"Getting Things Done": Wie Technologie bei der Selbstorganisation helfen kann

David Allen gehört mit seinem Bestseller "Getting Things Done" zu den US-Gurus in Sachen Zeitmanagement und Selbstorganisation. Im Interview mit Technology Review erklärt er, wie Technik dabei helfen kann.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Wade Roush

David Allen, Autor des US-Buchhits "Getting Things Done – Die Kunst der stressfreien Produktivität" (kurz: GTD), ist einer der bekanntesten amerikanischen Experten in Sachen Zeitmanagement und Selbstorganisation. Sein GTD-System basiert darauf, dass der Mensch auf hereinkommende Aufgaben sofort reagiert – entweder durch sofortige Erledigung (falls die Komplettierung nur wenige Minuten dauert), Delegierung oder Aufnahme in To-Do- und Nachverfolgungslisten, die dann abgearbeitet werden können, wenn Zeit für größere Projekte vorhanden ist. Im Interview mit Technology Review spricht Allen über die Nutzung aktueller Techniktrends zum Zeitmanagement – beispielsweise den kürzlich gestarteten Google Calendar-Dienst.

Technology Review: Computer und das Internet helfen uns zwar, mehr Dinge zu tun, als jemals zuvor – die Frage ist allerdings, ob wir sie tatsächlich auch zum Abschluss bringen. Wie nutzt man moderne Technologie innerhalb eines guten Zeitmanagement-Systems?

David Allen: Zu Anfang möchte ich eine ganz wichtige Bemerkung machen – nämlich, dass man Zeit nicht managen kann. Zeit ist Zeit, und die lässt sich nicht verändern. Was wir hingegen managen können, sind Verpflichtungen, Commitments, die wir uns aufgeladen haben. Ein Kalender erlaubt uns vielleicht, drei oder vier Prozent all dessen zu erledigen, was wir zu tun haben. Was wir stattdessen brauchen, ist eine Methode, unsere Aufgaben nachzuverfolgen. Dann bekommen wir einen Überblick darüber, welche riesigen Mengen an Verpflichtungen wir tatsächlich eingegangen sind, und können sie überprüfen.

Die große Mehrzahl der heute erhältlichen Gadgets hilft Ihnen nur dabei, diese Information schneller in kleine Teile zu zerlegen. Aber es gibt keinen Unterschied, ob man seinen Kalender nun in der Hosentasche oder im Internet hat. Ich selbst habe einen Palm, den ich erst gar nicht benutzen würde, wenn er nicht diese praktische Monatsansichtsfunktion hätte. (Dies ist einer der Gründe, warum Palms im Vergleich zu anderen Produkten zum Zeitmanagement besser sind.) Der Palm hat aber gleichzeitig einen großen Nachteil: Es gilt bei seiner Benutzung das Motto "Aus den Augen, aus dem Sinn".

Oft bräuchte man, wenn man an seinem Telefon sitzt und etwas Zeit hat, eine Liste der Anrufe, die man erledigen müsste. Wenn ein Computer dabei hilft, diese Informationen breiter verfügbar und insgesamt leichter erreichbar zu machen, hilft er zu einem gewissen Grad.

Ein Rechner kann seinem Nutzer allerdings auch die Illusion vermitteln, gut organisiert zu sein – obwohl man eigentlich nur Platzhalter hin und her schiebt. In der Welt der Geeks ist mein GTD-Ansatz sehr beliebt, weil er die Anzahl der Dinge, die sich erledigen lassen, deutlich erhöht. Wer jedoch überarbeitet ist, wird am Ende genauso fertig sein, egal ob sein Kalender nun auf Papier oder elektronisch und online geführt wird.

TR: Wie behalten Sie selbst Ihre Verpflichtungen im Auge?

Allen: Ehrlich gesagt brauche ich dazu nur einige Listen. Eine dieser Listen ist ein Kalender, die anderen enthalten Dinge, die ich potenziell tun könnte, je nachdem, wo ich mich befinde – beispielsweise "@Work oder "@Home". Ich brauche nicht mehr als acht oder neun dieser einfachen Listen. Alles, mit dem man Listen verwalten kann, ist dafür geeignet. Ich verwende einen papierbasierten Terminplaner auf die gleiche Weise – es ist nur manchmal einfacher, einen Palm mit sich herumzutragen. Gleichzeitig ist es leichter, den Terminplaner zu durchblättern, als den Palm.

TR: Was halten Sie von Smartphones wie dem Treo, der Kalender, E-Mail und einiges mehr enthält? Das Gerät beherrscht To-Do-Listen, lässt einen aber auch Anrufe führen.

