bis heute einen massiven Schub gibt. Mit der Wärme aus regenerativen Energien tat sich der Gesetzgeber hingegen lange schwer. Umso mehr gilt das neue Paragrafenwerk nun als wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Energiewende. Ziel des Gesetzes ist es, "den Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch für Wärme (Raum-, Kühl- und Prozesswärme sowie Warmwasser) bis zum Jahr 2020 auf 14 Prozent zu erhöhen". Das ist gegenüber dem aktuellen Stand eine Verdopplung.

Nach den Vorgaben des Gesetzes kann der Ausbau der Ökowärme auf unterschiedliche Weise geschehen, vor allem natürlich, indem man die Sonne nutzt. Doch auch durch den Einsatz von Biomasse, etwa in einer Holzpelletsheizung, oder von sogenannter Umweltenergie – womit die Wärmepumpe gemeint ist – können Bauherren ihrer Pflicht nachkommen. Wärmepumpen funktionieren ähnlich wie ein Kühlschrank: Unter Einsatz von Strom kühlen sie auf der einen Seite und heizen auf der anderen. Eine Wärmepumpe im Haus kühlt die Außenluft oder den Erdboden und erwärmt zugleich die Raumluft. Verglichen mit einer gewöhnlichen Stromheizung ist das die effizientere Technik.

Das Gesetz hat die Anforderungen für die jeweiligen Technologien präzise definiert: Entscheidet der Bauherr sich für Solarenergie, dann muss der Neubau 15 Prozent seines Wärmebedarfs durch die Sonne decken. Das Ziel gilt recht pragmatisch dann als erreicht, wenn eine Dachfläche durch Kollektoren belegt ist, die vier Prozent der beheizten Nutzfläche des Hauses entspricht.

Für ein Haus mit 150 Quadratmetern ergibt sich folglich eine Kollektorfläche von sechs Quadratmetern – das ist eine solarthermische Standardanlage, die ausreicht, um eine Durchschnittsfamilie während der überwiegenden Zeit des Jahres mit solar erzeugtem Warmwasser zu versorgen. Für Häuser ab drei Wohneinheiten ist eine Kollektorfläche von mindestens drei Prozent der beheizten Nutzfläche vorgeschrieben.

Heizen die Hausbewohner mit Gas, müssen mindestens 30 Prozent des Wärmebedarfs durch Biogas gedeckt werden, verwenden sie Öl oder Festbrennstoffe, müssen 50 Prozent der Energie aus erneuerbaren Energien stammen. Die Öl- und Gaswirtschaft reagiert bereits auf die Vorschrift, indem sie zum einen Gasverträge mit Biogasbeimischung, zum anderen Heizöl mit Bioölkomponente anbietet. Die Hauseigentümer müssen dann auf Nachfrage die entsprechenden Kaufbelege der zurückliegenden fünf Jahre vorweisen können. Doch diese Energien sind nur für Einzelfälle tauglich, stiege die Masse darauf um, würden die verfügbaren Mengen nicht ausreichen.

Bei der Nutzung von Erd- oder Umweltwärme mittels Wärmepumpen fordert das Gesetz technische Effizienzstandards. Vorgeschrieben ist eine Jahresarbeitszahl von mindestens 3,5 bei Nutzung der Luftwärme und mindestens 4,0 bei Nutzung anderer Wärmequellen. Das heißt: Für jede von der Heizungsanlage verbrauchte Kilowattstunde Strom muss ein entsprechendes Vielfaches an Wärme erzeugt werden, also zum Beispiel vier Kilowattstunden Wärme aus einer Kilowattstunde Strom. Wird die Warmwasserbereitung ebenfalls über die Wärmepumpe betrieben, werden jeweils 0,2 Einheiten Abschlag bei der Jahresarbeitszahl gewährt. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass die Warmwasserbereitung aufgrund der höheren Temperaturen weniger effizient ist als die Bereitstellung von Heizenergie. Denn physikalisch bedingt sinkt die Effizienz des Wärmepumpenprozesses, je höher die Temperatur ist, die man erzielen will.

Da bei Wärmepumpen heute der Einbau eines Wärmemengenzählers sowie eines separaten Stromzählers vorgeschrieben ist, kann der Hauseigentümer die Funktion seiner Anlage exakt überwachen. Diese neue Transparenz ermöglicht auch den zuständigen Behörden eine präzise Kontrolle, ob die kalkulierte Jahresarbeitszahl tatsächlich die gesetzlich geforderten Bestimmungen einhält. Bislang war es häufig der Fall, dass selbst der Hauseigentümer nicht ermitteln konnte, welche Arbeitszahl seine Anlage übers Jahr betrachtet erreicht.

