Land- und Renntechnik im Citroën 2CV (erster Teil)

Eigener Weg

Was ein Citroën 2CV ist, wissen Sie? 25 Jahre nach Produktionsende konnten Sie gerade die gleichen Nachrufe lesen, wie sie letztes Jahr zum 65. Produktionsjubiläum erschienen sind. Das wollen wir gern zum Anlass nehmen, Sie nicht schon wieder mit dem „Regenschirm auf Rädern“ amüsieren zu wollen

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Florian Pillau
Inhaltsverzeichnis

Was ein Citroën 2CV ist, wissen Sie? Heute, 25 Jahre nach Produktionsende, konnten Sie wieder die gleichen, fast immer geistreichen Nachrufe lesen, wie sie bereits letztes Jahr zum 65. Produktionsjubiläum erschienen sind. Diese Häufung wollen wir gern zum Anlass nehmen, Sie nicht schon wieder mit dem „Regenschirm auf Rädern“ amüsieren zu wollen. Eine der vielen, oft grotesken Anekdoten aus Studenten- und anderen Zeiten über dieses Auto werden wir ihnen hier auch nicht bieten.

Die meisten dieser Geschichten entspringen einer Reihe von Missverständnissen, gespeist aus dem Kardinalfehler, nach dem geringen Kaufpreis weiter eisern sparen zu wollen – an der nicht teuren, aber aus guten Gründen alle 7500 Kilometer fälligen Wartung. Ambitionierte Reparaturanmaßungen freier Werkstätten oder Do-it-yourself-Versuche an nicht verstandener Technik trugen ein Übriges zu einem gewissen Argwohn gegenüber „Französischer Ingenieurskunst“ bei, die in diesem aber gar nicht so typisch französisch sondern vielmehr ein Ergebnis einer besonderen Firmenkultur war – ein weiteres Missverständnis.

Risikoarm-stromlinienförmige Quasi-Standards

Statt für immer neue Erlebnisse mit einem ungewöhnlichen Produkt interessieren wir uns vielmehr dafür, warum ein Auto wie der 2CV damals einerseits gewissermaßen in der Luft lag und andererseits als Produkt wirklich typisch französisch ist. Beides zeigt sich bis ins kleinste Konstruktionsmerkmal, ein Phänomen, das es in Zeiten der Globalisierung so nicht mehr geben kann. Damit meinen wir jetzt nicht, dass inzwischen alle Straßen nahezu perfekt geworden sind, sondern vielmehr die Denkschemata, die sich weltweit durchgesetzt haben und so zu einer Menge risikoarm-stromlinienförmiger Quasi-Standards für festangestellte Ingenieure und damit zu konvergierenden Konzepten im Automobilbau geführt haben.

Unter Konstruktionsmerkmalen verstehen wir weniger so offensichtlich Skurriles wie das Stoffach über die gesamte Länge und Breite, die bereits damals altertümlichen frei stehenden Scheinwerfer oder die Lüftungsklappe unter der Windschutzscheibe.

Wer nach solchen Anhaltspunkten oberflächlich urteilte und rückständige Technik vermutete, kaufte lieber ein optisch ansprechenderes Produkt – es gab ja bereits seit 1946 den Renault 4CV, der neben seinen optischen Vorteilen auch mehr Leistung bot – allerdings deutlich weniger radikale, in Vielem sogar rückständige Technik. Gemeint die schon damals als fahrdynamisch bedenklich geltende Kombination von Heckmotor und Pendelachse, wie sie in Deutschland viele Volkswagenfahrer „aus heiterem Himmel“ verunglücken ließ. Sie blieb zumal für Porsche lange Zeit eine Herausforderung, die Heckzicken-911er wurden ein Mythos der Automobilgeschichte.

Zero Clearance Joints wie in der Renntechnik

Um wie viel vernünftiger war da schon aus Sicherheitsaspekten das Fahrwerk des 2CV. Je zwei lange Schwingen – vorn geschoben, hinten gezogen – ließen weder Spur- noch Sturzänderungen zu. Da sie sich in je zwei Kegelrollenlagern mit Untertassen-Durchmesser bewegten, war zudem jeglicher elastokinematische Einfluss ausgeschlossen. Exakter kann man ein Rad nicht führen. Aus dem gleichen Grund setzt heute übrigens jeder Rennwagen-Konstrukteur statt der im Serienbau üblichen Gummi/Metall-Lagerungen durchweg nur spielfreie Gelenke, sogenannte „Zero Clearance Joints“ ein. Eine derlei enge Verwandtschaft zur Rennwagentechnik wird sich noch an einigen weiteren Stellen am Fahrwerk, der Bremsanlage und sogar im Motor zeigen.

Gleichzeitig verhinderten extrem weite Federwege in den Dimensionen eines aktuellen Dakar-Racers, dass ein einzelnes Rad so weit entlastet werden kann, dass es den Bodenkontakt verliert. Antriebs- Lenk- und Bremskräfte konnten so auch auf schlechtesten Fahrbahnen länger sicher übertragen werden als bis dahin üblich. Der 2CV bekam daher als eines der ersten Autos eine Leuchtweitenregulierung, wie sie erst seit seit dem 1. Januar 1990 Pflicht für alle EU-Fahrzeuge wurde.

Selbst mit bewusst gefährlichen Fahrmanövern war da selbst aus voller Fahrt (bis 110 Sundenkilometern) nichts zu reißen – das Auto geriet allenfalls ins Schleudern. (Kenner wissen aber: Im Rückwärtsgang kann man einen 2CV tatsächlich umwerfen). Das kurveninnere Hinterrad hob es allenfalls mal, wenn man bei etwa 6000/min bei größtmöglicher Kurvengeschwindigkeit vom Gas ging. Dann stellte sich der Wagen leicht an und bremste sich erbärmlich qietschend selbst ab.