Wenn Moleküle laufen lernen

Ein jetzt von Wissenschaftlern präsentierter "molekularer Läufer" könnte die Idee eines Nano-Abakus wiederbeleben.

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Von
  • Jürgen Brück
Inhaltsverzeichnis

In Gasen ist so richtig was los. Moleküle sind sehr beweglich und sie kommen ihrem Bewegungsdrang in diesem Aggregatzustand auch nach Lust und Laune nach. Geordnet sind die Bewegungen allerdings nicht. Bislang galt: Führt man Molekülen Energie zu, dann schwirren sie sich auf vollkommen unvorhersagbare Weise umher. Nun aber hat ein Forscherteam von der University of Califormia - Riverside um den deutschen Wissenschaftler Ludwig Bartels erstmals ein Molekül dazu gebracht, diese Regel zu verletzen und sich zielgerichtet zu bewegen. Dabei bewegt sich das Molekül 9,10-Dithioanthracen (DTA) nicht nur in einer geraden Linie entlang seiner eigenen Achse, es ahmt darüber hinaus den Gang eines Zweibeiners nach.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei zunächst einmal der Aufbau des Moleküls selber. DTA besitzt einen lang gestreckten Rumpf aus drei Kohlenstoffringen. Am mittleren Ring befinden sich an beiden Seiten Schwefelatome, die es an die Oberfläche -- in diesem Fall ein Kupferblech -- , auf der sich das Molekül befindet, binden. Diese beiden Atome sorgen aber nicht nur für einen guten Halt auf der Unterlage, sie fungieren zudem als "Beinchen". Die Fortbewegung des DTA-Moleküls erfolgt nun "ähnlich, wie bei einem laufenden Menschen, bei dem ein Fuß auf dem Boden bleibt, während der Andere sich nach vorne bewegt und so den Körper antreibt," beschreibt Ludwig Bartels den Vorgang. Es bleibt also ein Schwefelatom mit der Unterlage verbunden, während das Zweite zwischen zwei möglichen Adsorptionsplätzen -- Orte, an denen eine Anlagerung des Atoms besonders gut möglich ist -- hin- und herpendelt, ohne diese jedoch ganz erreichen zu können. Führt man dem pendelnden Atom nun aber thermische Energie zu, kann es zu einem der Adsorptionsplätze gelangen und lagert sich dort an. Gleichzeitig löst sich das ehemals mit der Unterlage verbundene Atom und beginnt seinerseits zu pendeln. Der Vorgang kann erneut, nun auf der anderen Seite, beginnen. Das Molekül "läuft".

Das Besondere an dieser Art der Fortbewegung ist nicht nur, dass sie dem menschlichen Gehen nachempfunden ist, sondern dass das Molekül seinen Weg stets beibehält, ohne dass irgendwelche mikroskopisch kleinen Furchen oder Rillen ihm seinen Weg weisen. "Während unserer Test ist DTA mehr als 10.000 Schritte gelaufen, ohne dabei auch nur einmal ins Stolpern zu geraten oder vom Weg abzukommen," führt Bartels aus. "Unsere Arbeit zeigt, dass Moleküle ganz bewusst so gestaltet werden können, dass sie bestimmte dynamische Aufgaben auf einer Oberfläche übernehmen können."