Allen: Mein Sony-Ericsson-Handy in meiner Tasche macht mir viel mehr Spaß als ein Treo. Der ist zwar sehr beliebt, bleibt aber auch immer etwas unhandlich. Ich kombiniere lieber meinen Palm mit meinem Handy, als beides miteinander zu kombinieren. Wenn eines der Geräte kaputt geht, will ich, dass das andere weiterfunktioniert. Auch die geringe Größe des Handys ist ein Pluspunkt. Ich ging gerade in Boston spazieren und steckte mir zuvor einfach mein Handy in die Tasche. Meinen Palm mochte ich hingegen nicht mitnehmen. Hätte ich einen Treo, müsste ich quasi beide Geräte mit mir herumschleppen und hätte dieses große Ding in der Tasche.

Zudem werden aus PDAs immer mehr echte Computer, bei denen man dann zwei oder drei Klicks braucht, um seine Listen zu finden. Wenn Sie 43 verschiedene Kategorien in Outlook auf ihrem Windows-Mobile-Gerät besitzen, aber nur einen schnellen Anruf tätigen wollen, wo müssen Sie dann überall suchen? Ist man technikverliebt, wird so etwas vielleicht zur Gewohnheit – man hat die natürliche innere Abneigung gegen diese Komplexität überwunden. Viele dieser Dinge funktionieren aber nur am Wochenende, wenn man zu Hause sitzt und Zeit zum Spielen hat. Wenn Sie sich mitten in der unschönen Realität befinden, beispielsweise gerade eine Grippe hinter sich haben und sich mies fühlen, brauchen sie sehr einfache, schnell verfügbare Lösungen.

TR: Wie sieht für Sie ein wirklich nützlicher persönlicher Organizer aus?

Allen: Wir könnten etwas bauen, das endlich intelligent genug ist. Ich denke da an Software, die Mitch Kapors Agenda ähnelt, einer DOS-basierten Lotus-Software aus den späten Achtzigern und frühen Neunzigern, die die freie Eingabe und Kategorisierung kleiner Einträge in eine Datenbank ermöglichte. Wenn ich auf meinem PDA einfach "Anruf Bill" eingebe und er dann automatisch auf meiner Anrufliste erscheint, wäre das sehr bequem. Dann kann ich ihn anrufen, wenn ich am Flughafen bin und ein bisschen Zeit habe.

Meine Traumvorstellung: Ich sitze hier und unterhalte mich mit Ihnen. Da fällt mir ein, dass ich neue Batterien für meine Kamera brauche. Das spreche ich dann in meinen PDA, der es dann automatisch in die Liste der Erledigungen einsortiert. Ein leicht zu bedienender und narrensicherer Weg, Daten einzugeben, kombiniert mit der Möglichkeit, sie im jeweils passenden Kontext zu sehen, wäre toll. Dann werden aus Computern nützliche Werkzeuge, weil sie uns die Daten, die wir brauchen, schneller liefern können.

TabletPCs, also Rechner mit stiftbasierter Oberfläche, nähern sich diesem Ideal. Ich kenne Leute in meinem Technologieteam und anderswo, die echte TabletPC-Freaks geworden sind. Sie mögen es, wie sich Papier anfühlt, haben mit dem TabletPC aber nun eine Möglichkeit, dies in die digitale Welt zu holen. Es ist schon ein bisschen lustig – heute, wo die Computer immer besser und immer schneller werden, kommen sie an papierbasierte Systeme heran.

Wer sich näher mit meinem "Getting Things Done"-Prinzip beschäftigt hat, wird aber wissen, dass die größte Herausforderung die wöchentliche Überprüfung ist, in der man die Listen durchgeht, checkt und festlegt, was die nächsten Aktionen sein sollen. Wenn ich eine Milliarde Dollar hätte, würde ich ein Gerät entwickeln lassen, das mir diese wöchentliche Überprüfung abnimmt. Es würde die richtigen Fragen stellen und mir helfen, die Antworten darauf zu finden. Beispielsweise würde mich das Gerät fragen, ob ich, weil ich nächste Woche nach New York fahre, die gleichen Theaterkarten wie beim letzten Mal möchte. Da könnte man noch allerlei schöne Dinge entwickeln, um einen echten "Personal Manager" zu erhalten.

TR: Das ultimative Ziel von "Getting Things Done" ist es, dank der Listen den Kopf derart frei zu bekommen ("Mind like Water"), dass man sich einmal nicht mit den Dingen beschäftigen muss, die man zu tun hat. Kann uns Technologie diesem Zustand des Nichtstuns wieder näher bringen?

Allen: Ich will so häufig ich kann nichts tun müssen. Deshalb versuche ich, meine E-Mail-Inbox so leer wie möglich zu halten und all diese offenen Dinge zu erledigen. Die meisten Leute verbringen die Woche vor ihrem Urlaub damit, alle offenen Fragen zu klären, damit sie davon nicht überschüttet werden. 90 Prozent des "Getting Things Done"-Verfahrens liegt aber darin, den Nutzern die Möglichkeit zu geben, schnell zu sehen, was sie als Nächstes genau in diesem Moment tun sollten.

Übersetzung: Ben Schwan. (wst)