Garfinkel-Kolumne: Internet, Version 6

Die nächste Variante des Internet-Protokolls, IPv6, wird der Welt Billionen von Internet-Adressen bescheren. Dummerweise macht sie das Netz auch langsamer.

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Lesezeit: 13 Min.
Von
  • Simson Garfinkel
Inhaltsverzeichnis

Die Umstellung auf IPv6, die sechste Version des Internet-Protokolls, wird die größte, drastischste und weitgehendste Umstellung in der Infrastruktur des Internet seit mehr als 20 Jahren. Es wird ein riesiges Vorhaben, bei dem mehr als 100 Millionen Computer umkonfiguriert werden müssen. Eine solch fundamentale Umstellung gab es nicht, seitdem das Internet-Protokoll im Januar 1983 eingeführt wurde. Wenn die Umstellung auf IPv6 endlich geschafft ist, werden die Auswirkungen allerdings nicht nur positiv sein: Das neue Internet wird langsamer werden, Copyright-Verletzungen durch Filesharing erleichtern und die dazugehörigen Rechner mit großer Wahrscheinlichkeit unsicherer machen.

IPv6 daher als technologische Straße ins Nichts abzutun wäre allerdings ein Fehler. Die Technik kommt. Der Programmcode, mit dem man Rechner in ein IPv6-Netz einbinden kann, ist bereits in Windows XP, Mac OS X sowie Linux und vielen anderen Unix-Varianten eingebaut. Jeder neue Router, den Marktführer Cisco baut, beherrscht das neue Protokoll. Sogar Nokia-Mobiltelefone enthalten es. Die ganze Welt macht sich bereit, an der IPv6-Party teilzunehmen.

Wird sie stattfinden? Vielleicht in Japan oder China. IPv6 war dort bislang immer sehr wichtig. Während man das neue Netzwerkprotokoll an den US-Universitäten weitgehend ignorierte, steckte die japanische Regierung viel Geld in das so genannte "KAME"-Projekt, bei dem solide Standard-Software für IPv6 und die damit verbundene Technik geschaffen werden soll. An KAME nehmen Forscher von Fujitsu, Hitachi, NEC, Toshiba und Yokogawa Electric teil, außerdem die "Internet Initiative Japan". Software aus dem Projekt ist in Japan bereits verbreitet, so laufen beispielsweise große Teile der dortigen Internet-Knoten bereits mit IPv6. Es sieht so aus, als würden die Vereinigten Staaten zurückfallen.

Was ist IPv6 überhaupt - und warum ist es wichtig? Um diese Frage zu beantworten, braucht es einen kleinen Auffrischungskurs in Sachen Netztechnik. Das Internet ist eine riesige Maschine, deren Sinn es ist, zahlreiche kleine Informationseinheiten zu übermitteln, die so genannten Pakete. Diese Pakete erinnern an digitale Postkarten, die rund 500 Byte groß sind und einen Adress- und Empfänger-Stempel tragen. Um diese Internet-Pakete zu bearbeiten, müssen alle Computer im Internet die gleiche Sprache verstehen. Diese Sprache nennt man Protokoll. Das aktuelle Internet benutzt IPv4, die vierte Version des Internet-Protokolls. (Die Versionen 1 bis 3 schafften es nie aus dem Labor, Version 5 übrigens auch nicht).

IPv4 ist ein ziemlich gutes Protokoll, insbesondere, wenn man bedenkt, dass es in den Siebzigern erfunden wurde. Seine Probleme sind eigentlich tolerierbar - bis auf eines: Jeder Computer im Internet braucht eine eigene Internet-Adresse, und diese sind immer nur 32 Bit lang. Das Resultat dieser Entscheidung, die vor fast 30 Jahren getroffen wurde: Das Internet kann nicht mehr als 2 hoch 32, beziehungsweise genau 4.294.967.296 Geräte verwalten. Aus verschiedenen technischen Gründen ist die tatsächlich mögliche Anzahl an Computern sogar noch geringer - eher um die zwei Milliarden, statt jener vier.

Inzwischen benutzen Millionen von Menschen das Internet. Und in jedes Gerät soll eine IP-Adresse: In Handys sind kleine Webbrowser mit IP-Adresse eingebaut, Haushaltsgeräte wie Kühlschränke oder Waschmaschinen werden in ein paar Jahren ebenfalls eine brauchen - das ist kein Scherz. Es ist also ziemlich klar, dass uns die 32-Bit-Adressen ziemlich bald ausgehen.