Methanol statt Wasserstoff

Vergessen wir Wasserstoff, meint der Chemie-Nobelpreisträger George Olah, Methanol sei die Lösung aller Energieprobleme.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 2 Kommentare lesen
Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Kevin Bullis

Der Chemie-Nobelpreisträger des Jahres 1994, George Olah, hält die so genannte "Wasserstoff-Wirtschaft" ("Hydrogen Economy"), bei der künftig emissionsfreie Wasserstoff-basierte Brennstoffzellen Benzin- und Dieselmotoren ersetzen sollen, für eine Schnapsidee.

Olah wurde für seine Forschungsarbeiten im Bereich der Kohlenwasserstoffchemie bekannt, aus der sich unter anderem oktanreichere Kraftstoffe und leichter abbaubare Kohlenwasserstoffe ergaben. Er ist heute Leiter des Loker-Forschungsinstituts für Kohlenwasserstoffchemie an der University of Southern California. Seine Argumentation: Energiereserven in Form von Methanol könnten die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen beenden und aus dem Treibhausgas CO2 den Grundstoff für eine neue, Methanol-basierte Wirtschaft machen. Seine Idee legt er in einem neuen Buch namens "Beyond Oil and Gas: The Mathanol Economy" (Wiley-VCH) dar. Technology Review unterhielt sich mit Olah.

Technology Review: Herr Olah, warum Methanol?

George Olah: Methanol ist schon für sich genommen ein exzellenter Treibstoff. Man kann es mit Benzin vermischen und es hat wesentlich bessere Eigenschaften als Ethanol. Außerdem wurden bereits Methanol-Brennstoffzellen entwickelt.

Methanol hat eine sehr einfache chemische Struktur, die sehr effizient hergestellt werden kann. Es besteht aus einem Sauerstoffatom, das in eine Methangruppe eingefügt wird; Methan ist die Grundkomponente von Erdgas. Methanol lässt sich aber als Flüssigkeit leichter lagern, transportieren und verwenden.

TR: Aber was stört sie an Wasserstoff-Brennstoffzellen?

Olah: Schon heute wäre es möglich, an jeder Tankstelle Methanol-Zapfsäulen anzubieten. Man könnte es problemlos und ohne den Aufbau neuer Infrastrukturen abgeben. Beim Wasserstoff braucht es dagegen eine völlig neue Technik. Ihr Aufbau wäre enorm teuer oder gar unmöglich. Wasserstoff ist ein hochflüchtiges Gas und ohne großen Druck lässt es sich in größeren Mengen so gut wie nicht handhaben.

TR: Methanol ist aber nur eine Methode, Energie zu speichern, keine eigene Energieform an sich wie etwa Benzin. Wo soll da die Energie herkommen?

Olah: Das schöne an Methanol ist, dass man jede Energiequelle benutzen könnte. Egal ob man fossile Brennstoffe einsetzt oder Atomkraftwerke, Wind und Sonnenenergie. Es ist wesentlich sinnvoller, Energie in eine bequem handhabbare Flüssigkeit umzuwandeln, als sie als flüchtiges Wasserstoffgas zu transportieren. Außerdem gibt es einen Zusatzvorteil: Man könnte zusätzlich das CO2 in der Atmosphäre reduzieren.

TR: Wie wird Methanol hergestellt?

Olah: Ein Ansatz wäre, die bestehenden riesigen Reserven an Erdgas umzuwandeln, dies aber auf völlig neuen Wegen zu tun. Heute wird Methanol ausschließlich aus Erdgas hergestellt. Es wird teilverbrannt und dabei in Synthesegas umgewandelt, das man dann zu Methanol umbauen kann. Es gibt nun aber Methoden, wie man Methanol ganz ohne dieses Synthesegas herstellen könnte.

Der zweite Ansatz hat mit CO2 zu tun. Meine Gruppe gehört zu den Miterfindern der direkten Methanol-Brennstoffzelle. Sie verwendet Methanol und produziert CO2 und Wasser. Uns fiel auf, dass man diesen Prozess womöglich umkehren könnte. Dem ist tatsächlich so: Man nimmt CO2 und Wasser plus elektrischen Strom und reduziert beides chemisch zu Methanol.

Das zweite Standbein unserer Methanol-Wirtschaft wäre also, CO2 sofort an den Stellen zu recyceln, wo es in großen Mengen entsteht, etwa an den Abluftschächten von Erdgas-Kraftwerken. Später könnte man das CO2 auch aus der Luft nehmen, aber das wird nicht über Nacht passieren.

