Juno Therapeutics: Gentherapie gegen Krebs

Das US-Unternehmen will Krebs mit modifizierten Immunzellen bekämpfen. Wenn es klappt, könnte eine einzige Behandlung helfen. Doch die ist nicht nur wirksam, sondern auch riskant.

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Von
  • Antonio Regalado

Das US-Unternehmen will Krebs mit modifizierten Immunzellen bekämpfen. Wenn es klappt, könnte eine einzige Behandlung helfen. Doch die ist nicht nur wirksam, sondern auch riskant.

Als bei Milton Wright III. zum dritten Mal Krebs diagnostiziert wurde, weinte er, bis er lachen musste. Er war 20 Jahre alt und hatte schon zweimal eine akute lymphatische Leukämie (ALL) überlebt; erst im Alter von acht und dann mit zehn Jahren. Beide Male hatte er jahrelang sehr belastende Chemotherapien ertragen müssen. Jetzt hatte er sich selbst im Children’s Hospital in Seattle eingewiesen. Das aufstrebende Model war bei einem Foto-Shooting gestürzt und wurde den Schmerz in seinen Rippen nicht mehr los. Als die Ärzte eine Lumbalpunktion vorbereiteten, um das Nervenwasser des Rückenmarkkanals auf Leukämiezellen zu untersuchen, ahnte er, dass der Krebs zurückgekehrt war. „Ich dachte: ‚Oh Mann, sie werden mir noch sechs Monate geben‘“, erinnert er sich. Er hatte genügend kranke Kinder gesehen, um zu wissen, dass eine Chemotherapie bei einem derartigen Rückfall meist nichts mehr ausrichten kann.

Doch Wright überlebte. 2013 besiegten die Ärzte seinen Krebs mit einer neuen Therapie: Zuerst entnahmen sie seinem Blut sogenannte T-Zellen, veränderten die Immunzellen dann genetisch und injizierten sie ihm wieder. Im Children’s Hospital war Wright erst der Zweite, der diese Behandlung erhielt. Doch frühere Ergebnisse aus Philadelphia und New York waren geradezu wundersam: Bei 90 Prozent der etwa 150 Patienten mit ALL, bei denen die Krankheit zurückgekehrt und gegen die üblichen Medikamente resistent geworden war, verschwand der Krebs erneut. Normalerweise liegt die Chance für eine solche Remission bei lediglich zehn Prozent.

Diese Zahlen könnten die Erklärung dafür sein, warum Juno Therapeutics, das Unternehmen hinter der neuartigen Therapie, nur 16 Monate nach seiner Gründung an die Börse gehen und dabei 304 Millionen Dollar aufnehmen konnte. Der Börsengang gehörte zu den größten in der Geschichte der Biotechbranche. Dabei lagen zu dieser Zeit erst Daten über 61 Patienten mit den Blutkrebsarten Leukämie und Lymphom vor.

Juno Therapeutics wurde im August 2013 gegründet. Das Unternehmen hat verschiedene experimentelle T-Zell-Therapien von Forschungseinrichtungen aus Seattle, New York und Memphis lizenziert und will sie auf den Markt bringen. Diese sind der radikalste Ansatz, das Immunsystem auf Krebszellen anzusetzen. Die Idee ist nicht ganz neu und sah schon einmal wie eine Sackgasse aus. In den letzten vier Jahren hat sie sich aber mit überwältigenden Ergebnissen zurückgemeldet. Solche Therapien läuten für Juno-Geschäftsführer Hans Bishop derzeit eine neue, dritte Phase der Medizin ein: Patienteneigene lebendige Zellen werden zu Medikamenten. Die erste Phase gehörte den chemisch synthetisierten Medikamenten. In der zweiten folgte die Revolution der Proteinmedikamente, nachdem Genentech 1978 erstmals Insulin von Bakterien produzieren ließ.

Insgesamt haben mehr als 30 Unternehmen klinische Studien mit T-Zellen begonnen oder bereiten sie vor. Eines davon ist Novartis, das nach eigenen Angaben 2016 eine konkurrierende Leukämie-Therapie zur Zulassung anmelden möchte. Die US-Gesundheitsbehörde FDA gab im vergangenen Sommer sowohl Juno als auch Novartis den sogenannten „Breakthrough“-Status, sodass ihre Leukämie-Therapien nach nur einer einzigen größeren klinischen Studie zugelassen werden könnten – falls sich die ersten Ergebnisse bestätigen. Dadurch könnte die behördliche Genehmigung in beiden Fällen schon nach sieben Jahren vorliegen, während bei normalen Medikamenten im Durchschnitt eher vierzehn Jahre vergehen.

Junos T-Zellen-Technologie ist allerdings noch in einem experimentellen Stadium. Die von seinen universitären Kooperationspartnern angestoßenen Studien haben wenige Teilnehmer und keine Kontrollgruppen. Aber es gibt bisher eben auch keine andere Erklärung für das Verschwinden des Krebses. Fälle wie der von Wright belegten die grundsätzliche Machbarkeit, so Juno-Geschäftsführer Hans Bishop: „Die T-Zelle ist das Medikament.“

(vsz)