Schmutzige Bomben als Psycho-Waffe

Die USA befürchten Terroranschläge mit radioaktiv verseuchten Bomben -- aber die eigentliche Gefahr dabei liegt nicht in der Strahlung

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Richard A. Muller
Inhaltsverzeichnis

Das US-Justizministerium und das FBI warnten im vergangenen Monat, dass Terroristen in diesem Sommer erneut einen Anschlag auf die USA durchführen könnten. Am gleichen Tag kündigte das US-Energieministerium einen 450 Millionen Dollar schweren Plan an, gegen terroristische Nuklearwaffen und so genannte "schmutzige Bomben" vorzugehen. Etwas später veröffentlichten US-Ermittler Details über einen Mann namens Jose Padilla - einen ehemaligen Straßengangster, der ein ausführliches Al-Quaida-Trainingsprogramm hinter sich hatte und offenbar plante, eine schmutzige Bombe in Amerika zu zünden.

Laut den vorliegenden Informationen zweifelte die Terrororganisation allerdings daran, dass Padillas Idee durchführbar wäre. Statt dessen sollte er zwei Apartment-Häuser mittels einer Gasexplosion zerstören. Offenbar meinte Al Quaida, dass ein solcher Anschlag tödlicher und zerstörerischer wäre als eine radioaktive Waffe.

Die Terroristen haben Recht - und genau das sollte uns Angst machen. Al Quaida versteht diese schmutzigen Bomben und ihre Anwendbarkeit offenbar besser als viele führende Politiker, die Medien und sogar manche Wissenschaftler.

Unsere Erfahrungen mit so genannten radiologischen Waffen, wie man die schmutzigen Bomben wissenschaftlicher nennt, sind eher gering. Sie benötigen keine Kettenreaktion wie bei Atombomben, sondern nutzen gewöhnliche Explosivstoffe, um ihr radioaktives Material zu verteilen. Saddam Hussein testete solche Waffen 1987, ließ die Arbeiten daran aber einstellen, als er feststellte, wie schlecht sie funktionierten. 1995 vergruben tschetschenische Rebellen Dynamit und eine kleine Menge des radioaktiven Isotops Zäsium-137 in einem Moskauer Park. Sie riefen dann einen Fernsehsender an, der es ausgraben sollte. Wahrscheinlich war den Rebellen klar, dass der Nachrichtenwert der Bombe größer war, wenn sie vor ihrer Explosion entdeckt wurde. Bei diesen Waffen sind die psychologischen Auswirkungen oft größer als der Schaden, den sie tatsächlich anrichten.

Ich will damit nicht den Eindruck erwecken, radioaktives Material sei harmlos. Als 1987 Plünderer im brasilianischen Goiania eine verlassene Strahlentherapie-Maschine fanden und schließlich auseinander nahmen, starben zwei Männer, eine Frau und ein Kind an akuter Strahlenvergiftung. Das Gerät enthielt 1400 Curie Zäsium-137 - eine Curie-Einheit entspricht der Radioaktivität eines Gramms Radium. 250 weitere Personen wurden verstrahlt. 41 Häuser wurden evakuiert, einige davon mussten abgerissen werden, weil sie nicht mehr gereinigt werden konnten.

Man stelle sich vor, die Strahlung wäre nicht auf ein paar Häuser beschränkt geblieben, sondern hätte sich durch eine Explosion über eine ganze Stadt verteilt. Hätte es dann noch mehr Opfer geben? Die überraschende Antwort ist: Nein. Wenn sich die Radioaktivität auf diese Art verteilt, müsste zwar eine größere Gegend evakuiert werden. Zu Todesfällen, die in direkter Verbindung mit dem Ereignis stehen, würde es aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht kommen.