Post aus Japan: Roboter für Helikopter-Eltern

Ein japanisches Unternehmen hat einen Roboter für Kindergärten entwickelt. Er ermöglicht Eltern, fotografisch den Tagesablauf ihrer Kinder nachzuverfolgen.

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Von
  • Martin Kölling

Ein japanisches Unternehmen hat einen Roboter für Kindergärten entwickelt. Er ermöglicht Eltern, fotografisch den Tagesablauf ihrer Kinder nachzuverfolgen.

Japan probiert mit Elektronik seit jeher alles Mögliche aus – und oft auch das Unmögliche. Jeden Donnerstag berichtet unser Autor Martin Kölling an dieser Stelle über die neuesten Trends.

Nun ist es also so weit. Nachdem der humanoide Roboter "Pepper" in Japans Wohnstuben einmarschiert, schickt sich sein kleiner Verwandter "Meebo" an, in Kindergärten einzurücken. Das japanische Unternehmen UniFa hat diesen Monat angekündigt, bis 2018 10.000 dieser 28 Zentimeter kleinen und ein Kilogramm leichten Meebos an Kindergärten auszuliefern.

Verlautbarungen dieser Art beäuge ich zwar generell mit Skepsis. Doch das Geschäftsmodell von UniFa hat mein Interesse geweckt. Denn vielleicht hat das Unternehmen eine der höchsten Hürden für die Verbreitung von Robotern gelöst: das Angebot eines wirklichen Nutzwerts, für den Menschen bereit sind, zu zahlen.

Bei Meebo sind das keine übermenschlichen Fähigkeiten. Er kann zwar ein bisschen hampeln, vor Erdbeben warnen, aus der Ferne die Körpertemperatur ablesen und "heilende Musik" für kranke Kinder abspielen. Aber grundsätzlich ist sein Funktions- und Bewegungsrepertoire reichlich beschränkt.

Die Hauptanwendung verdankt er vielmehr einen kleinen Kamera in der Stirn. Mit der schießt er fortwährend Fotos von den Kindern, lädt sie in die Cloud hoch, wo sie automatisch ausgewählt, sortiert und dann den Eltern auf der Homepage des firmeneigenen "Rukumi"-Diensts (sprich Look me) zur Ansicht und zum Download angeboten werden. Die Eltern können dann nach Feierabend schauen, was ihre Kleinen tagsüber so angestellt haben und sich die besten Schnappschüsse fürs digitale oder reale Fotoalbum herunterladen oder ausdrucken.

Ich könnte mir vorstellen, dass dies bei der Zielgruppe ankommt. Denn die Kinder berufstätiger japanischer Eltern verbringen in der Regel zehn Stunden in der Krippe. Die Kindergärtnerinnen schreiben zwar in einer Art Tagebuch in einem Absatz die Höhepunkte des Tages und den Zustand des Kindes auf. Aber die Neugierde – und vielleicht auch ein kleines bisschen ein schlechtes Gewissen – der Eltern könnten zu einer Akzeptanz dieser sanften Form der Dauerüberwachung führen. Zumal es preislich erschwinglich scheint.

Die monatliche Grundgebühr für den Roboter beträgt rund 75 Euro pro Monat. Aber für Kindergärten ist der Dienst so gut wie frei, wenn dazu der Rukumi-Dienst gebucht wird. Denn in dem Fall erhält der Kindergarten eine Teilnahmegebühr, während die Eltern für den Fotoservice zahlen. Ich bin aber gespannt, ob sich der Dienst angesichts der um sich greifenden Aversion gegen die Veröffentlichung von Bildern seiner Selbst oder Famlienangehörigen verbreiten wird. Was passiert, wenn sich Eltern in einer Kindergartengruppe weigern, dass ihre Kinder fotografiert werden?

Unter Japans Roboterforschern herrscht ebenfalls Skepsis. "Ich mag Kommunikationsroboter, aber ich bin nicht so zuversichtlich, wenn es um ihre Kommerzialisierung und industrialisierte Herstellung geht", sagt Yoshio Matsumoto vom Grundlagenforschungsinstitut AIST in Tsukuba, der ein nationales Projekt für Pflegeroboter leitet. Er glaubt weiterhin, dass Roboter in der Alten- und Krankenpflege größere Möglichkeiten haben.

Die Regierung glaubt dies auch. Daher bezuschusst sie seit 2013 in dem auf fünf Jahre angelegten Projekt die Entwicklung von Robotern in acht Kategorien. Darunter sind Maschinen, die beim Heben, dem Transport oder dem Waschen von bettlägerigen Patienten helfen oder Menschen zu mehr Mobilität verhelfen. 50 Firmen machen mit.

Die Initiatoren hoffen, dass es einige Produkte bis zum Ende der Projekts bis zur Marktreife schaffen. Der Druck der Realität ist groß, weiß Matsumoto. Bis 2025 würde die Zahl der Alten den Höhepunkt erreichen. "Bis dahin müssen wir fertig sein", meint Matsumoto. "Wir müssen die Roboter populär machen, weil wir Personalmangel haben werden."

Ich bin mal gespannt, welcher Weg zur Roboterrevolution sich als der Wichtigere erweist. Der von subventionierten Nutzwertmaschinen oder die profitorientierte Entwicklung von Kommunikationsrobotern, die uns mehr Unterhaltung und Vernetzung versprechen. ()