Geo-Engineering für das Meer ist unrealistisch

Lassen sich Kohlendioxid-Emissionen später rückgängig machen? In der Luft möglicherweise ja, aber für Meeresorganismen wären trotzdem lang anhaltende Nachwirkungen zu erwarten.

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Von
  • Mike Orcutt

Lassen sich Kohlendioxid-Emissionen später rückgängig machen? In der Luft möglicherweise ja, aber für Meeresorganismen wären trotzdem lang anhaltende Nachwirkungen zu erwarten.

Wenn nötig, ist es vielleicht möglich, jahrzehntelange Auswirkungen der globalen Erwärmung zu verhindern, indem man Kohlendioxid direkt aus der Atmosphäre entfernt. Aber selbst wenn das funktionieren sollte, bleibt eine weitere, oft übersehene Folge der Verbrennung von fossilen Energieträgern: die Versauerung der Meere.

Ein großer Teil des vom Menschen in die Atmosphäre geblasenen Kohlendioxids löst sich letztlich im Meer auf, so dass das Wasser saurer wird. Die ökologischen Auswirkungen davon sind weitreichend und noch nicht zur Gänze erforscht. Klar aber ist, dass Versauerung Organismen schädigt, deren Skelette oder Schalen Kalziumcarbonat enthalten, etwa Korallen, Schalentiere und manche Plankton-Arten.

In den letzten Jahren hat die Idee an Schwung gewonnen, dass sich die globale Erwärmung mit Technologien bekämpfen lässt, die große Mengen Kohlendioxid wieder aus der Atmosphäre entfernen. In seiner jüngsten großen Studie merkte das Weltklima-Gremium Intergovernmental Panel on Climate Change an, dass zur Verhinderung von gefährlichem Klimawandel möglicherweise solche Programme zur Kohlendioxid-Entfernung gebraucht werden. Ein Ansatz dafür sind Maschinen, die das Gas aus der Luft filtern. Oder es wird Biomasse als Brennstoff angebaut, deren Emissionen beim Verbrennen dann aufgefangen und gespeichert werden.

Die Autoren einer neuen Studie, darunter auch Sabine Mathesius vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, haben unterschiedliche Szenarien untersucht. Darin fallen jeweils noch mehrere Jahrzehnte lang hohe Emissionen an und man beginnt dann, riesige Mengen Kohlendioxid (mindestens die Hälfte der jährlichen Emissionen von heute) aus der Atmosphäre zu holen. Wie sich zeigte, treten bei allen Szenarien "enorme Erblasten in der marinen Umgebung“ auf, vor allem in der Tiefsee. Diese Wirkungen halten Jahrhunderte an. Mit anderen Worten: Zumindest in Bezug auf die Meere kann Kohlendioxid-Entfernung nicht als sinnvolle Alternative zu einem raschen Umstieg auf ein weniger emissionsintensive Energiesystem angesehen werden.

"Viele Leute verhalten sich so, als würde erst gar kein Kohlendioxid in die Atmosphäre kommen, wenn man es jetzt emittiert und später entfernt", sagt Ken Caldeira, ein leitender Wissenschaftler am Carnegie Institute for Science der Stanford University. Natürlich sei eine spätere Entfernung immer noch besser als gar keine; Wasser in der Nähe der Oberfläche könnte dadurch tatsächlich entsauert werden, so Caldeira weiter. "Aber es ist besser, es erst gar nicht zu emittieren, denn ein Teil des Kohlendioxids wird in die Tiefsee gelangen, und es wird sehr lange dauern, es dort wieder wegzubekommen."

Einige Forscher diskutieren bereits über mögliche Geo-Engineering-Programme, die direkt auf eine Umkehr der Meeresversauerung abzielen. Beispielsweise könnten dem Wasser Silikat- oder Carbonatmineralien zugeführt werden, um die Säure chemisch zu neutralisieren. Laut einem aktuellen Bericht vom National Research Council der USA gibt es keine Belege dafür, dass eine solche Beigabe "schädliche Folgen" hätte.

Im globalen Maßstab dürfte dieser Ansatz nicht umzusetzen sein, denn dazu müssten jedes Jahr enorme Mengen Fels abgebaut und zermahlen werden – weitaus mehr Volumen, als die Welt heute an Kohle produziert. In begrenzten Umfeldern dagegen – zum Beispiel in einer Bucht mit Korallenriffen – könnte dieses Vorgehen sinnvoll sein und vielleicht sogar unverzichtbar, um bestimmte Arten von Meeresorganismen zu schützen, sagt Caldeira. "Aber die Idee, dass das mit dem gesamten Meer klappen könnte, ist unrealistisch." ()