Betroffen von dem Wärmegesetz sind alle Neubauten, deren Bauantrag nach dem 31. Dezember 2008 gestellt wurde oder künftig eingereicht wird. In Ausnahmefällen sind aber auch Ersatzmaßnahmen möglich, sofern deren Wirkung für den Klimaschutz dem Einsatz erneuerbarer Energien ebenbürtig ist, etwa eine verbesserte Wärmedämmung oder die Nutzung von Abwärme oder Kraft-Wärme-Kopplung.

Das Bundesumweltministerium (BMU) rechnet damit, dass durch die Nutzungspflicht von Ökowärme und die begleitende Förderung aus Bundesmitteln bis zum Jahr 2020 Investitionen von insgesamt 43,9 Milliarden Euro initiiert werden. Damit werde "Deutschland seine Rolle als Vorreiter beim Ausbau der erneuerbaren Energien festigen", heißt es aus dem BMU. Doch so sehr die Bundesregierung ihr Gesetz bejubelt: Die Stuttgarter Landesregierung war in diesem Punkt schneller. Schon ein Dreivierteljahr zuvor hatte Baden-Württemberg als erstes Bundesland ein ähnlich konzipiertes Landesgesetz (Erneuerbare-Wärme-Gesetz, kurz: EwärmeG) erlassen. Es betraf Neubauten, für die der Bauantrag ab dem 1. April 2008 gestellt wurde. Die Gebäude mussten mindestens 20 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs aus erneuerbaren Energien decken. Rund 9500 Bauanträge für neue Wohngebäude fielen nach Angaben des Stuttgarter Umweltministeriums im vergangenen Jahr unter die neuen Klimaschutzvorgaben.

Dann jedoch wurde das Landesgesetz im Neubausektor hinfällig, weil seit dem 1. Januar 2009 die Bundesregelung greift – Bundesrecht bricht Landesrecht, das ist gängige Praxis. Ab Januar 2010 wird Baden-Württemberg jedoch erneut vorpreschen. Dann nämlich gilt im deutschen Südwesten auch für Altbauten ein Pflichtanteil zur Nutzung erneuerbarer Energien von mindestens zehn Prozent; dieser Anteil wird allerdings erst fällig, wenn die Heizungsanlage ausgetauscht wird. Die Bundesregierung hat Ähnliches noch nicht auf dem Plan.

Ob nun nach Bundes- oder Landesgesetz: Oft ist die Installation einer solarthermischen Anlage die attraktivste Variante, um den Erfordernissen des Gesetzes nachzukommen. Denn indem er auf Solarwärme zurückgreift, reduziert der Hausbesitzer auf Dauer seine Abhängigkeit von den Energiepreisen, die vermutlich weiter steigen werden. Bei Nutzung von Bioenergien aber bleibt eine Abhängigkeit von den Energiemärkten bestehen – egal ob man Holz wählt, zum Beispiel in Form von Pellets, ob Erdgas mit Biogasanteil oder Heizöl mit Bioölbeimischung.

Gleiches gilt bei Installation einer Wärmepumpe, da diese in nicht unerheblichem Maße Strom benötigt. Denn Wärmepumpen sind preislich allenfalls dann attraktiv, wenn man günstige Nachtstromtarife bekommt. Freie Stromanbieter jedoch können im Segment der Nachtstromtarife in der Regel keine wettbewerbsfähigen Preise bieten. Wer Strom zur Wärmegewinnung einsetzt, bringt sich damit folglich in eine weitgehende Abhängigkeit von seinem örtlichen Stromlieferanten.

Unter Architekten gilt das Wärmegesetz unterdessen als gut umsetzbar. Hinweise auf Probleme gebe es bislang nicht, sagt Barbara Schlesinger, Referentin für Architektur und Bautechnik bei der Bundesarchitektenkammer. Denn die Anforderungen seien im Gesetz zumeist recht klar definiert. Kritisch könne es allerdings werden, wenn die Bauordnungen der Länder künftig den Neubaubegriff so weit auslegen sollten, dass auch größere Renovierungen genehmigungsrechtlich in die Kategorie Neubau wandern: "Da muss sich erst noch zeigen, wie größere Umbauten in der Praxis gehandhabt werden." (bsc)