Kraftwerk im Keller

Anders als Großkraftwerke, die durchschnittlich zwei Drittel der Primärenergie als Abwärme an die Umwelt verlieren, vereinen BHKW Heizkessel und Stromgenerator direkt beim Verbraucher und steigern den Wirkungsgrad auf über 90 Prozent.

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Von
  • Frank Grünberg
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Uli Seitz setzt auf Öko. Der Geschäftsführer der Sunmachine Vertriebsgesellschaft in Kempten will Mikro-Blockheizkraftwerke verkaufen - betrieben nicht mit Diesel, Gas oder Sonnenenergie, sondern mit Holzpellets. Angesichts steigender Ölpreise und hoher staatlicher Subventionen für Brennmaterial aus nachwachsenden Rohstoffen eine ziemlich clevere Idee. Ab Januar 2006 will Sunmachine die Geräte über das Sanitär- und Heizungs- Handwerk vertreiben. "Im ersten Jahr wollen wir 3000 Stück verkaufen", sagt Seitz. Die Aussicht, die effiziente Kraft-Wärme- Kopplung in Wohnhäusern zu etablieren, versetzt die Branche in Gründerstimmung. In Industrie- oder Gewerbebetrieben kommen Blockheizkraftwerke (BHKW) seit vielen Jahren zum Einsatz. Nun hoffen die Hersteller auf den Einzug ins private Eigenheim. Sieben Produkte, die diesen Massenmarkt öffnen sollen, listet der Bundesverband Kraft-Wärme- Kopplung in seiner jüngsten Übersicht. Gut die Hälfte der Geräte kann man bereits kaufen, der Rest soll in den nächsten zwei Jahren auf den Markt kommen.

Anders als Großkraftwerke, die durchschnittlich zwei Drittel der Primärenergie als Abwärme an die Umwelt verlieren, vereinen BHKW Heizkessel und Stromgenerator direkt beim Verbraucher und steigern den Wirkungsgrad auf über 90 Prozent. Etwa drei Viertel der gewonnenen Energie stellt ein BHKW thermisch für die Heizung oder das Warmwasser bereit, den Rest als elektrischen Strom. Für Einfamilienhäuser gilt eine elektrische Leistung von fünf Kilowatt als ausreichend. Und viele so genannte "Mikro- BHKW" sind nicht größer als ein Kühlschrank. Die Hersteller arbeiten an unterschiedlichen technologischen Konzepten. Diesel- und Ottomotoren sind als Erzeuger für Strom und Wärme schon seit langem im Einsatz. Doch geschlossene Motorenkonzepte, bei denen die Verbrennung nicht im Kolbenraum, sondern außerhalb stattfindet, sind für solche Anlagen besonders geeignt. Etwa der Stirling-Motor, der 1816 von dem Schotten Robert Stirling erfunden wurde. Über einen Wärmetauscher wird das Gas im Kolbenraum erwärmt, sodass es sich ausdehnt und einen Kolben bewegt, der wiederum einen Generator antreibt. Sobald das Gas abkühlt, pendelt der Kolben zurück. Dann beginnt der Kreisprozess von vorn. Obwohl der Stirling-Motor sehr verschleißfrei arbeitet, konnte er sich gegen die Konkurrenz lange Zeit nicht durchsetzen.

Denn dort, wo die Abwärme der Motoren ungenutzt bleibt, beispielsweise bei Kraftfahrzeugen, sind Stirling-Aggregate zu teuer. Da bei BHKW jedoch auch die Wärmeleistung zählt, feiern die Stirling-Motoren in diesem Anwendungsfeld ihr Comeback. In den Geräten von Sunmachine werden Holzpellets auf einem Keramikgitter bei 850 Grad Celsius verbrannt und die kräftige Flamme auf den Erhitzerkopf eines Stirling-Motors gelenkt. Dessen Robustheit kommt den kommerziellen Anforderungen sehr zugute. "80 000 Stunden läuft die Anlage störungsfrei", sagt Geschäftsführer Seitz, das entspricht mehr als neun Jahren Dauerbetrieb. Auch die Otag GmbH aus dem sauerländischen Olsberg hat ihren Hut in den Ring geworfen. Der Hersteller drängt seit 2005 mit seinem "Lineator"-Konzept ins private Eigenheim. Das Herzstück dieses Mikro-BHKW bildet ein Kolben, der frei in einer Röhre schwingt. Um den Kolben zu bewegen, verdampft ein Gasbrenner Wasser bei 300 Grad Celsius. Der Dampf wird abwechselnd in die Kammern links und rechts des Kolbens geleitet und kühlt dort wieder ab. Etwa 3000 Mal pro Minute zittert der Kolben aufgrund des Wechsels von Expansion und Kompression durch eine Magnetspule und induziert dort elektrischen Strom. Die überschüssige Wärme wird über einen Wärmetauscher an ein externes Rohrleitungssystem abgegeben und für die Raumheizung oder das Brauchwasser des Eigenheims nutzbar gemacht.

Das Berliner Start-up-Unternehmen Enginion wiederum will die klassische Kolben- Dampfmaschine wieder beleben, im Funktionsprinzip ähnlich den Antrieben der alten Dampf-Lokomotiven. An der Gründung des Unternehmens Ende 2000 beteiligten sich auch ehemalige Ingenieure der zum VWKonzern gehörenden IAV GmbH, einem der weltweit größten Entwicklungsdienstleister in der Automobilbranche. In ihrer "SteamCell" wird heißer Wasserdampf zum Antrieb des Motors genutzt. 2007 soll die erste Maschine dieser Bauart auf den Markt kommen.

Neben der direkten Konkurrenz beobachtet vor allem Eon die Entwicklungen bei Enginion mit Argusaugen. Der Energiekonzern ist über eine Risikokapital-Tochter an dem Startup beteiligt und hält sich so eine Tür zum wachsenden Markt der dezentralen Energieversorgung offen.