TR: Würde das die Gefahr von CO2 als Treibhausgas reduzieren?

Olah: Die Regierung will CO2 am liebsten einsperren. Man hört beispielsweise, dass man CO2 in der Erde vergraben oder auf dem Seeboden loswerden könnte. Aber wie lange würde es da unten bleiben? CO2 ist ein sehr flüchtiges Material. Auch unter den besten Konditionen wird es sich irgendwann befreien. Unser Ansatz ist ein ganz anderer: Wenn wir das CO2 loswerden wollen, müssen wir es einfangen. Und warum sollte man es dann nicht als neues Ausgangsmaterial recyceln?

TR: In letzter Zeit hört man viel davon, wie sinnvoll es wäre, Benzin durch Ethanol aus biologischen Quellen zu ersetzen und gleichzeitig bessere Batterien für hocheffiziente Hybridfahrzeuge zu entwickeln. Hat beides einen Platz in Ihrem Modell der Methanol-Wirtschaft?

Olah: Ich glaube, dass wir alle Möglichkeiten verfolgen sollten. Es gibt keine einzelne Lösung für dieses Problem. Ich glaube allerdings auch, dass wir, wenn wir uns die Zahlen unvoreingenommen ansehen, zu dem Schluss kommen werden, dass biologische Quellen allein das Problem nicht lösen können. Der US-Präsident erwähnte kürzlich die Idee, aus Zellulose-Material Ethanol herzustellen. Im Prinzip ist das möglich, aber es ist eine sehr schwere, kaum entwickelte und meiner Meinung nach unrealistische Technologie. Besser Batterien sollten wir natürlich entwickeln. Aber Brennstoffzellen sind realistisch betrachtet heute wesentlich bequemer als jede Batterie.

TR: Welche Schritte müssten wir unternehmen, um uns in Richtung Methanol-Wirtschaft zu bewegen?

Olah: Ich gehöre zu denjenigen, die stark daran glauben, dass diese technischen Entwicklungen von den großen Firmen vollzogen werden müssen. Der Energiekonzern ExxonMobil hätte sicher die Mittel. Bislang sind sie aber noch nicht zu vernünftigen Lösungen gekommen, was natürlich schlecht ist. Ich glaube, dass sie die Idee einer Methanol-Wirtschaft nicht besonders mögen. Wenn man auf großen Öl- und Gas-Mengen sitzt und damit enorme Profite macht oder eben ein arabisches Land ist, das große Vorkommen und damit großen Reichtum besitzt, wird man auf einen verrückten Typen nicht gerade positiv reagieren, der etwas davon erzählt, dass die Menschheit die ultimative Lösung für das Energieproblem besitzt, ohne davon abhängig zu sein, was im Boden steckt.

Sollte diese Methanol-Wirtschaft funktionieren (und daran glaube ich), gäbe es kein Monopol für die Ölfirmen mehr. Große Chemiefirmen könnten das gleiche tun - oder sogar besser. Nun braucht es aber noch die Politiker und eine Öffentlichkeit, die sagt, man will vernünftige Lösungen überhaupt verfolgen.

TR: Wie dringend brauchen wir eine Lösung?

Olah: Der Mensch verwendet Kohle seit der Industriellen Revolution im großen Stil, die nun gut 250 Jahre zurückliegt. Wir haben heute bereits zu einem großen Teil das, was uns die Natur gegeben hat, verbraucht. Ich sage zwar nicht, dass wir von heute auf morgen keine Energie mehr haben, aber wir sollten uns jetzt Gedanken machen, wie wir damit in Zukunft umgehen wollen.

Die USA importieren heute viel verflüssigtes Erdgas. Es gibt viele Quellen - Nigeria, die Vereinigten Arabischen Emirate, die Nordsee und so weiter. Der Energiegehalt eines einzigen Erdgas-Tankers entspricht dem einer mittelgroßen Wasserstoffbombe. Terroristen versuchen schon länger, Raffinerien in die Luft zu jagen und ein großer Tanker wäre für sie ein sehr lohnendes Ziel. Wer kann denn garantieren, dass das nicht geschieht? Eine realistische Lösung wäre auch hier, Erdgas so effizient wie möglich in ein sicheres flüssiges Produkt wie Methanol umzuwandeln.

Jeder Forscher meint, er vollbringe wichtige Arbeit, doch ich glaube, dass diese Forschung im Methanol-Sektor das wichtigste ist, was ich in meiner Karriere getan habe. Sie könnte große Auswirkungen auf die Gesellschaft haben.

Übersetzung: Ben Schwan. (wst)