Das offenste aller Autos

Entwickeln Sie mit am ersten Open- Source-Auto der Welt - von der kleinsten Schraube bis zum Gesamtentwurf. Ab sofort unter: www.theoscarproject.org

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 21 Min.
Von
  • Markus Honsig
Inhaltsverzeichnis

OScar soll das erste Automobil sein, das komplett im Internet entwickelt wird. OScar steht für Open Source Car, und das heißt: freier Zugang, freie Arbeit, freie Verfügbarkeit, mit allen Konsequenzen. Diese Idee fanden wir so überzeugend, dass wir die Leserschaft von Technology Review an dieser Stelle ausdrücklich zur Mitarbeit einladen möchten: Diskutieren Sie mit im Forum, und entwickeln Sie ein Stück Zukunftstechnologie!

Markus Merz hat seine Kindheit auf einem Bauernhof verbracht, Landwirtschaft gelernt, "familiäre Verpflichtung", wie er sagt, und lebt auf einem Bauernhof in der Nähe von Dingolfing in Bayern. Wer dahinter eine gradlinige Biografie zu entdecken glaubt, irrt. Es war nur ein passender Rahmen für Merz' wahre Interessen: "Weil von vornherein klar war, was ich einmal machen werde, hatte ich nie Orientierungsprobleme und konnte mich in Ruhe mit dem beschäftigen, was mich wirklich begeisterte: Autos und Computer." Von einem Ferienjob in der Endmontage wurde er Mitte der Achtziger Jahre direkt in das zentrale Marketing eines Automobil-Unternehmens geholt.

Das traf sich insofern sehr gut, weil Merz an dieser Stelle den Umgang mit den neuen Medien von Beginn an mitverfolgen und mitgestalten konnte und gleichzeitig Einblick in die Praxis der Automobilentwicklung gewann – "ich saß an der Schnittstelle von Technik und Vermarktung". So konnte er sich in beiden Fächern solides Grundwissen aneignen, ohne jemals eine entsprechende Ausbildung zu absolvieren. Merz versteht sich mehr als Generalist und Autodidakt, und das ist offenbar keine schlechte Geschäftsgrundlage. Inzwischen betreibt er erfolgreich die eigene Internet- und Multimedia- Agentur monocom. Doch als kongeniale Verknüpfung seiner Leidenschaft für Autos und Computer treibt ihn schon länger eine Idee um, die er nun – im zweiten Anlauf – verwirklichen will: die Entwicklung eines Autos.

Und zwar nicht irgendeines Autos: OScar soll das erste Automobil sein, das komplett im Internet entwickelt wird. OScar steht für Open Source Car, und das heißt: freier Zugang, freie Arbeit, freie Verfügbarkeit, mit allen Konsequenzen. Am Ende soll dieses Auto jeder, der sich berufen fühlt, produzieren können, ohne Lizenzgebühren, mit freiem Zugriff auf Konzepte, Designs, Konstruktionsdaten – und der Freiheit, sie zu verfeinern, zu verbessern oder zu verschlechtern.

Natürlich geht es darum, wenn schon nicht das Rad, dann immerhin das Auto neu zu erfinden. "OScar soll ein einfaches, robustes, pragmatisches Fahrzeug sein, befreit von der üblichen emotionalen Aufladung", skizziert Merz die Grundidee. Und auf der anderen Seite: "OScar soll ein Innovationsträger für neue Technologien, für unkonventionelle Lösungen sein und eine ökologisch nachhaltige Form der Mobilität darstellen." Der Mann meint es ernst: "Ziel ist, dass OScar in ein paar Jahren auf der Straße fährt." Um die Latte nicht zu tief zu legen, fügt er noch hinzu: "Überall auf der Welt."

Ein ehrgeiziges Vorhaben. Die Konstruktion eines Autos gehört schon im gewohnten Rahmen zu den komplexesten Aufgaben, die man sich heutzutage stellen kann. Dazu kommt: Es gibt so gut wie keine Erfahrung mit der Entwicklung von Open-Source-Hardware, erst recht nicht in diesem großen Maßstab, ob das nun die eingesetzte Software, die Organisation oder den Prozess betrifft.

Open-Source-Hardware bedeutet konkret und im Unterschied zu einem offenen Software-Code: ein geometrischer Datensatz plus Informationen zum Material der Bauteile. Allein daraus ergeben sich neue Fragen, beispielsweise die nach der Haftung für ein solches Produkt, oder auch jene nach dem Varianten- und Qualitätsmanagement. In beiden Fällen sind klassische Open-Source-Prinzipien, wie sie für die Software-Entwicklung gelten – keine Haftung, häufig neue Versionen – nicht so einfach übernehmbar. Aber wer auch immer sich traut, kann mit den Konstruktionsdaten zu einem Auftragsfertiger gehen, das offenste aller Autos dort bauen lassen und es auf den Markt bringen.