Ziegel für ein warmes Heim

Eine Schweizer Firma hat zusammen mit der RWTH Aachen eine Dachziegel aus einer Kupferlegierung entwickelt, die Energie aus der Umgebung für die Wärmeversorgung von Häusern nutzbar machen.

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Von
  • Constanze Hübner

In Zeiten steigender Heizkosten denken immer mehr "Häuslebauer" an alternative Möglichkeiten zu Gas, Öl oder Fernwärme. Bereits mehr als eine halbe Millionen deutscher Haushalte verfügen über eine Solaranlage auf dem Hausdach. Eine neuartige Möglichkeit, die Umwelt zur Energiegewinnung zu nutzen, hat die Swissmetal Design Solutions AG in enger Zusammenarbeit mit dem Werkzeugmaschinenlabor WZL der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen entwickelt.

Bei dem System ATMOVA handelt es sich um spezielle Dachziegel. Sie funktionieren wie Wärmetauscher und nehmen so Energie aus Umgebungsluft, Wind, Regen und der Sonneneinstrahlung auf. Mit ihnen soll dann ein ganzes Haus beheizt werden.

Die Energie-Ziegel werden aus mehreren zwei Millimeter starken Blechen einer Kupferlegierung hergestellt. Die Bleche werden zur Verarbeitung erwärmt und in die typische Ziegelform zusammengepresst. Diese sogenannte Baubronze, eigens für bauliche und handwerkliche Anwendungen entwickelt, ist umweltverträglich und hinterlässt keine Schadstoffe im Regenwasser. Durch ihren Bronzeton unterscheiden sich die Ziegel farblich kaum von anderen handelsüblichen Dachziegeln. Die Patina, eine natürliche Schutzschicht die sich nach und nach auf dem Metall durch Umwelteinflüsse bildet, schützt die Ziegel und macht sie weitestgehend resistent vor Verwitterungen.

Auf dem Dach sind alle Ziegel durch Kupferröhrchen miteinander zu einem Leitungssystem verbunden und haben jeweils auf der Rückseite eine angeschweißte "Fluidwanne". Die Ziegel nehmen die Energie aus der Umgebung auf. In dem Leitungssystem, fließt ein Gemisch aus Wasser und Glycol. Diese Flüssigkeit nimmt die Wärmeenergie auf und transportiert sie mittels Konvektion vom Dach hinunter in eine Wärmepumpe. Die wiederum entzieht der Flüssigkeit die thermische Energie und speichert sie zunächst in einem Warmwasserspeicher. Wird warmes Wasser oder Heizwärme benötigt, greift das Heizsystem darauf zurück. Überschüssige Energie hingegen wird in einem Langzeitwärmespender zwischengelagert und kann dort bis zu drei Monate gespeichert werden.

Laut Jochen Müller vom Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen ist für das ATMOVA-System die Umgebungstemperatur selbst nicht entscheidend: "Wichtig ist die Differenz zwischen der Umgebungstemperatur und der Temperatur des Wasser-Glykol-Gemischs, beziehungsweise der Ziegel." Schon ab einer Außentemperatur von minus 20 Grad Celsius könne das System wirtschaftlich Wärmeenergie erzeugen. "Bei der eingesetzten Wärmepumpentechnologie kann die Temperaturdifferenz zwischen Wärmequelle und Wärmesenke bis zu 70 Grad betragen. Aus diesem Grund kann das System, unabhängig von Temperatur oder Sonneneinstrahlung, eine hohe Vorlauftemperatur für die Heizung erzielen", sagt Müller. Im Sommer sorgt ein sogenannter Wärmepumpen-Bypass für einen Direktbetrieb: Die gewonnene Wärme geht direkt ohne Zwischenstopp in der Wärmepumpe in den Warmwasserspeicher.

Um den Bedarf an Heizwärme während des ganzen Jahres zu decken, genügt es, je nach Wärmeverbrauch des Hauses, nur 15 bis 20 Prozent des Daches mit den aktiven Ziegeln zu bedecken. "Bei einem Haus mit einer Fläche von 200 Quadratmetern reichen schon 40 Quadratmeter Ziegel auf dem Dach aus, um es damit eigenständig zu beheizen", rechnet Jochen Müller vor. Das System erreicht im Jahresdurchschnitt einen hohen thermischen Wirkungsgrad (COP – Coefficient of Performance) von über 3,5. Diese Zahl bezeichnet das Verhältnis zwischen der Wärme, die in den Heizkreis abgegeben wird, und der Arbeit, die von der Wärmepumpe aufgewendet werden muss, um die Temperatur anzuheben. Bei Erdwärmepumpen, die Energie aus dem Erdinneren in Wärme und Strom umwandeln, liegt dieser COP bei 3 bis 4,9. Beide Systeme bringen also eine ähnliche gute Leistung. Der Energieertrag der Dachziegel liegt bei mehr als 500 Watt pro Quadratmeter.

Auch was den Platzbedarf der Wärmepumpenanlage im Haus betrifft, unterscheidet sie sich nicht von anderen Anlagen. Das ATMOVA-System arbeitet eigenständig im Hintergrund. Die Raumtemperatur lässt sich über einen Touchscreen einstellen, der in eine Zimmerwand in den Wohnraum integriert wird.

In einem Pilotprojekt wurde das Dach des denkmalgeschützten "Haus der Umwelt" in Luzern mit den Energieziegeln gedeckt. Dank des Farbtons und der Bauweise der Ziegel ließ sich das System mit den strengen Denkmalschutzregeln vereinbaren.

Einen konkreten Preis für ATMOVA will Swissmetal allerdings noch nicht nennen. Nach Aussagen des Unternehmens komme es darauf an, wie die Gebäudehülle und der Wärmeverbrauch des Objektes beschaffen seien. Je nach Ziegeltyp und Bauart des Dachstuhls würden zwischen 10 und 38 Ziegel pro Quadratmeter benötigt. Ein denkmalgeschütztes Haus benötigt zudem sogar doppelt so viel Wärme wie ein Neubau. (bsc)